Die Verhandlungen über eine Freihandelszone mit der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur stehen nach langen Verhandlungen vor dem Abschluss. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, auf dem Weg in Uruguays Hauptstadt Montevideo zu sein. Dort soll am Freitag am Rande eines Mercosur-Gipfels eine endgültige Einigung verkündet werden. Das Büro des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bezeichnete die Einigung umgehend als „inakzeptabel“.
Neben der EU und Uruguay sind auch Brasilien, Argentinien und Paraguay an den Verhandlungen beteiligt. „Die Ziellinie für das EU-Mercosur-Abkommen ist in Sicht“, schrieb von der Leyen während eines Zwischenstopps in Brasilien. „Lasst uns daran arbeiten, sie zu überqueren.“
Nach Angaben der deutschen Spitzenpolitikerin geht es bei dem Abkommen um einen gemeinsamen Markt mit 700 Millionen Menschen und um die „größte Handels- und Investitionspartnerschaft, die die Welt je gesehen hat“. „Beide Regionen werden profitieren“, ergänzte sie mit Blick auf die geplante Abschaffung von Zöllen und anderen Handelshindernissen.
Grundsatzeinigung gab es bereits 2019Über den Aufbau der Freihandelszone zwischen EU und dem Mercosur war eigentlich bereits im Sommer 2019 eine politische Grundsatzeinigung erzielt worden. Der Deal wurde dann allerdings wieder von mehreren EU-Staaten wie Frankreich, Polen oder Österreich infrage gestellt, und es gab jahrelange Nachverhandlungen.
Kritiker befürchten, dass europäische Landwirte künftig in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden und gleichzeitig die Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird. Die EU-Kommission verweist hingegen unter anderem darauf, dass das Abkommen Unternehmen in der EU schätzungsweise jährlich mehrere Milliarden Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln könnte. Eine Existenzgefährdung für europäische Landwirte sieht sie nicht.
Veto-Möglichkeit könnte umgangen werdenNach dem Abschluss der Verhandlungen müssen die Texte für das Abkommen noch juristisch geprüft und in die Sprachen der Vertragsstaaten übersetzt werden, bevor sie unterzeichnet werden können. Unklar ist auch noch, ob das Abkommen in einen Handelsteil und in einen politischen Teil gesplittet wird. Eine Aufteilung könnte es verhindern, dass noch immer kritische EU-Staaten wie Frankreich, Polen oder Österreich das Inkrafttreten des Abkommens am Ende verhindern.
Hintergrund ist, dass Handelsabkommen den Regelungen in den EU-Verträgen zufolge per Mehrheitsvotum beschlossen werden können und die Verträge nicht von allen Mitgliedstaaten national ratifiziert werden. Nationale Ratifizierungsverfahren werden nur dann notwendig, wenn die Abkommen auch politische Absprachen enthalten, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen.
Nicht Teil der Freihandelszone wird bis auf weiteres Venezuela sein. Die Mercosur-Mitgliedschaft des Landes war wegen Verstößen gegen demokratische Grundprinzipien suspendiert worden.
Kritik von SPÖ, Greenpeace und AttacKritik am Vorgehen der EU-Kommission kam am Donnerstag unter anderem vom SPÖ-EU-Abgeordneten Günther Sidl: „Hier geht es nur noch darum Mercosur durchzupeitschen - ohne Rücksicht auf Verluste“, so der Sozialdemokrat in einer Aussendung. Sidl warnte vor steigendem Preisdruck auf die europäischen und österreichischen Bauern und negativen Auswirkungen auf Klima und Umwelt. „Die EU ist schon jetzt einer der größten Verursacher für die Abholzung des Regenwaldes. Das zeigt, dass wir dringend umdenken müssen. Es bringt nichts, wenn wir uns hier in Europa zum Klimaschutzweltmeister erklären, aber gleichzeitig auf anderen Kontinenten schwere Schäden an der Natur verursachen.“
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte von der nächsten Regierung, sich gegen Mercosur zu positionieren. „Weder der Amazonas noch unsere Bäuerinnen und Bauern dürfen am Altar des Freihandels geopfert werden. Auch die nächste Bundesregierung muss sich klar zur Ablehnung von EU-Mercosur bekennen“, sagte Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace. Vertreterinnen und Vertreter der globalisierungskritischen NGO Attac protestierten am Donnerstag vor dem Wirtschaftsministerium gegen das Handelsabkommen und forderten Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) ebenfalls dazu auf, sich auf EU-Ebene „klar“ gegen Mercosur zu positionieren. (APA/dpa)