Frankreich: Welche Positionen vertritt der Linke Jean-Luc Mélenchon?

Linksaußen-Politiker Mélenchons teure Versprechen für Frankreich

Jean-Luc Mélenchon bei einem Auftritt in Paris

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© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Thomas Padilla

Jean-Luc Mélenchon sieht sich als Anführer des bei der Wahl in Frankreich siegreichen linken Lagers NFP – und will ein Programm sozialer Wohltaten umsetzen. Die Finanzierung dürfte das Land vor Probleme stellen

Es dauerte nicht lange, bis er sich ins Rampenlicht rückte: Kaum waren die ersten Prognosen zur zweiten Runde der französischen Parlamentswahl eingetrudelt, da stellte sich Jean-Luc Mélenchon vor die Kameras und Mikrofone. Die Neue Volksfront (NFP), zu der sich Sozialdemokraten, Grüne, Kommunisten und Mélenchons Partei „La France Insoumise“ zusammengeschlossen hatten, hatte einigermaßen überraschend die meisten Mandate geholt. Und der feurige Ultralinke war gekommen, um gleich mal ein paar Pflöcke einzuschlagen. Das Linksbündnis werde „sein Programm umsetzen“, rief Mélenchon vollmundig. „Nur sein Programm. Sein ganzes Programm.“

Da auch die NFP keine absolute Mehrheit im Parlament hat, ist es zwar unwahrscheinlich, dass sich diese Ankündigung umsetzen lässt. Und doch dürfte in den kommenden Wochen eine Rolle spielen, was Mélenchon meint, wenn er von seinem Programm spricht. Der ehemalige Grünen-Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit sagte vor der zweiten Wahlrunde in der „Zeit“, das Wirtschaftsprogramm des Linksbündnisses sei im Wesentlichen wie ein Wunschkonzert entstanden. Man habe mit der Frage operiert, welchen Teilen der Bevölkerung man etwas versprechen könne. „Noch eine Idee, noch jemand? Her damit.“

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Mindestlohn hoch, Rentenalter runter

Und tatsächlich lesen sich die Ideen Mélenchons wie eine Liste der sozialen Wohltaten, in der fast jeder sich wiederfindet. Der Mindestlohn soll um 14 Prozent steigen, die Anhebung des Renteneinstiegsalters auf 64 Jahre wiederum rückgängig gemacht werden. Für bestimmte Lebensmittel, Strom und Treibstoffe sollen Preisobergrenzen festgelegt werden. Zudem sind massive Investitionen in die öffentliche Verwaltung und in den Ausbau grüner Technologien geplant.

Die Linken jubeln: Frankreich rückt nach den Parlamentswahlen doch weniger nach rechts als gedacht. Die Märkte nehmen die Ergebnisse gelassen. Der Grund ist aber ein anderer

Das alles dürfte teuer werden. Der Thinktank Institut Montaigne hat ausgerechnet, dass sich das Ausgabenprogramm insgesamt auf 179 Mrd. Euro pro Jahr summieren würde – zusätzlich zu den ohnehin hohen Ausgaben des französischen Staats. Immerhin hatte Frankreich bereits im vergangenen Jahr ein Haushaltsdefizit von 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), der Schuldenstand liegt bei mehr als 110 Prozent des BIP. Beide Werte sind weit entfernt von den Vorgaben für die Mitglieder der Europäischen Union. Dies würde durch das Links-Programm noch verschärft. „Das Ergebnis wäre entweder ein fiskalischer Knall“, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, „oder der Versuch der Linken, das Ganze mit höheren Vermögens-, Einkommens- und Unternehmenssteuern zu finanzieren, würde das Wachstum so belasten, dass es zu einem ernsthaften Problem für die fiskalische Nachhaltigkeit würde“.

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Kaskade an neuen Steuern

Tatsächlich lässt sich dem Linksbündnis nicht vorwerfen, dass es sich keine Gedanken über die Gegenfinanzierung gemacht hätte. Die Neue Volksfront und der einstige Trotzkist Mélenchon haben eine ganze Reihe neuer Steuern ins Spiel gebracht, mit denen das Feuerwerk an Ausgaben bezahlt werden soll. Die Rede ist unter anderem davon, die Vermögensteuer wieder einzuführen und jedes Unternehmen, das das Land verlässt, mit einer „Exit-Steuer“ zu belegen. Zudem soll die 30-prozentige Pauschale auf Kapitalerträge gestrichen werden, die Erbschaftsteuer steigen und eine Steuer auf „Übergewinne“ erhoben werden – wobei nicht ganz klar ist, wie diese definiert werden.

Politiker aller Lager hatten zum Votum gegen die Rechtspopulisten aufgerufen – mit Erfolg. Die Regierungsbildung bleibt schwierig

All diese Pläne, die zum Teil darauf hinauslaufen, dass die Wirtschaftsreformen der Macron-Ära rückabgewickelt werden, dürften in den kommenden Wochen in den Verhandlungen über eine Mehrheitsbildung im Parlament eine Rolle spielen. Dass sie in Gänze oder auch nur in großen Teilen umgesetzt werden – wie von Mélenchon angekündigt – ist unwahrscheinlich. Einiges allerdings dürfte sich in den kommenden Wochen auch in einem Regierungsprogramm wiederfinden. 

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Berenberg-Ökonom Schmieding hält das für ein Problem. „Langfristig wird die partielle Abkehr von den Reformen und ein Ansehensverlust bei internationalen Investoren wahrscheinlich dazu führen, dass das Trendwachstum in Frankreich sinkt und die Inflation steigt“, so Schmieding. „Kommt dann noch eine mögliche Abwertung beim Kreditrating hinzu, dann steigen die Finanzierungskosten und die fiskalischen Probleme in Frankreich werden mit der Zeit zunehmen.“

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