Wechsel zur CDU: Melis Sekmen läuft den Grünen davon

Es geschieht nicht alle Tage, dass eine Bundestagsabgeordnete der Grünen zur CDU wechselt. Um genau zu sein, liegt der bisher letzte Fall schon 28 Jahre zurück. Umso bemerkenswerter war am Dienstag die Nachricht, dass die gebürtige Mannheimerin Melis Sekmen diesen Schritt geht. „Ich habe festgestellt, dass sich meine Vorstellung darüber, wie und mit welchem Stil Politik gemacht wird, weiterentwickelt hat,“ sagte die 30 Jahre alte Politikerin.

Melis Sekmen - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

In der Unionsfraktion bemühte man sich um Zurückhaltung. Man wolle „nicht triumphierend“ auftreten, war aus der Fraktionsführung zu hören. Obwohl es eine „große Sache“ sei, mache man „kein großes Ding“ daraus. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Thorsten Frei (CDU), sagte in Berlin, die Entscheidung Sekmens sei „nicht nur zu respektieren, sondern wir freuen uns darüber“. Man werde Sekmen „mit offenen Armen empfangen“ und freue sich über jeden, den das Programm der CDU überzeuge.

Frei sagte, Sekmens Wechsel sei „ihre Entscheidung“. Die bisherige Grünen-Abgeordnete sei als Wirtschaftspolitikerin aufgefallen, habe einen interessanten Lebenslauf und habe sich vor allem um Start-ups gekümmert. Wie der Wechsel vorbereitet wurde, wollte Frei nicht schildern. Er äußerte die Erwartung, Sekmen werde bald der CDU beitreten. Als Parteimitglied gehöre sie dann auch der Unionsfraktion im Bundestag an.

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In ihrer Fraktion hatte sie keinen Anschluss

Zurückhaltend äußerte sich der Fraktionsgeschäftsführer zur politischen Karriere der Abgeordneten in Partei und Fraktion. „Da gibt es nichts zu versprechen.“ Die Unionsfraktion hat ebenso wie die CDU als Partei nur zu etwa einem Viertel weibliche Mitglieder. Daher dürfte man sich über den Zugang einer jungen Abgeordneten, die noch dazu türkische Wurzeln hat, freuen.

Im linken Mannheimer Kreisverband der Grünen war Sekman eine Einzelkämpferin. In der Wirtschafts- und Migrationspolitik wichen ihre Vorstellungen von denen ihrer Partei deutlich ab. Als Kommunalpolitikerin und Vorsitzende der Gemeinderatsfraktion hatte sie eher die Nähe zur CDU als zur SPD gesucht. Als der heutige Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht im ersten Wahlgang bei der Oberbürgermeisterwahl 2023 vorn lag, wollte Sekmen, dass ihre Partei ein schwarz-grünes Signal aussendet und sich für eine Wahl Spechts im zweiten Wahlgang ausspricht. Dafür fand sich im Kreisverband keine Mehrheit.

Es gibt einige Mitstreiter in ihrer Partei, die an Sekman verzweifelten, nachdem sie 2021 auf Listenplatz 16 den Einzug in den Bundestag geschafft hatte: Sie stand im Ruf, sehr auf sich zentriert Politik zu machen, inhaltlich aber nicht hart genug zu arbeiten. In der Bundestagsfraktion der Grünen fand sie keinen Zugang zu den Abgeordneten des linken und des Realo-Flügels. Dabei hatten die Realos sie anfänglich unterstützt und ihre Biographie – Arbeiterkind aus einer türkischen Einwandererfamilie – als große Bereicherung empfunden. Cem Özdemir und der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz bemühten sich noch um sie, doch blieben diese Versuche offenbar erfolglos.

Nach dem Messerangriff eines Afghanen in Mannheim, bei dem ein Polizist starb, plädierte Sekmen für eine stärke islamismuskritische Positionierung ihrer Partei. Bei der Abstimmung über die aus ihrer Sicht zu schwache Resolution der Regierungsfraktionen enthielt sie sich, was den Ärger verstärkte. Die Aussicht auf einen sicheren Listenplatz hätte sie bei der nächsten Bundestagswahl nicht gehabt.

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