Berlin prüft Konsequenzen aus Netanyahu-Haftbefehl

9 Stunden vor
Netanyahu
Bundesregierung prüft Schritte Umsetzung von Netanyahu-Haftbefehl "schwer vorstellbar"

Stand: 22.11.2024 14:02 Uhr

Israels Verbündete wie etwa die USA verurteilen den internationalen Haftbefehl gegen Israels Premier Netanyahu mit scharfen Worten. Die Bundesregierung äußert sich zurückhaltend - man wolle prüfen, welche Folgen der Haftbefehl hierzulande habe.

Die Bundesregierung hat noch nicht entschieden, wie sie mit dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu umgehen will.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte mit, die daraus folgenden "innerstaatlichen Schritte" würden gewissenhaft geprüft.

Weiteres stünde erst an, wenn ein Aufenthalt von Netanyahu und dem ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant in Deutschland absehbar sei, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin mit. "Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass wir auf dieser Grundlage Verhaftungen durchführen", so Hebestreit weiter.

Deutschland versteht sich zugleich als größter Unterstützer des Gerichtshofs, wie auch Hebestreit mitteilte. "Diese Haltung ist auch Ergebnis der deutschen Geschichte. Gleichzeitig ist Konsequenz der deutschen Geschichte, dass uns einzigartige Beziehungen und eine große Verantwortung mit Israel verbinden", ergänzte er. Die Bundesregierung sei an der Ausarbeitung des IStGH-Statuts beteiligt gewesen. Die Entscheidung des Gerichtshofs habe sie zur Kenntnis genommen. 

Der Internationale Strafgerichtshof hatte Haftbefehle gegen Netanyahu und den kürzlich entlassenen israelischen Verteidigungsminister Gallant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg erlassen.

Auch gegen einen Anführer der Terrororganisation Hamas - Mohammad Diab Ibrahim Al-Masri, bekannt unter dem Nachnamen Deif - erließen die Richter in Den Haag einen Haftbefehl. Nach israelischer Darstellung ist dieser jedoch nicht mehr am Leben.

Biden bezeichnet Haftbefehle als "empörend"

International sind die Reaktionen auf den Haftbefehl gegen Netanyahu geteilt. Während der Iran und die Palästinensische Autonomiebehörde den Beschluss des Gerichts in Den Haag feiern, kritisieren mehrere Verbündete Israels den Haftbefehl - allen voran die USA. Ungarn stellte sogar demonstrativ eine Einladung an Netanyahu in Aussicht.

US-Präsident Joe Biden verurteilte die Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant. "Die Ausstellung von Haftbefehlen durch den Internationalen Strafgerichtshof gegen israelische Politiker ist empörend", wurde Biden in einer Mitteilung des Weißen Hauses zitiert. "Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Was auch immer der Internationale Strafgerichtshof andeuten mag, Israel und die Hamas sind nicht gleichwertig - überhaupt nicht", sagte Biden.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte, die USA würden keinen Haftbefehl vollstrecken. Die Vereinigten Staaten erkennen den Gerichtshof allerdings auch nicht an und sind nicht zur Vollstreckung des Haftbefehls verpflichtet. 

Orban lädt Netanyahu ein

Ungarn, das anders als die USA den Strafgerichtshof anerkennt und den Haftbefehl eigentlich vollstrecken müsste, ging noch weiter. Ministerpräsident Viktor Orban kündigte demonstrativ eine Einladung Netanyahus zu einem Besuch an.

Die Entscheidung des IStGH sei "zynisch" und stelle eine "Einmischung in einen laufenden Konflikt zu politischen Zwecken" dar, sagte Orban im ungarischen Staatsrundfunk.

"Lobenswert"

Der Iran begrüßte die Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant hingegen. "Das ist lobenswert, nur müssen die USA und die Europäer die Haftbefehle auch respektieren und umsetzen", sagte der außenpolitische Berater des geistigen Führers Ayatollah Ali Chamenei, Kamal Charrasi.

Die Entscheidung des Gerichts in Den Haag sei auch beschämend für den Westen, der Israels Handeln im Gazastreifen und im Libanon uneingeschränkt unterstützt habe.

Die Hamas bezeichnete die Entscheidung als "wichtigen historischen Präzedenzfall und eine Korrektur eines langen Wegs historischer Ungerechtigkeit gegen unser Volk." Auch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland lobte die internationalen Haftbefehle.

Irland würde Haftbefehl vollstrecken

Die Regierungen der Niederlande und Kanadas ließen durchblicken, dass die Haftbefehle in ihren Ländern vollstreckt würden. Auch in Irland würde Netanyahu eine Festnahme drohen, wie Regierungschef Simon Harris der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge sagte. Sollten andere Staaten ebenso vorgehen, könnte dies die Reisefreiheit des israelischen Regierungschefs empfindlich einschränken.

EU-Chefdiplomat Josep Borrell bezeichnete den internationalen Haftbefehl gegen Netanyahu als bindend für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Als Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs seien die EU-Länder verpflichtet, die gegen Netanyahu, Gallant und Deif verhängten Haftbefehle umzusetzen, sagte er. "Die Entscheidung des Gerichtshofs muss respektiert und umgesetzt werden", so Borrell.

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