Sieg in Fußball-Bundesliga: Wie Mainz 05 dem FC Bayern die Lust ...
Stefan Bell verzog kurz das Gesicht. „Das hätte ich nicht gebraucht“, sagte der Abwehrchef des FSV Mainz 05, als er nach dem Spiel gegen den FC Bayern München auf den Gegentreffer in der 87. Minute angesprochen wurde, der die Schlussphase mit der fünfminütigen Nachspielzeit spannend gemacht hatte.
„Das Tor ärgert mich. Aber gegen München kann man nicht alles bekommen.“ In Duellen mit dem Rekordmeister muss man sich notfalls mit drei Punkten und dem Verdienst begnügen, ihm am 14. Spieltag die erste Niederlage der Bundesligasaison beigebracht zu haben.
Siege gegen die Bayern sind für die Mainzer immer etwas Besonderes, wenngleich sie in der heimischen Arena beinahe den Standard darstellen. Inklusive des aktuellen Coups setzten sich die Rheinhessen zuletzt in vier von fünf Meisterschaftsbegegnungen mit dem Starensemble von der Isar durch, zweimal 3:1, zweimal 2:1.
Die Freude darüber litt kein bisschen darunter, dass FCB-Trainer Vincent Kompany beklagte, sein Team habe nicht so performt wie in den vergangenen Wochen. „Wenn wir nach einem Sieg gegen Bayern nicht happy sind, haben wir ein Problem“, sagte 05-Coach Bo Henriksen.
Taktische Ausrichtung führt zum Erfolg
Beim Aufeinandertreffen im DFB-Pokal hatte seine Mannschaft sechseinhalb Wochen zuvor noch mit 0:4 „ordentlich einen hinter die Löffel bekommen“, wie Stefan Bell sagte. Doch Trainerteam und Mannschaft hatten daraus die richtigen Lehren gezogen. Vor allem diese: „Halbherziges Mittelfeldpressing, ohne wirklich Druck auszuüben, und gleichzeitig zu viel Platz hinter den eigenen Pässen zu haben, ist das Schlechteste, was du gegen Bayern machen kannst.“
Daher lautete die Ansage, den Gegner so oft wie möglich so hoch wie möglich anzulaufen. „Wir wollten das Spiel so weit es geht in die Bayern-Hälfte verlagern und dort Stress ausüben“, erläuterte Bell. Über welche Strecken das gelang, nachdem Michael Olise in der sechsten Minute mit der ersten und letzten Münchener Torchance bis in die Schlussphase den Außenpfosten getroffen hatte – Torwart Robin Zentner wäre andernfalls jedoch zur Stelle gewesen –, überraschte nicht nur Außenstehende.
„Wir hatten vermutet, dass Bayern mehr Ballbesitz haben würde als wir, und dass wir es auch ertragen müssen, tiefer zu stehen, obwohl das nicht unsere Eins-a-Option war“, sagte Sportdirektor Niko Bungert.
Tatsächlich setzten sich die Mainzer vor der Pause in der gegnerischen Hälfte fest, attackierten die Münchener sehr früh, zwangen sie zu Fehlern und bespielten sie mit einer gelungenen Mischung aus Kreativität, Tempo und Geduld. Bei gegnerischen Pässen in Mittelfeld waren sie meist zu zweit, häufig zu dritt beim Empfänger.
So hatten sie drei Wochen zuvor in Kiel dominiert, beim überfordert wirkenden Liganeuling – dass dies gegen den Tabellenführer ähnlich funktionieren würde, konnte man nicht ahnen. „Die Hoffnung hatte ich gehabt, dass wir ein solches Spiel spielen können“, sagte Henriksen. „Wir wussten aber auch, dass dafür alles klappen muss.“
Das tat es auch in den Situationen vor allem in der Schlussphase, in denen die Mainzer am und im eigenen Strafraum den Sieg verteidigten. „Die Balance zwischen den beiden Varianten hat sehr gut funktioniert“, hielt Stefan Bell fest, der für sich selbst den richtigen Mix zwischen spielerischen Lösungen und brachialen Schlägen gefunden hatte. „Gerade nach der Leistung in Wolfsburg gab es keinen Grund uns kleinzumachen. Aber im Spiel musst du schnell das Gefühl bekommen, dass wir gegen den Ball voll da sind, und den Bayern ein bisschen die Lust nehmen.“
Doch es waren bei Weitem nicht nur Kampf und Rennerei, womit die 05er sich den Sieg verdienten; sie garnierten das Ganze mit hochwertigem Spiel nach vorne. Exemplarisch dafür stand das zweite Tor: Anthony Caci leitete Nadiem Amiris Zuspiel mit der Hacke durch die Beine des in seinem Rücken stehenden Min-Jae Kim in den Lauf von Armindo Sieb weiter. Dessen Hereingabe vor den Fünfmeterraum verwertete Jae-sung Lee nach Annahme und einer Drehung um Joshua Kimmich mit links.
Es war das fünfte Saisontor des Südkoreaners, sein viertes hatte er vier Minuten vor der Pause erzielt. Vorlagengeber war ebenfalls Sieb, was dem Erfolg zwei zusätzliche Noten verlieh: Zum einen handelt es sich bei dem Offensivmann um eine Münchener Leihgabe, zum anderen war Sieb nach einer knappen Viertelstunde für den mit einer Muskelverletzung ausgeschiedenen Jonathan Burkardt gekommen – und Vorhersagen, die Mainzer könnten den FC Bayern ohne ihren Toptorjäger bezwingen, wären für völlig absurd erklärt worden.
Hinterher sagte Bo Henriksen: „Zu wissen, dass wir auch ohne Jonny gewinnen können, ist wichtig fürs Selbstvertrauen.“