Die EU-Kommission hat ungeachtet anhaltender Bedenken von Ländern wie Frankreich, Italien, Polen und Österreich die Verhandlungen über eine riesige Freihandelszone mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur abgeschlossen. Eine politische Grundsatzeinigung wurde erzielt. Das teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einer finalen Gesprächsrunde mit Spitzenvertretern der Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay mit.
Die Verhandlungen liefen über einen Zeitraum von fast einem Vierteljahrhundert. „Dieses Abkommen ist ein Gewinn für Europa“, sagte von der Leyen in Uruguays Hauptstadt Montevideo. Es werde für Menschen und Unternehmen funktionieren und mehr Arbeitsplätze, mehr Auswahl und Wohlstand schaffen. „Unternehmen profitieren von niedrigeren Zöllen und vereinfachten Verfahren“, sagte von der Leyen.
Bevor das Abkommen in Kraft treten kann, müssen alle Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union zustimmen. Allerdings will von der Leyen mit einem Verfahrenskniff die Vetomöglichkeit aushebeln. Ob dies rechtlich möglich ist, ist derzeit ebenso offen, wie der genaue Inhalt des Handelsdeals.
Österreich legte Veto in Verfassung festÜber den Aufbau der Freihandelszone zwischen EU und dem Mercosur war eigentlich bereits im Sommer 2019 eine erste politische Grundsatzeinigung erzielt worden. Der Deal wurde dann allerdings wieder von mehreren EU-Staaten wie Frankreich, Polen oder Österreich infrage gestellt, und es gab jahrelange Nachverhandlungen.
Österreichs ablehnende Haltung zum Mercosur-Abkommen ist durch eine Veto-Festlegung im Nationalrat seit 2019 eingefroren. Neben dem ÖVP-Bauernbund zeigten sich zuletzt und neuerlich die SPÖ, FPÖ und Grüne sowie die Landwirtschaftskammer kritisch, dazu kommen Umweltschutz-NGO. Die vom ÖVP-Wirtschaftsbund beherrschte Wirtschaftskammer (WKÖ) sowie die Industriellenvereinigung (IV) verweisen auf die Chancen durch den Deal. Die NEOS sind dafür. Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaft sprechen sich dagegen aus.
Deutschland dafür, Frankreich und Italien dagegenZuletzt hatte vor allem Deutschland Druck gemacht, die Verhandlungen endlich zu finalisieren und den Text für das Abkommen den EU-Staaten zur Abstimmung vorzulegen. Deutschland setzt dabei darauf, dass der handelspolitische Teil im Rat der Mitgliedstaaten per Mehrheitsentscheidung beschlossen werden könnte. Ein Vetorecht hätten Mitgliedstaaten dann nur noch bei den geplanten Vereinbarungen zum politischen Dialog und zur Kooperation. Ein solches Splitten des Vertrags könnte aber Rechtsrisiken bergen.A
Aus Frankreich und Italien kamen am Freitag ablehnende Kommentare: Das Abkommen sei in seiner jetzigen Form inakzeptabel, ließ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch am Donnerstag verlauten. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ließ mitteilen, die Voraussetzungen für das Abkommen seien derzeit nicht gegeben.
Botschaft an Trump, Wettbewerb mit ChinaDas Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten würde eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Einwohnern schaffen. Es sieht vor, vor allem Zölle abzubauen und damit den Handel anzukurbeln.
Handelspolitiker sehen das geplante Abkommen zudem als Botschaft an den künftigen US-Präsidenten Donald Trump und als wichtigen Schritt im Konkurrenzkampf mit China. Trump soll gezeigt werden, dass funktionierende Freihandelsabkommen langfristig besser für die heimische Wirtschaft sind als eine Abschottung von Märkten mit neuen Zöllen und anderen Handelsbarrieren.
Mit Blick auf China gilt es als sicher, dass sich die Mercosur-Staaten im Fall eines Scheiterns des Abkommens wirtschaftlich noch stärker der Volksrepublik zuwenden würden.
Kritiker warnen vor Preiskampf und RegenwaldzerstörungKritiker befürchten, dass europäische Landwirte künftig in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden und gleichzeitig die Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird. Die EU-Kommission und die deutsche Regierung weisen die Vorwürfe hingegen als ungerechtfertigt zurück und betonen, dass die gesamtwirtschaftlichen Vorteile eindeutig überwiegen.
So wird betont, dass weiter nur Produkte, die den umfangreichen europäischen Vorschriften entsprechen, in die EU eingeführt werden dürften. Gleichzeitig könnten Unternehmen in der EU schätzungsweise jährlich mehrere Milliarden Euro an Zöllen sparen.
Befürworter: Zehntausende Firmen könnten profitierenBereits im vergangenen Jahr wurden aus der EU Waren im Wert von rund 56 Milliarden Euro in diese vier Mercosur-Ländern exportiert, in umgekehrter Richtung betrug das Exportvolumen rund 54 Milliarden Euro. Insgesamt könnten nach EU-Angaben 60.500 europäische Unternehmen von den geplanten Freihandelsvereinbarungen profitieren. (APA/dpa/red.)