Luka Modrić: Der tragische Abschied eines Nationalhelden

3 Tage vor

Das kroatische EM-Drama brachte auch Luka Modrić zu Fall. Doch der Spielmacher, der die kleine Fußballnation in ungeahnte Höhen dirigierte, will weitermachen.

Wie ein zerbrechliches Häufchen Elend hielt Kroatiens Nationalheld Luka Modrić seine Auszeichnung für den „Spieler des Spiels“ in die blitzenden Kameras. Seine Augen rot und verheult. Die Haare zerzaust, der Blick versteinert und leer. 18 Jahre nach seinem Debüt in der Nationalmannschaft erlebte der kroatische Fußballstar beim 1:1 gegen Italien einen seiner bittersten und wahrscheinlich auch letzten EM-Abende.

„Der Fußball war heute grausam“, beschrieb der Kapitän völlig niedergeschlagen den schmerzhaften Moment nach seinem 178. Länderspiel. Im europäischen Fußball haben nur Sergio Ramos (180) und Cristiano Ronaldo (209) öfter für ihr Land gespielt.

Seit Jahren ist der Weltfußballer von 2018 das Herz und die Seele der Kroaten. Bei seinem Team-Premiere 2006 war das deutsche Sommermärchen noch nicht einmal angepfiffen, Spanien-Star Lamine Yamal noch nicht einmal geboren. Modrić genießt schon jetzt Legenden-Status in seiner Heimat, sogar eine eigene Briefmarke wurde dem 1,72 Meter großen Fußballer gewidmet. Als der 38-Jährige Montagnacht den Presseraum betrat, applaudierten kroatische und italienische Reporter zusammen. Ein italienischer Journalist adelte ihn als „einen der Besten, über den ich je berichten durfte“.

Modrić in Leipzig.

Modrić in Leipzig.  APA

Auch für Teamchef Zlatko Dalić ist Modrić der größte kroatische Fußballer der Geschichte. „Er ist jemand, zu dem jeder aufschauen muss und von dem jeder lernen kann“, lobte Dalic. Umso bitterer sei es, dass Modrić‘ historischer Tag durch ein Gegentor in der 98. Minute zerstört wurde. „Ich möchte sagen, dass acht Minuten heute auf keinen Fall berechtigt waren. Es gab keine Spielunterbrechungen und auch nicht so viele Fouls. Mich nervt, dass Kroatien nicht respektiert und anerkannt wird“, meckerte Dalić und stellte die für ihn rhetorische Frage: „Passiert das bei Portugal oder Spanien auch?“

Modrić war nach dem Last-Minute-Gegentreffer oberkörperfrei und mit einem Italien-Trikot um den Hals auf dem Rasen in Leipzig gekauert. Er hatte nicht mehr eingreifen können, war in der 80. Minute ausgewechselt worden. Erfolglos versuchte er seine Emotionen zu verbergen. Schließlich schlurfte er mit Tränen in den Augen in die Fankurve, um sich bei Zehntausenden Anhängern für eine am Ende wohl vergebliche Unterstützung zu bedanken.

Real-Vertrag läuft aus

Die Schockstarre der 25.000 mitgereisten Kroaten löste sich zumindest etwas, als Modrić später über seine Zukunft sprach. „Ich werde nicht gleich aufhören. Ich werde noch eine Weile spielen. Wie lange, weiß ich noch nicht“, erklärte der Spielmacher, der mit seinem Führungstor gegen Italien, nur 33 Sekunden nachdem er vom Elfmeterpunkt gescheitert war, Ivica Vastić als ältesten Torschützen der EM-Historie abgelöst hatte.

Unklar blieb, ob Modrić über seine Laufbahn im Nationaltrikot oder auf Vereinsebene bei Real Madrid sprach. Sein Vertrag bei den Königlichen endet in ein paar Tagen. Die Tendenz geht zum Verbleib. Was allerdings als sicher gilt: Modrić‘ Karriere im Nationalteam endet ohne Titel. Denn dass sich der quirlige Ballverteiler noch zwei weitere Jahre bis zur WM in Nordamerika quält, scheint ausgeschlossen. „Manchmal sorgt der Fußball für große Genugtuung und Freude und manchmal für große Enttäuschungen. Ich finde es unfair, dass wir so ausscheiden, weil wir für unser Volk ab der allerersten Minute gekämpft haben“, sagte Modrić. „Der Fußballgott ist nicht immer gnädig“.

Die mit ihren knapp vier Millionen Einwohnern vergleichsweise kleine Fußballnation von der Adria, die sich nach Platz drei bei der WM (2022) und dem Finale in der Nations League (2023) Chancen auf den erstmaligen Einzug in ein EM-Halbfinale ausgerechnet hatte, muss sich nun von einem Schock erholen. „Vom Märchen in den Alptraum“, schrieb die kroatische Zeitung „Jutarnji List“. Und auch Modrić musste gestehen: „Das ist ein trauriger Tag für den kroatischen Fußball.“

Zumindest Modrić kann sich nicht über mangelnden Respekt beschweren. „Bitte hören Sie nicht mit dem Fußball auf“, sagte der italienische Reporter fast schon flehend und schaffte es so immerhin, dem Kroaten ein kurzes Lächeln zu entlocken. „Irgendwann muss ich aufhören“, entgegnete Modric. (joe)

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