Nach seinem Gespräch mit dem FPÖ-Chef Herbert Kickl erteilte der Kanzler diesem eine Abfuhr. Nun trifft Nehammer die Chefs von SPÖ und Neos.
Als sich Karl Nehammer und Herbert Kickl am Dienstagnachmittag trafen, waren die Fronten relativ klar: Der blaue Wahlsieger würde zwar gerne mit dem türkisen Zweitplatzierten koalieren, schließlich habe sich das Land seiner Ansicht nach bei der Nationalratswahl für eine solche Koalition entschieden. Und zwar mit Kickl selbst an der Spitze. Die ÖVP wiederum schließt aber den blauen Chef Kickl kategorisch aus.
Und weil weder Kickl selbst noch seine Partei einen Austausch ihres Frontmannes für eine Regierungsbeteiligung in Erwägung zu ziehen scheinen, waren die Erwartungen vor dem Gespräch am Dienstag relativ gering. So gering, dass Kickl tags zuvor bereits die Basis dafür legte, bei der Regierungsbildung letztlich nicht zum Zug zu kommen – mit harter Kritik an Nehammer und dem Bundespräsidenten. Kickl sprach etwa von einem „abgekarterten Spiel“ und anstehenden Wahlen, bei denen man weitere „Signale“ als Zeichen gegen die „Ausgrenzung“ seiner Partei sehen werde.
Kickl sei „nicht bereit“In der Frage, ob Nehammer etwa auf Druck der Industrie vielleicht doch noch irgendwie in Richtung Kickl-FPÖ kippt, legte sich Nehammer nach dem Gespräch fest – und erklärte, dass er keine Möglichkeit für eine Koalition mit FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht. „Ich habe meine Einschätzung diesbezüglich seit der Wahl nicht geändert“, sagte der Bundeskanzler. „Es geht dabei nicht um die Frage der Sympathie“, sagte Nehammer, es sei „nicht die Frage, ob der eine den anderen mag“. Vielmehr gehe es um „politisches Tun und Verantwortung“. Und Herbert Kickl sei „nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen“, so Nehammer.
Es folgte eine ganze Auflistung an Gründen, warum der blaue Frontmann nicht als Partner infrage komme. „Ich teile sein Demokratieverständnis nicht und lehne es zutiefst ab, wenn man angibt, Fahndungslisten zu schreiben“, sagte Nehammer etwa. Bei einer Koalition komme es auf „Dialog, Zuhören und Kompromisse“ an, sagte Nehammer, der Kickl einmal mehr vorwarf, „als Innenminister mit der Zerschlagung des Verfassungsschutzes die innere Sicherheit Österreichs gefährdet zu haben.“ Während der Corona-Krise habe Kickl keinerlei Verantwortungsgefühl gezeigt, und immer wieder würde er „Verschwörungstheorien anheimfallen“, etwa im Zusammenhang mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Was all das für Nehammer bedeutet? „Dass ich als Kanzler genauso wenig wie als Bundesparteiobmann den Steigbügelhalter für Herbert Kickl machen werde.“ Das sei „seine historische Verantwortung“, so Nehammer. Das Gespräch mit Kickl habe er geführt, weil der Bundespräsident es beauftragt habe.
Die ohnehin wahrscheinliche Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos dürfte damit ein weiteres Stück näher gerückt sein. Am Mittwoch trifft Nehammer auf SPÖ-Chef Andreas Babler, der hernach noch mit Kickl sprechen wird – bevor am Donnerstag Van der Bellen über den Ausgang der Gespräche berichtet hat. Hinter den Kulissen bereitet man sich bereits auf konkrete Koalitionsverhandlungen vor, wie berichtet arbeitet man in der ÖVP beispielsweise an „Präzisierungen“ des eigenen Wahlprogramms. In diesen Papieren werden auch bereits Forderungen anderer Parteien berücksichtigt – konkret etwa auch der SPÖ. Federführend dabei ist etwa Ex-Staatssekretär Florian Tursky.
Auch mit den Neos werden bereits diese Woche Gespräche geführt, wie die „Presse“ erfuhr. Alexander Van der Bellen hat die Pinken zwar nicht mit der Teilnahme am dieswöchigen Gesprächsreigen beauftragt, geredet wird aber dennoch – und zwar auf Einladung Meinl-Reisingers. Am Mittwoch soll ein Termin mit Nehammer vereinbart sein, was die ÖVP allerdings offiziell nicht bestätigen wollte. Am Donnerstag trifft sie SPÖ-Chef Andreas Babler.