Katholiken: Vatikan gibt grünes Licht zu Wallfahrtsort Medjugorje

6 Stunden vor

Katholiken

Der Vatikan hat am Donnerstag in einer Pressekonferenz seine Entscheidung über den Umgang mit spirituellen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Wallfahrtsort Medjugorje in Bosnien-Herzegowina verkündet. Der Papst gab sein „Nihil obstat“ („Es steht nichts dagegen“). Der berühmte Marienwallfahrtsort ist somit anerkannt – mit Einschränkungen.

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Foto ORF Religion

Online seit heute, 11.41 Uhr

Das berichtete Vatican News am Donnerstag. Der Ort 100 Kilometer südwestlich von Sarajewo zählt zu den größten katholischen Wallfahrtsorten der Welt und ist bekannt für angebliche Marienerscheinungen, die seit 1981 von einer Gruppe von damals im Kindesalter befindlichen „Sehern“ aus dem Ort berichtet werden und bis heute im Jahres-, Monats- oder sogar Tagesrhythmus andauern sollen.

Die mit dem Phänomen Medjugorje verbundenen Orte werden von jährlich mehreren Millionen Pilgerinnen und Pilgern aus der ganzen Welt besucht. Das nun vorgestellte, vom Papst am 28. August genehmigte Dokument mit dem Namen „Königin des Friedens“ äußere sich nicht zur Übernatürlichkeit, also Echtheit, der Erscheinungen, formuliere aber ein insgesamt positives Urteil über die Botschaften, wenn auch mit einigen Klarstellungen, so Vatican News.

Marienverehrung in Medjugorje

Es sei an der Zeit, eine lange und komplexe Geschichte über die geistlichen Phänomene von Medjugorje abzuschließen, so die Einleitung des Dokuments „Die Königin des Friedens“, das von Kardinal Victor Manuel Fernandez und Monsignore Armando Matteo, dem Präfekten bzw. dem Sekretär der Lehrabteilung des Dikasteriums für die Glaubenslehre, unterzeichnet wurde. In dieser Geschichte habe es „unterschiedliche Meinungen von Bischöfen, Theologen, Kommissionen und Analysten gegeben“.

Neue Normen für übernatürliche Phänomene

Der Vatikan hatte heuer seine seit 1978 geltenden Normen für die Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene aktualisiert. Diese neuen Regeln sollen schnellere Stellungnahmen zum Bereich der Volksfrömmigkeit möglich machen. Sie sollen Ortsbischöfen helfen, mutmaßliche Marienerscheinungen und andere Phänomene besser einzuordnen.

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Nach den neuen Leitlinien muss nicht mehr kirchenamtlich entschieden werden, ob eine Erscheinung ein übernatürliches Phänomen ist oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob die religiöse Praxis an einem Erscheinungsort vom seelsorgerischen Standpunkt her zu befürworten ist. Insgesamt sechs Einstufungen sind möglich. Sie reichen vom „nihil obstat“ über „weiter beobachten“ (lateinisch: „pro oculis habeatur“), eine kommissarische Beschlagnahme („sub mandato“) bis zum Verbot („prohibetur“).

Marienerscheinungen und Wunder aller Art haben in der katholischen Kirche nicht nur Tradition, ihnen wird auch ein großer Einfluss im Bereich der Volksfrömmigkeit zugestanden. Vatican News zitierte Kardinalpräfekt Fernandez: „Oft haben diese Ereignisse einen großen Reichtum an geistlichen Früchten, an Wachstum im Glauben, an Frömmigkeit und Geschwisterlichkeit und Dienstbereitschaft hervorgebracht, und in einigen Fällen sind dadurch verschiedene Wallfahrtsorte über die ganze Welt verstreut entstanden, die heute zu einem Kernteil der Volksfrömmigkeit vieler Völker geworden sind.“

Kirche von Medjugorje Urteil über Botschaften insgesamt positiv

Andererseits könnten „in einigen Fällen von Ereignissen, die mutmaßlich übernatürlichen Ursprungs sind, sehr ernste Probleme zum Schaden der Gläubigen auftreten“. Etwa, wenn solche mutmaßlichen Phänomene „der Erlangung von Profit, Macht, Ruhm, sozialer Berühmtheit, persönlichen Interessen“ dienten, sagte Fernandez im Mai dieses Jahres bei der Bekanntgabe der neuen Richtlinien. Das Dokument soll jahrzehntelange innerkirchliche Debatten und Untersuchungen beenden. Unter anderem hatte es in Bosnien-Herzegowina Streit zwischen örtlichen Bischöfen und den Franziskanern gegeben, die in der Pilgerseelsorge dort eine zentrale Rolle spielen.

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Foto ORF Religion

Ferner war die Rolle der mutmaßlichen Seher umstritten, die zum Teil über sehr detaillierte Botschaften der Muttergottes berichteten und diese zur Einmischung in politische und kirchenpolitische Debatten zu nutzen versuchten.

Devotionalien in Medjugorje

Insgesamt fällt das Urteil über die Botschaften positiv aus, wenn auch mit einigen Klarstellungen zu bestimmten Ausdrücken. Es wird auch betont, dass „Schlussfolgerungen dieser Note kein Urteil über das sittliche Leben der angeblichen Seher implizieren“.

Öffentliche Verehrung erlaubt

„Obwohl dies keine Erklärung des übernatürlichen Charakters des fraglichen Phänomens bedeutet (…) und daran erinnert, dass die Gläubigen nicht verpflichtet sind, daran zu glauben, zeigt das ‚Nihil obstat‘ an, dass sie durch dieses geistliche Angebot einen positiven Anreiz für ihr christliches Leben erhalten können, und erlaubt die öffentliche Verehrung“, heißt es in dem Dokument.

„Privatoffenbarungen“

Marienerscheinungen zählen seit dem 18. Jahrhundert zu den „Privatoffenbarungen“. Laut Katechismus steht es Katholikinnen und Katholiken frei, an Privatoffenbarungen zu glauben oder nicht. Experten sehen die Erscheinungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen und politischen Krisen: Hungersnöten, Seuchen, Missernten. Eine Häufung gibt es in den 1850er und 1870er Jahren, im Ersten Weltkrieg und Anfang der 1930er Jahre.

Friedensgebet im Stephansdom

Auch in Österreich entstanden seit Mitte der 1980er Jahre infolge der Berichte aus von Medjugorje zahlreiche Gebetsgruppen. Zentraler Treffpunkt der Medjugorje-Gebetsbewegung ist hierzulande seit einiger Zeit das jährliche Friedensgebet „Message for you“ im Wiener Stephansdom. Die bereits 17. Auflage des Programms findet am Donnerstag (16 bis 21.30 Uhr) statt. Der bereits länger feststehende Termin fällt damit zufällig auf den Tag der Vatikan-Bekanntgabe zu Medjugorje.

Höhepunkt des Treffens im Stephansdom ist ein Gottesdienst (19.00 Uhr) mit Kardinal Christoph Schönborn. Sprechen werden bei der Gebetsveranstaltung unter anderem auch Ivan Dragicevic aus der Gruppe der „Seherkinder“ von Medjugorje und der frühere Ortspfarrer Marinko Sakota.

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