Der emotionale Abschied des Sandplatz-Königs Rafael Nadal

6 Stunden vor
Nadal

Rafael Nadal, 38, erklärte nach Zögern seinen Rücktritt mit Saisonende. Einer Allzeitgröße des Sports, ein Weltstar verlässt den Platz. Die Szene verneigt sich – und applaudiert seiner Entscheidung.

Es gibt Dinge im Leben, die jeder erwartet – obwohl man sie weder sehen noch hören möchte. Auch im Fall des einzigartigen Tennisspielers Rafael Nadal ist es nur noch eine Frage der Zeit gewesen, ehe er sein logisches Karriereende erklärt. Am Donnerstag war es so weit: Der 38-jährige Spanier und 22-malige Gewinner eines Grand-Slam-Turniers stellt mit Saisonende seinen Schläger ins Eck. Eine Ikone des Sports tritt ab.

Es war auch ein Schachzug und kein so oft erlebtes, plumpes Verschieben eines Rücktrittes. Damit beschert Nadal der diesjährigen Davis-Cup-Finalrunde vom 19. bis 24. November in Malaga noch eine Aufwertung. Ein Ticketansturm ist gewiss, er wird ein letztes Mal servieren. Für Spanien, die Tenniswelt. Es ist seine letzte, große Bühne.

Einmal, in Paris

Es gibt Ausnahmekönner, die man einmal spielen gesehen haben muss. Und da gehört Nadal unbestritten dazu, und es gab dafür nur einen einzigen Ort: Paris. In Roland Garros, wo er 14 Mal triumphiert und Geschichte geschrieben hat wie kein anderer. Seine Auftritte im August bei Olympia 2024 sorgten für Massenandrang und trotz glühender Hitze für Gänsehaut. Aura, Augenblick, Mythos: Ihn zu sehen war eindrucksvoll. Und doch bewegend, weil er längst ausgelaugt, nicht mehr Herr aller Kräfte war und sichtlich Schmerzen hatte. Auch er selbst wollte offenbar noch einmal diesen Sand, „seinen“ Center-Court sehen.

In einem Video erklärte er seinen Rückzug vom Profisport nun so: „Es waren schwierige Jahre, die letzten beiden im Speziellen“, sagte der 92-fache ATP-Turniersieger. „Ich glaube nicht, dass ich zuletzt in der Lage gewesen bin, ohne Einschränkungen zu spielen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt da, um zu gehen.“ Bereits im Mai des Vorjahres hatte er angekündigt, dass er 2024 seine ruhmreiche Karriere ausklingen lassen wolle. Nur das Ablaufdatum ließ er offen, für sich und all die Spekulationen, dass es vielleicht doch noch, eine Saison zumindest, irgendwie trotz Schmer­zen weitergehen würde.

Bahnbrechende Vorhand

Den rechten Augenblick des Absprunges zu verpassen, dieser Fehler unterläuft zu vielen. Damit er nicht auch ihm passiert, schritt auch Freund und Dauerrivale Roger Federer ein. „Die Zeit nagt an einem. Am Schluss ist es dann vielleicht auch hilfreich, eine Entscheidung irgendwann einmal zu treffen. Und dann, wenn es vorbei ist, bist du auch einfach entspannt. Und sagst: Ach, zum Glück kein Training, zum Glück keine Matches mehr.“

Wie oft war Nadal aus Fitnessgründen, wegen Schmerzen (Müller-Weiss-Syndrom), Verletzungen oder Selbstzweifel schon nicht mehr angetreten? Allein heuer bei US Open, Wimbledon und Australian Open, immer zwickte etwas und der Linkshänder, der eine beidhändige Rückhand schlug wie kein anderer und dessen Vorhand bahnbrechend war, ließ viele an seinem Willen, dem Weg zurück und diesem „Raubbau am eigenen Körper“ teilhaben. Jetzt ist er der größte Sieger für Sohn Rafael Junior und Ehefrau Xisca Perello.

14 Siege bei den French Open, vier Triumphe im „Big Apple“, je zweimal in Wimbledon und Melbourne, an den Allrounder-Effekten des „Stieres aus Manacor“ gab es keinen Zweifel. Er war für 209 Wochen die Nr. 1 der Welt, all das Preisgeld und die Millionen aus der Werbung waren gut investiertes Geld. Gemeinsam mit Federer und dem Serben Djoković bildete Nadal die „Big Three“, die das Herren-Tennis fast zwei Jahrzehnte dominierten. Jetzt kommen andere zum Zug: Jannik Sinner, ob gedopt oder nicht. Carlos Alcaraz. Stefanos Tsitsipas.

Der Generationenwechsel

Als Österreicher muss man weinen. 16 Mal traf Nadal auf Dominic Thiem, der sich Ende Oktober in Wien ebenfalls von der Tennisbühne verabschieden wird. Sechs Duelle gewann Thiem, das letzte 2020 bei den ATP-Finals. Es ist kaum auszudenken, was jetzt alles möglicher wäre denn damals, als dieses Trio wirklich jeden Stoppball noch erwischte.

Der „Sandplatzkönig“ tritt ab. Spät, aber doch – nach eigener Entscheidung. „Mein Leben und Körper senden mir schon lange Signale“, gab Nadal zu. Der Enkel eines spanischen Dirigenten und Neffe eines Barcelona-Fußballers, der aus Mallorca stammt und 2001 auf der ATP-Tour aufgetaucht war, um die Tenniswelt zu erobern, sagt Adiós.

Wer ihn einmal live gesehen hat, der vergisst den Ton dieser knalligen Rückschläge auf dumpfen Sand nie.

»Ich habe immer gehofft, dass dieser Tag nie ­kommen würde. Vielen Dank für deine unglaublichen Erfolge in dem Spiel, das wir lieben. Es war eine absolute Ehre.«

Roger Federer

»Es ist natürlich eine schwierige Entscheidung, für die ich einige Zeit gebraucht habe. Aber in diesem Leben hat alles einen Anfang und ein Ende.«

Rafael Nadal
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