Grüne Melis Sekmen wechselt zur CDU: Dieser Schritt ist charakterlos

4 Tage vor

Meinung

Parteiwechsel von Melis Sekmen Dieser Schritt ist charakterlos

Melis Sekmen - Figure 1
Foto STERN.de

Melis Sekmen saß im Bundestag einst in den Reihen der Grünen – jetzt hat sie die Fraktion gewechselt

© dts Nachrichtenagentur / Imago Images

Die Grünen-Abgeordnete Melis Sekmen ist überraschend zur CDU gewechselt. Das zeugt von mangelnden Prinzipien. Die CDU sollte sich daher nicht zu früh freuen.

Die Freiheit der Abgeordneten ist im Grundgesetz festgelegt. In Artikel 38, Absatz 1, heißt es: "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."

Diese Gewissensfreiheit ist einer der wichtigsten Werte der Bundesrepublik. Sie soll Bundestagsabgeordnete davor bewahren, falsche oder gar gefährliche Entscheidungen ihrer Fraktion mitzutragen, selbst wenn dies in der Praxis (Stichwort: "Fraktionsdisziplin") nicht immer als reine Lehre umsetzbar ist.

Und sie soll die Parlamentarier daran erinnern, wem sie ausschließlich Rechenschaft schuldig sind: ihrem eigenen Wertesystem und dem deutschen Volk.

Man könnte den Schritt der ehemaligen Grünen-Abgeordneten Melis Sekmen, die am Dienstag überraschend zur CDU übertrat, vor diesem Hintergrund für richtig halten. Sie selbst begründete den Schritt mit dem Wunsch nach einer  "Debattenkultur, in der Menschen ihre Meinung und ihre Sorgen sagen können, ohne in Schubladen gesteckt zu werden". Diese hatte sie offenbar nicht mehr bei den Grünen gefunden.

Melis Sekmen begeht Verrat an ihren Wählern

Ist es nicht also konsequent und mutig, wenn man dann die eigene Partei verlässt?

Das wäre es gewesen, wenn Sekmen ihr Mandat niedergelegt hätte. Denn im Bundestag saß die Mannheimerin nur, weil die baden-württembergischen Grünen sie bei der Bundestagswahl auf ihre Landesliste setzten. In ihrem Wahlkreis fuhr Sekmen zwar ein gutes Ergebnis ein, schaffte aber nur Platz 2 hinter der SPD-Politikerin Isabel Cademartori. Und auch wenn ein Mandat nicht einer Partei "gehört", so sind doch gerade Landeslistenmandate eng mit dieser verbunden. 

Melis Sekmen - Figure 2
Foto STERN.de

Ihre eigene Verbundenheit mit der Partei demonstrierte Sekmen regelmäßig öffentlich: mit Posts in den sozialen Netzwerken, in denen sie bejubelte, was man als Grüne schon alles erreicht habe.

Mit ihrem Schritt begeht sie einen doppelten Verrat: an ihrer Partei, aber auch an ihren Wählerinnen und Wählern. Diese haben sie als Grünen-Politikerin gewählt. Das ist, wie wenn jemand mit dem Treueversprechen eine Beziehung eingeht, dann aber nicht nur übergangslos in die nächste geht, sondern auch noch darauf besteht, die gemeinsame Wohnung zu behalten.  

Alle, die Sekmens Wechsel feiern, sollten sich einmal fragen, wie sie es gefunden hätten, wenn eine CDU-Abgeordnete samt Mandat zu den Grünen gewechselt wäre. Die Allermeisten, das ist keine kühne Prognose, hätten es verurteilt. 

Wie Sekmen selbst. Als 2017 im Mannheimer Gemeinderat ein Grüner seinen Übertritt zur CDU ankündigte, reagierte Sekmen als Vorstandsmitglied empört. "Dieser angekündigte Wechsel bestärkt leider den Eindruck derjenigen, die Politikern immer wieder unterstellen, ihr Engagement nur zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen", heißt es in einer von Sekmen mitunterschriebenen Presseerklärung. Darin wird der Betroffene auch aufgefordert, sein Mandat als Stadtrat zurückzugeben. 

Die CDU sollte sich nicht zu früh freuen

Nun muss Sekmen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass es ihr eben nicht um gute Politik, sondern vor allem um die Frage geht, ihr politisches Überleben angesichts sinkender Umfragewerte für die Grünen über das Bundestagswahljahr 2025 hinaus abzusichern. Und dass sie nicht einmal den eigenen Prinzipien, wie sie sie 2017 formulierte, treu blieb.

Vor Melis Sekmen

Diese Politiker haben Fraktion und Partei gewechselt

Dass es auch anders geht, machte die FDP-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier vor. Aus Protest gegen den Ausstieg der Liberalen aus der Koalition mit der SPD verließ sie 1983 die FDP – und den Bundestag. Sie trat in die SPD ein, kandidierte für diese und zog noch im selben Jahr erneut ins Parlament ein. Sie hat damit vorgemacht, wie ein glaubwürdiger, anständiger Parteiwechsel aussieht.

Die CDU sollte sich ihrerseits nicht zu früh freuen über den Neuzugang. Andere spektakuläre Wechsel von Abgeordneten in der Vergangenheit zeigen, dass diese selten dauerhaft gutgehen. Oder um eine alte Regel zu zitieren: Wie jemand in eine Beziehung hinein geht, so geht er auch wieder aus ihr heraus.

#Themen CDU Bündnis 90/Die Grünen SPD Bundestag Beziehung
Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche