Möglicher Präzedenzfall: Bangen wegen verschuldeter Malediven

15 Sep 2024

Möglicher Präzedenzfall

Die Malediven, hierzulande vor allem als Urlaubsparadies und wegen der Bedrohung durch den Klimawandel bekannt, sind derzeit auch im Fokus der Finanzmärkte. Diese warten mit Spannung, ob es dem Land mit den fast 1.200 Koralleninseln gelingt, die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Der Kurs erholte sich bis Freitag, nachdem die Zentralbank Entwarnung gegeben hatte. Doch die Nervosität bleibt hoch: Ein Zahlungsausfall hätte nicht nur für die geopolitisch „heiße“ Region potenziell gefährliche Folgen. Auch Länder wie Ägypten bangen mit.

Malediven - Figure 1
Foto ORF

Online seit gestern, 22.57 Uhr

Der hoch verschuldete Inselstaat in einer geostrategisch wichtigen Lage und im Einflussbereich der konkurrierenden regionalen Großmächte China und Indien muss Anfang Oktober eine islamische Anleihe, Sukuk genannt, in Höhe von 500 Millionen Dollar (rund 451 Mio. Euro) bedienen. Eine solche entspricht dem islamischen Recht (Scharia), da sie das im Islam geltende Zinsverbot umgeht.

Die maledivische Zentralbank versicherte am Mittwoch laut dem Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg, dass „die Regierung gemeinsam mit allen Regierungsinstitutionen allen künftigen Schuldverpflichtungen nachkommen wird können“. Das führte zu einer Erholung des Kurses, der nach der zweiten Herabstufung durch die Ratingagentur Fitch binnen weniger Wochen seit August abgestürzt war.

Präzedenzfall mit unklaren Folgen befürchtet

Warum die Finanzmärkte und viele – vor allem arabische Länder – trotzdem mit Sorge auf die Malediven blicken, hat einen einfachen Grund: Es wäre das erste Mal, dass ein Staat bei einer Sukuk-Anleihe zahlungsunfähig wird, was wohl globale Folgen hätte: Denn laut Fitch waren zu Jahresbeginn von Staaten aufgenommene islamische Anleihen in Höhe von umgerechnet insgesamt 860 Milliarden Dollar (780 Mrd. Euro) ausständig. Heuer sollen nach unterschiedlichen Schätzungen weltweit solche Anleihen im Wert von insgesamt bis zu 200 Mrd. Dollar ausgegeben werden.

Die Malediven: Vom Tourismus, China und Indien abhängig – von Klimawandel und hohen Schulden bedroht

In vielen islamisch geprägten Ländern sind Sukuk eine beliebte Finanzierungsform, auch für Regierungen. Viele Golfstaaten, aber auch Nigeria, Malaysia und vor allem das hoch verschuldete, für die Stabilität im Nahen Osten aber eminent wichtige Ägypten haben viel Geld über diese Form von Anleihe auf dem Finanzmarkt aufgenommen. Aber auch Großbritannien begab bereits solche islamischen Anleihen.

„Volle Tragweite“ unklar

Joshua Loud von der Danske Bank betonte daher zuletzt gegenüber der „Financial Times“, die Investoren würden die „volle Tragweite“ eines möglichen Zahlungsausfalls durch die Malediven gar nicht erkennen, da das noch nie passiert sei.

Zwischen China und Indien

Dazu kommt, dass sich die Malediven in den letzten Jahren und Jahrzehnten bei China und Indien hoch verschuldet haben, um ihre laufenden Budgetdefizite abzudecken. Das erhöhte die Schuldenlast enorm. Peking und Neu-Delhi stehen einander aber immer mehr als geopolitische Rivalen gegenüber – gerade auch, wenn es um die Seewege geht.

Die Malediven liegen an den wichtigsten Hauptrouten des internationalen Schiffsverkehrs im Indischen Ozean. Auch angesichts der weltweit steigenden geopolitischen Spannungen lässt das bei Investoren die Alarmglocken schrillen. Sie befürchten, beide Staaten könnten sich weigern, den Malediven notfalls erneut finanziell zur Seite zu springen. Das, so die „Financial Times“, könnte einen „komplizierten Um- und Entschuldungsprozess“ nach sich ziehen.

Geringe Finanzreserven

Die Regierung versuchte zuletzt wiederholt, die Finanzmärkte zu beruhigen. Doch auch wenn sich der für die Wirtschaft zentrale Tourismus nach der Covid-Pandemie wieder erholt hat: Das Land mit etwa einer halben Million Einwohnerinnen und Einwohner – und vom klimawandelbedingten Anstieg des Meeresspiegels akut bedroht – ist weiter extrem auf Importe angewiesen und braucht entsprechend viele Devisen. Dazu kommt der hohe Schuldenberg und die damit verbundene Zinslast. Die Finanzreserven sind entsprechend gering. George Xu von der Ratingagentur Fitch konstatierte daher gegenüber der „FT“, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit sei gestiegen.

Krankenhaus als Sicherheit

Ein Grund: Islamische Anleihen funktionieren vereinfacht gesagt nach dem Prinzip, dass Zweckgesellschaften gegründet werden, und deren Gewinne werden an die Investoren, die die islamische Anleihe gezeichnet haben, ausgezahlt – also Gewinnbeteiligung statt Zinszahlung. Die Malediven gründeten ihre Zweckgesellschaft auf den Cayman-Inseln – und als Besicherung dafür dient laut „FT“ das größte Spital des Landes. Ein Spital kann aber – im Fall einer Zahlungsunfähigkeit – nicht einfach von den Investoren konfisziert und gewinnbringend verkauft werden.

Bisher sind die islamischen Anleihen für Staaten oft attraktiver, sprich günstiger, als reguläre Anleihen. Das würde sich ändern, wenn die Malediven zum Sukuk-Präzedenzfall würden – mit Folgen auch für Länder wie Ägypten, Malaysia oder Nigeria.

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