Warum sich Indiens Premier Modi mit österreichischen ...

9 Jul 2024
Narendra Modi

Der indische Premier, Narendra Modi, will bei seinem Wien-Besuch auch mit österreichischen Unternehmern sprechen. Das riesige indische Arbeitskräftepotenzial soll helfen, den heimischen Fachkräftemangel zu bändigen. Die Gespräche für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien wurden zuletzt wieder intensiviert.

Zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren besucht mit Narendra Modi ein indischer Premierminister Österreich. Der indische Staatschef kommt am Dienstag direkt aus Moskau von einem Treffen mit dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, nach Wien. Im Schlepptau hat er auch eine große Wirtschaftsdelegation.

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sollen ein Kernthema der Gespräche sein, haben Bundeskanzler Karl Nehammer und Bundespräsident Alexander Van der Bellen bereits angekündigt. Aus der Präsidentschaftskanzlei hieß es, man wolle sich mit dem Gast aus Indien über „die Intensivierung der bilateralen Beziehungen, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft und Technologie“, unterhalten.

Modi will österreichische Unternehmer treffen

Vor allem österreichische Unternehmen erhoffen sich, Aufträge in der aufstrebenden Wirtschaftsmacht und dem mit 1,4 Milliarden Menschen bevölkerungsreichsten Land der Welt an Land zu ziehen. Aber auch in Indien will man von der österreichischen Innovationskraft profitieren.

Bei einem kurzfristig einberufenen Wirtschaftsforum der Wirtschaftskammer (WKO) soll Modi am Mittwoch auch auf österreichische Unternehmer treffen, heißt es seitens der Kammer. Dort spricht man von einem gewaltigen „Potenzial für unsere Exportwirtschaft“ in der „derzeit am stärksten wachsenden Volkswirtschaft unter den G20-Staaten“.

150 österreichische Unternehmen in Indien aktiv

Für Österreich gewinnt der wirtschaftliche Austausch mit Indien zunehmend an Bedeutung. Mit einem bilateralen Handelsvolumen von rund 2,7 Mrd. Euro im Jahr 2023 zählt das Land zu den wichtigsten Handelspartnern außerhalb der EU. Österreichische Exporte nach Indien steigen kontinuierlich, im Vorjahr wurde laut Daten der WKO ein Plus von 7,8 Prozent erzielt. Vor Ort aktiv sind derzeit rund 150 österreichische Firmen, davon 60 Produktionsunternehmen, 40 im Bereich technischer Dienstleistungen und 50 Vertriebsbüros.

Aus Österreich werden vor allem Maschinen und Kfz-Güter nach Indien exportiert. Der Subkontinent gilt in Asien als zweitwichtigster Markt im Bereich Automotive hinter China. In Sachen Elektromobilität hinkt Indien gegenüber China zwar noch deutlich hinterher, aber auch bei Elektroantrieben gab es zuletzt ein starkes Wachstum. Ebenso im Aufschwung befindet sich der Energiesektor, denn Indien habe sich einigermaßen ambitionierte Klimaziele gesetzt und rüste etwa bei Wasserstofftechnologien kräftig auf.

Freihandelsabkommen zwischen EU und Indien in Arbeit

Möglichkeiten für heimische Firmen ergeben sich darüber hinaus durch sogenannte Smart-City-Projekte, da Indien aktuell verstärkt an entsprechenden Lösungen arbeite, sowie im IT-Sektor, in dem es ebenso Fortschritte gebe, sagt Igor Sekardi, Bereichsleiter für internationale Beziehungen und Märkte in der Industriellenvereinigung (IV), zur Austria Presse Agentur: „Das sind alles Möglichkeiten für unsere Industrie.“ Der Industrielle hofft auf eine Umsetzung des seit Längerem verhandelten Freihandelsabkommens zwischen Indien und der Europäischen Union: „Das wäre eine Möglichkeit, unsere Handelsbeziehungen weiter zu diversifizieren.“ Nachdem 2013 Gespräche über ein Freihandelsabkommen gescheitert waren, nahmen die beiden Wirtschaftsblöcke im Sommer 2022 erneut Verhandlungen auf.

Interessant ist Indien aus österreichischer Sicht freilich auch wegen des vorherrschenden Fachkräftepotenzials. Unter anderem aus diesem Grund trat unlängst Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) die Reise in das Land an. Folgt man Daten des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF), sind über die Rot-Weiß-Rot-Karte aktuell 813 Aufenthaltstitel für indische Staatsbürger aktiv – somit entfallen auf Inderinnen und Inder die drittmeisten RWR-Karten unter allen Ländern. Mit dieser sollen gerade in Branchen, in denen Arbeitskräfte fehlen, Menschen aus Drittstaaten in den heimischen Arbeitsmarkt gebracht werden.

Indien als schnellstwachsende Volkswirtschaft aller G20-Staaten

Mit kräftigem Bevölkerungswachstum und einer relativ jungen Gesellschaft löste Indien 2023 China als einwohnerreichste Nation (1,4 Milliarden) der Welt ab. Das starke Wachstum im Land spiegelt sich auch in der ökonomischen Entwicklung wider, wuchs Indiens Bruttoinlandsprodukt (BIP) im abgelaufenen Wirtschaftsjahr (bis Ende März) doch um beachtliche 6,9 Prozent. Für die kommenden Jahre werden neuerlich Zuwachsraten aufwärts der sechs Prozent prognostiziert, womit Indien die am stärksten wachsende Volkswirtschaft unter den G20-Staaten ist.

Getragen wird der Boom von der Erholung des Privatkonsums nach der Coronapandemie und enormen Investitionen der Regierung, wie aus einem Indien-Bericht der WKO-Außenwirtschaft vom April hervorgeht. 2020 etwa startete die Regierung die „National Infrastructure Pipeline – NIP“ mit dem Ziel, knapp 7000 Infrastrukturprojekte im Wert von umgerechnet 1,3 Billionen Euro in nur fünf Jahren umzusetzen. Viel Geld fließt weiters in den Ausbau der digitalen Netze sowie in den Energiesektor. (fre/APA)

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