Miami, Messi und der Apple-Deal

25 Jun 2023
Messi

Der Wechsel von Lionel Messi in die USA führt den Fußball in ein neues Zeitalter. Musste der Sport einst TV-fähig werden, geht es jetzt darum, Streaming-kompatibel zu werden. Über die Hintergründe eines besonderen Transfers.

Lang gab es Spekulationen, seit knapp zwei Wochen herrscht Klarheit: Lionel Messi wechselt in die USA. Nicht nach Saudiarabien, wo die Scheichs mit einem astronomischen Jahressalär von einer halben Milliarde Euro lockten, sondern in die Major League Soccer (MLS) zu Inter Miami. Das Franchise von Miteigentümer David Beckham soll die letzte große Bühne in der Karriere des Weltmeisters und Weltfußballers sein.

„Der neue Hit von Miami“, titelte die französische Sportzeitung „L‘Equipe“, die britische Boulevardzeitung „The Sun“ schrieb von „Messi-Mania“. Die Latino-Community ist in Ekstase, die Bar- und Restaurantbetreiber in Miami wittern das große Geschäft. Wenn Messi künftig in der MLS aufläuft, könnte in der Stadt mehr los sein, als wenn Donald Trump eine Parteiveranstaltung abhält oder die Miami Heats in den NBA-Play-offs spielen. Deren Finalniederlage gegen die Denver Nuggets geriet im medialen Hype um Messi fast schon in den Hintergrund, was in einem Land, in dem der Fußball allenfalls die vierte oder fünfte Geige spielt, schon etwas heißen will.

Der „Streaming War“. Der „Miami Herald“, das Leib- und Magenblatt der Region, hob zu einer regelrechten Lobeshymne an: Die Nachricht, dass Messi nun für Inter Miami spielen werde, sei die „größte Sache, die unseren Mangroven passiert ist, seitdem Henry Flagler seine Eisenbahnschienen mitbrachte“, kommentierte die Zeitung. Der Erdölmagnat Flagler, der 1870 zusammen mit John D. Rockefeller die Standard Oil Company gründete, ließ ab 1885 eine Eisenbahnstrecke an Floridas Ostküste errichten, die dem hinterwäldlerischen „Sunshine State“ den Anschluss an die Industriemoderne ermöglichte. Doch mittlerweile ist es nicht mehr Big Oil, sondern Big Tech, das die Weichen in die Zukunft stellt.

So hat Apple einen milliardenschweren Streaming-Deal mit der MLS vereinbart. Der Tech-Gigant zahlt in den nächsten zehn Jahren 2,5 Milliarden US-Dollar dafür, dass die Live-Spiele der MLS exklusiv auf Apple TV+ zu sehen sind. Apple will in dem „Streaming War“ mit Amazon Prime Video, Netflix und Disney+ Marktanteile gewinnen. Damit die Kunden bereit sind, 6,99 Dollar im Monat für das Unterhaltungsangebot zu berappen, muss der Konzern natürlich etwas bieten. Es ist daher kein Wunder, dass der Tech-Konzern gemeinsam mit Vertretern von Adidas und der MLS am Verhandlungstisch saß, als es darum ging, Lionel Messi in die USA zu lotsen.

Der argentinische Weltmeister ist ein Megastar, der in der Liga von Tiger Woods und LeBron James mitspielt. Egal, wo er auftritt, mobilisiert er Menschenmassen. Jedes Kind auf der Welt kennt ihn. Was gäbe es also Besseres, als einen solchen Superstar als Markenbotschafter zu gewinnen?

Nach Informationen des Portals „The Athletic“ soll Messi neben einem fixen Jahresgehalt von 50 Millionen Dollar an den Erlösen aus dem Streaming-Geschäft beteiligt werden, genauer gesagt an den Umsätzen durch Neuabonnenten, die sich für das extra geschnürte Paket „MLS Season Pass“ entscheiden (kostet zusätzlich zum Abo 12,99 Dollar im Monat oder 39 Dollar für die ganze Saison). Passend dazu hat Apple eine vierteilige Dokumentation über Messi angekündigt, die Fans exklusive Einblicke hinter die Kulissen gewähren soll.

Murdochs Millionen. Der Streaming-Deal könnte den Fußball in ein neues kommerzielles Zeitalter führen – so wie es das Bezahlfernsehen in den 1990er-Jahren getan hat. Damals ging es darum, den Fußball als attraktives TV-Produkt zu vermarkten: mit schicken Stadien, neuen Kameraperspektiven und Montagsspielen.

Als im August 1992 an der Maine Road, der damaligen Heimspielstätte von Manchester City, der Anpfiff für die Premier League ertönte, kreiste ein Flugzeug mit dem Werbebanner „A whole new ballgame“ übers Stadion, während unten die Cheerleader Stimmung machten, die eigens von Rupert Murdochs Pay-TV-Sender Sky angeheuert worden waren. Ohne die Millionen des Medienmoguls wäre die Premier League nie gegründet worden. Die Cheerleader sind mittlerweile wieder von der Bildfläche verschwunden, doch die Amerikanisierung des Sports ist geblieben.

In einer globalen Aufmerksamkeitsökonomie, in der Pay-TV weitgehend in Streaming aufgegangen ist, geht es heute darum, auf allen Kanälen „Storys“ zu erzählen – der Live-Sport ist da nur ein „Content“-Element unter vielen. So hat Amazon vor einiger Zeit bereits eine Dokumentation über Manchester City unter dem Blockbuster-reifen Titel „All Or Nothing“ veröffentlicht. Da sah man dann Neuaufnahmen aus dem Spielertunnel und der Kabine, wie Chefcoach Pep Guardiola vor der Taktiktafel doziert. Auch bei Messi dreht sich jetzt alles darum, seinen Heldenmythos fortzuschreiben. Apple hat den Weltfußballer nicht in die USA geholt, um das sportliche Niveau der Liga zu erhöhen, sondern um aus seiner Prominenz Kapital zu schlagen.

Zumindest für die MLS-Teams scheint sich der Transfer bereits gelohnt zu haben. Die Nachfrage nach Tickets ist explodiert, die Fanshops kommen mit der Beflockung von Trikots kaum noch hinterher. Messi könnte der MLS einen Popularitätsschub verleihen, von dem auch die TV-Rechteinhaber TSN und Fox Sports profitieren. Begünstigt werden könnte die Entwicklung auch durch den demografischen Wandel und das damit verbundene Anwachsen der fußballbegeisterten spanischsprachigen Community.

Dass Messis Englischkenntnisse eher gering sind, dürfte wohl kaum ein Integrationshindernis darstellen. In Miami spricht man auch Spanisch.

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