Nachdem im letzten Jahr monatelang auf das popkulturelle Event „Barbenheimer” hingefiebert wurde, zog Greta Gerwigs „Barbie” an der Seite von Christopher Nolans „Oppenheimer” im Juli 2023 in die Kinos ein und avancierte mit einem Einspielergebnis von 1,446 Millarden US-Dollar zum erfolgreichsten Film des Jahres. Dabei polarisierte die Satire mit ihren zugespitzten Aussagen zu Patriarchat und Genderrollen, die Anhänger*innen des Arthauskinos müde lächeln ließ, das Mainstreamkino jedoch gehörig aufmischte – allen voran in der Darstellung von Margot Robbie als Barbie und Ryan Gosling als Ken.
Während der pinkfarbene Blockbuster bereits für zahlreiche Filmpreise wie den Golden Globes oder Critics Choice Awards ins Rennen ging und dort einige Trophäen mit nach Hause nehmen konnte, wurde „Barbie” nun auch bei den Oscarnominierungen in mehreren Kategorien berücksichtigt - allerdings nicht in allen, die von Beteiligten und Fans gewünscht wurde. So geht „Barbie” unter anderem als Bester Film und das Beste adaptierte Drehbuch ins Rennen, während auch America Ferrara und Ryan Gosling in den Nebendarsteller*innen-Kategorien nominiert wurden.
Zwei wichtige Rubriken fehlen hier jedoch - nämlich Beste Regie und Beste Hauptdarstellerin, in welchen mit Greta Gerwig und Margot Robbie von vielen fest gerechnet wurde. So auch von Ryan Gosling.
Ryan Gosling und America Ferrara kritisieren OscarnominierungenDer Schauspieler gab nach der Bekanntgabe der Nominierungen ein öffentliches Statement ab, in welchem er sich bei der Academy für seine Berücksichtigung bedankte, jedoch auch seine Enttäuschung über das Hinwegsehen von Greta Gerwig als Regisseurin und Margot Robbie als Hauptdarstellerin ausdrückte:
„Es gibt kein Ken ohne Barbie und es gibt keinen ,Barbie'-Film ohne Greta Gerwig und Margot Robbie, die zwei Menschen, die am meisten für diesen Film verantwortlich sind, der Geschichte geschrieben hat und weltweit gefeiert wird. Keine Anerkennung wäre möglich für irgendjemanden in diesem Film ohne ihr Talent, ihren Mut und ihr Genie. Zu sagen, dass ich enttäuscht bin, dass sie in ihren entsprechenden Kategorien nicht nominiert wurden, wäre eine Untertreibung.”
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Auch America Ferrara äußerte sich kritisch zu der fehlenden Nominierung für Gerwig, indem sie erklärte, dass die Regisseurin „alles in ihrer Macht Stehende getan hat, was eine Regisseurin tun kann, um eine Nominierung zu verdienen”. Zu Robbies Leistung als Hauptdarstellerin manifestierte sie, dass „viele vielleicht davon getäuscht worden sich, dass ihre Arbeit leicht aussieht”, die Schauspielerin jedoch eine echte „Magierin auf der Leinwand” wäre und sie eine „großartige Performance” abgegeben hätte.
Das Internet stimmt Gosling und Ferrara zuMit der Enttäuschung sind Gosling und Ferrara nicht allein, regten sich bereits zahlreiche Journalist*innen und Fans öffentlich über die Nominierungen auf – ganz besonders, weil die Nominierungen ein Bild der Machtstrukturen in Hollywood widerspiegeln, die im Film „Barbie” ganz offensichtlich kritisiert wurden. Dass der Ken-Darsteller anstelle der Barbie-Darstellerin für einen Oscar nominiert wird, ist somit genau das Gegenteil von dem, was „Barbie” als Film eigentlich erreichen wollte – denn darin erfahren Barbie und Ken in der echten Welt, dass Männer in nahezu allen Bereichen des Lebens Vorteile gegenüber Frauen haben, wohingegen sie im „Barbieland” die Umkehrung dessen leben.
Eine fehlende Berücksichtigung von Greta Gerwig in der Kategorie Beste Regie spielt hingegen in die seit Jahren bestehende Debatte rein, dass Regisseurinnen bei den Oscars zu wenig Anerkennung bekommen. So erhielt Greta Gerwig bereits für ihren Film „Little Women” keine Nominierung als Regisseurin, während unter anderem auch Kathryn Bigelow, Patty Jenkins, Sarah Polley, Gina-Prince Bythewood und Sofia Coppola in der Vergangenheit als Leidtragende dieses Problems gesehen wurden. In diesem Jahr erhielt Justine Triet als einzige Frau der fünf ausgewählten Filmemacher*innen eine Nominierung als beste Regisseurin für „Anatomie eines Falls”, welcher ebenfalls als Bester Film ins Rennen geht.
Während die Kategorie Bester Film mit zehn Einträgen versehen ist, haben jedoch nur fünf Regisseur*innen die Chance auf eine Trophäe, was es unausweichlich macht, dass hier Filme nominiert sind, dessen Regisseur*innen letztendlich nicht geehrt werden. Dazu hat sich in der Geschichte der Oscars bereits mehrfach gezeigt, dass Komödien generell weniger Berücksichtigung finden als Dramen – was auch in diesem Jahr kategorieübergreifend auffällt und eine weitere Erklärung für Robbies und Gerwigs Fehlen als Hauptdarstellerin und Regisseurin darstellen kann. Dass Celine Song nach ihrer Golden-Globe-Nominierung für ihr Drama „Past Lives” ebenfalls nicht berücksichtigt wurde, passt jedoch nicht in dieses Bild – ebenso wenig wie Yorgos Lanthimos Nominierung für die Komödie „Poor Things”.
Strukturelle Diskriminierung bei den OscarsDennoch muss man die Nominierten immer auch im Vergleich zu ihren Mitnominierten betrachten, so auch Ryan Gosling, der sich unter der Auswahl der diesjährigen Nebendarsteller vielleicht mehr hervorgetan hat, als Margot Robbie im Vergleich zu den zahlreichen starken Leistungen anderer Hauptdarstellerinnen. Bedenkt man wiederum das Wahlsystem der Oscars aus den Mitgliedern der Academy, welches knapp 10.000 Wahlberechtigte erfasst, die sich vor allem aus bisherigen Oscargewinner*innen und Nominierten zusammensetzt, die in der Vergangenheit doch tatsächlich meistens Männer waren, ist hier dennoch ganz klar ein systematisches Problem zu sehen, welches sich selbst erhält, das natürlich auch nicht nur Genderstrukturen betrifft, sondern auch People of Colour und andere Minderheiten.
Veränderungen sind in den letzten Jahren zwar von der Academy angestoßen worden, diese greifen jedoch nur langsam. So machten männliche Wahlberechtigte für die Oscars im Jahr 2022 immer noch gut zwei Drittel aus, während der Frauenanteil bei circa ein Drittel lag. Wie sich die Verteilung in diesem Jahr zusammensetzt, ist bisher nicht bekannt.
Auch wenn Greta Gerwig und Margot Robbie als Regisseurin und Hauptdarstellerin nicht mit einer Nominierung bei den diesjährigen Oscars geehrt wurden, sind beide für „Barbie” dennoch nicht vollends leer ausgegangen. So ist Margot Robbie als Produzentin an dem Blockbuster beteiligt gewesen, womit ihr die Nominierung als Bester Film für „Barbie" gebührt. Greta Gerwig wurde hingegen gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Noah Baumbach für das Beste Adaptierte Drehbuch nominiert. Zugegeben, ein schwacher Trost.
Die Oscar-Nominierungen 2024: "Oppenheimer" vs. "Barbie" – und Deutschland hat ebenfalls eine Chance auf den Filmpreis
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