NATO-Chef Stoltenberg will für den Ausfall der USA vorsorgen
Stand: 03.04.2024 19:20 Uhr
Bisher sind Waffenhilfen für die Ukraine freiwillige Zusagen einzelner NATO-Staaten. Dabei könnten die USA bald als zentraler Unterstützer ausfallen. Generalsekretär Stoltenberg schmiedet bereits Pläne, die Allianz darauf vorzubereiten
Die magische Zahl greift NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht auf. 100 Milliarden Euro für die Ukraine in den nächsten fünf Jahren? "Klar ist, dass wir mehr Geld für die Ukraine brauchen, und das für mehrere Jahre", erklärte er.
Auch die belgische Außenministerin Hadja Lhabib äußerte sich bei dieser Summe zurückhaltend: "Es ist gefährlich, Versprechungen zu machen, die wir nicht halten können", sagte sie in Brüssel beim Treffen der Außenminister der NATO-Staaten.
NATO soll Federführung übernehmenEs soll also mehr Geld für die Ukraine her - und das dauerhaft, robust und verlässlich, wie Stoltenberg immer wieder betonte. Das angegriffene Land könne nicht von "freiwilligen Zuwendungen" abhängig sein, sondern brauche Zusagen der NATO. Stoltenberg kritisierte auch deutlich die USA, weil diese seit Monaten Geld für die Ukraine nicht freigeben. Eine ungewöhnliche Schelte für den sonst so diplomatischen NATO-Chef.
"Wir hatten schon einmal ein Sondervermögen auf den Weg gebracht. Das wäre eine Möglichkeit", sagte Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock zu den Plänen. Vor dem 75-jährigen Jubiläum der NATO, das morgen in kleinem Rahmen in Brüssel gefeiert wird, will der scheidende Generalsekretär also das Bündnis mit mehr Einfluss ausstatten.
Leitung liegt noch bei AmerikanernStoltenberg hört im Herbst auf. Sein Nachfolger soll der Niederländer Mark Rutte werden. Er wird diese neue Strategie wohl mittragen. Dazu gehören mehr Geld, aber auch die Koordination von Militärhilfe an die Ukraine, Training der Soldaten und eine bessere Vernetzung des Landes mit NATO-Systemen.
Bislang hat einen Teil dieser Aufgaben das sogenannte Ramstein-Format erfüllt. Unter Leitung der US-Amerikaner haben sich auf der Militärbasis in Ramstein in Rheinland-Pfalz regelmäßig bis zu 50 Länder getroffen, um die Hilfe für die Ukraine zu koordinieren. Ob dieses Format dann abgeschafft werden soll?
"Wir haben bereits viel Koordinierung und ich schätze das Ramstein-Format", sagte Stoltenberg dazu. "Wir haben viele multilaterale- und bilaterale Initiativen. Es ist notwendig, diesem einen robusten und nachhaltigen Rahmen zu geben, um Berechenbarkeit und Verpflichtung für eine lange Weile zu sichern."
Das Szenario "Trump"In der Tat gibt es viele Stellen, die die Ukraine unterstützen wollen und die dafür Geld von den Mitgliedsstaaten brauchen, etwa die NATO und die Europäische Union. Es gibt zudem den NATO-Ukraine-Rat, das Ramstein-Format und viele Länder wie auch Deutschland, die der Ukraine direkt helfen.
Insgesamt habe man bislang 32 Milliarden Euro an ziviler und militärischer Hilfe geleistet, sagte Außenministerin Baerbock in Brüssel. Manche Diplomaten in Brüssel bezeichnen den Vorstoß als "Trump-sicher". Sollte der nächste US-Präsident die Unterstützung für die NATO zurückfahren, wäre das Bündnis darauf vorbereitet.
Eine Botschaft an MoskauDer amerikanische Außenminister Antony Blinken nahm auch an dem Treffen teil. Er kam allerdings etwas zu spät, weil sein Regierungsflieger eine Panne hatte. Statt mit dem Flieger musste er den Weg von Paris nach Brüssel mit dem Auto zurücklegen.
Stoltenberg ließ jedenfalls keinen Zweifel daran, dass die NATO mit ihrer neuen Initiative eine Botschaft nach Moskau sendet. "Je eher Russland erkennt, dass sie nicht auf dem Schlachtfeld gewinnen, desto eher werden wir ein Friedensabkommen erreichen", sagte er.
Entschieden wird in diesen Tagen noch nichts. Alles dient der Vorbereitung des NATO-Gipfels im Juli in Washington. Dann soll auch das Jubiläum mit den Staats- und Regierungschefs ordentlich gefeiert werden.