Regierungsbildungsauftrag: Nehammer will Dreierkoalition bilden
Regierungsbildungsauftrag
Der bisherige Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hat den Auftrag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Regierungsbildung angenommen. Er wolle „hart dafür arbeiten, eine stabile, von einer breiten Mehrheit im Parlament getragene Bundesregierung“ zu bilden. Dafür werde es einen dritten Partner brauchen, so Nehammer. SPÖ-Chef Andreas Babler zeigte sich offen für „konstruktive Gespräche“.
Online seit gestern, 16.28 Uhr (Update: gestern, 16.53 Uhr)
Er nehme den Auftrag von Alexander Van der Bellen „in aller Redlichkeit und Ernsthaftigkeit an“, sagte Nehammer. Politik könne Vertrauen nur dann zurückgewinnen, „wenn sie verantwortungsbewusst handelt und ihr Wort hält“, so Nehammer.
Für die Bildung einer Regierung brauche es „Inhalte und Partner“. Er sehe das Wahlergebnis als keinen Auftrag zu einem „weiter wie bisher“. Er wolle bei den Gesprächen, die er führe, die Sorgen und Ängste der Österreicherinnen und Österreicher berücksichtigen – „vor allem auch die Anliegen jener, die uns dieses Mal ihr Vertrauen nicht geschenkt haben“, so der ÖVP-Chef.
Der bisherige Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hat den Auftrag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Regierungsbildung angenommen. Er wolle „hart dafür arbeiten, eine stabile, von einer breiten Mehrheit im Parlament getragene Bundesregierung“ zu bilden.
Er werde in den kommenden Wochen in vertiefende Gespräche mit der SPÖ eintreten. Das sei aber nicht der letzte Schritt, es werde „einen dritten Partner brauchen“, um eine stabile Mehrheit zu gewährleisten, so Nehammer weiter. Er könne „heute noch nicht sagen, ob diese Gespräche und Verhandlungen zu einer Regierungsbildung führen werden“. Er werde „im Sinne der Stabilität, Verlässlichkeit und Verantwortung für unser Land handeln“.
Nehammer sieht drei Kernfragen, die angegangen werden müssten. Er nannte die Standortpolitik, das Thema Migration und Integration sowie das Gesundheits- und Pflegesystem als jene wesentlichen Inhalte, die einer Lösung bedürften. Zudem mahnte Nehammer in Richtung des potenziellen Regierungspartners SPÖ, ohne diesen explizit zu nennen, dass der Wohlfahrtsstaat nur durch Menschen finanziert werden könne, die arbeiten und bereit seien, Leistung zu erbringen: „Arbeit muss sich wieder lohnen.“
Bundespräsident erteilte AuftragDer Bundespräsident erteilte davor dem bisherigen Bundeskanzler und ÖVP-Chef den Auftrag zur Regierungsbildung. Aus den bisher geführten Gesprächen sei klar geworden, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl keinen Koalitionspartner finden werde. Deshalb beauftragte er die Partei mit den zweitmeisten Stimmen.
Österreich brauche eine „handlungsfähige, stabile, integre Regierung“, so Van der Bellen. Die Gespräche der vergangenen Tage hätten gezeigt, dass Kickl „keinen Koalitionspartner findet, der ihn zum Kanzler macht“. Die ÖVP schloss eine Koalition mit Kickl als Kanzler aus, die anderen Parteien überhaupt eine Koalition mit der FPÖ. Es gehe nun „darum, auf anderem Wege so rasch wie machbar eine Bundesregierung zustande zu bringen“, so Van der Bellen.
Van der Bellen will Kompromiss am Ende der VerhandlungenVan der Bellen sagte, man habe einen fairen Wahlkampf erlebt, aber auch gesehen, dass die inhaltlichen Positionen weit auseinandergehen. Es gehe nun darum, aufeinander zuzugehen. „Am Ende der Verhandlungen werden Kompromisse stehen“, so der Bundespräsident weiter. „Das ist, was unsere Demokratie ausmacht.“
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag den bisherigen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit der Regierungsbildung beauftragt. FPÖ-Chef Herbert Kickl, dessen Partei bei der Nationalratswahl auf Platz eins landete, „findet keinen Koalitionspartner“, sagte der Bundespräsident.
„Wir stehen vor großen Herausforderungen“, so Van der Bellen, es brauche „Reformen, die tiefgreifend sind“. Er vertraue nun auf das „Augenmaß und Verantwortungsgefühl“ von SPÖ, ÖVP und etwaigen weiteren Parteien, die in die Gespräche eingebunden werden.
Eingangs sagte der Bundespräsident: „Das Volk, das sind wir alle.“ Dazu zählten die Wählerinnen und Wähler der FPÖ, der ÖVP, jene der SPÖ und von NEOS, der Grünen und alle anderen, die andere Parteien, ungültig oder gar nicht gewählt hätten. „Wir sind unterschiedlich, unterschiedliche Dinge sind uns wichtig, deswegen wählen wir unterschiedliche Parteien“, so Van der Bellen. „Niemand kann allein das ganze Volk für sich beanspruchen, niemand.“
ÖVP und SPÖ nannten zahlreiche KritikpunkteKickl habe gegenüber Van der Bellen bestätigt, dass es „eine FPÖ-Regierungsbeteiligung nur mit ihm als Bundeskanzler“ geben würde. Die anderen Parteien hätten „glaubhaft versichert, dass sie genau das nicht wollen“.
ÖVP und SPÖ hätten unzählige Sorgen wegen der FPÖ geäußert, etwa um die liberale Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, wegen der Haltung zur EU, der Russland-Politik und Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin, des rückwärtsgewandten Frauenbildes, der fehlenden Abgrenzung zum Rechtsextremismus und spaltender, herabwürdigender Sprache. Das seien die Dinge, die „aus der Sicht von ÖVP und SPÖ gegen eine Zusammenarbeit“ sprächen, so Van der Bellen.
Die FPÖ verurteilte Van der Bellens Entscheidung am Dienstag. Der Bundespräsident habe „die Bevölkerung wissen lassen, dass er mit den bewährten und normalen Prozessen unserer Zweiten Republik bricht“, so Kickl in einem Posting auf Facebook. Doch das „letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, so Kickl weiter. Die Wiener Landespartei sprach von einem „schwarzen Tag für die Demokratie“, die FPÖ Salzburg sah „weitere fünf verlorene Jahre“.
Andere Parteien für Gespräche offenDie SPÖ zeigte sich unterdessen bereit für Gespräche mit der ÖVP: „Wir sind offen für konstruktive Gespräche mit Karl Nehammer und der ÖVP. Eine Koalition wird es mit uns nur geben, wenn wir gemeinsam Lösungen für die großen Herausforderungen finden, vor denen Österreich steht. Unsere Bedingung ist, dass wir reale Verbesserungen für die Bevölkerung gemeinsam umsetzen können“, hieß es in einer Aussendung.
NEOS ließ am Dienstag per Aussendung wissen, dass man für „ernsthafte Sondierungsgespräche“ zur Verfügung stehe. Grünen-Chef Werner Kogler schrieb im Kurznachrichtendienst X, dass seine Partei „weiter in konstruktivem Austausch“ mit ÖVP, SPÖ und NEOS bleiben und man sich „ehrlichen und offenen Sondierungsgesprächen“ nicht verschließen werde.