Kommissionspräsidentin von der Leyen erwartet sich vom derzeitigen ÖVP-Finanzminister die Umsetzung der jüngst beschlossenen Asyl- und Migrationsreformen.
Mit einer überraschenden Entscheidung hat Ursula von der Leyen am Dienstag Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) als nächsten EU-Kommissar für Inneres und Migration designiert. „Er wird sich natürlich auf die Umsetzung des Paktes über Asyl und Migration konzentrieren, aber auch daran, unsere Grenzen zu stärken, und eine neue interne Sicherheitsstrategie zu entwickeln“, sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission am Dienstag bei der Vorstellung ihres Personalvorschlages.
Brunner, der als Finanzminister und Absolvent eines Post-Graduate-Studiums am King‘s College in London für eines der Wirtschaftsressorts gehandelt worden war, wird mit dem wachsenden politischen Widerstand in mehreren Mitgliedstaaten gegen diese erst Anfang des Jahres abgeschlossene Reform der EU-Asyl- und Migrationspolitik zu ringen haben. Die niederländische Regierung hat dieser Tage erklärt, sich nicht an die Verpflichtung zur Übernahme von Asylwerbern gebunden zu fühlen, und ein generelles Opt-Out von bestimmten Rechtsvorschriften gefordert. Die Einführung von internen Grenzkontrollen durch mehrere Mitgliedstaaten, zuletzt Deutschland, stellt das Bestehen des Schengen-Raumes in Frage; auch mit dieser Frage wird sich Brunner befassen müssen. Politisch heikel wird für ihn auch die Frage, ob Bulgarien und Rumänien Schengen-Mitglieder werden sollen. Die Kommission vertritt, gemeinsam mit allen anderen nationalen Regierungen, seit Langem die Ansicht, dass die beiden Staaten die Voraussetzungen dafür erfüllt haben. Die ÖVP-geführte Bundesregierung, der Brunner noch angehört, blockiert dies aber.
„Als Finanzminister seine Kompetenz zu führen gezeigt“Auf die Frage, ob Brunners Beauftragung mit diesem Dossier eine Reaktion darauf sei, dass Österreich in Migrations- und Asylfragen besonders exponiert auftritt, und das Thema innenpolitisch zum Erstarken der FPÖ geführt hat, antwortete von der Leyen: „Magnus Brunner hat einen juristischen Hintergrund, was in dieser Frage sehr wichtig ist. Er hat als Finanzminister seine Kompetenz zu führen gezeigt. Er wird das Dossier exzellent meistern.“
Die Kommissarskandidaten müssen nun von den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments angehört werden. Das wird vermutlich in der ersten Novemberwoche passieren, teilte der SPD-Europaabgeordnete René Repasi mit. Wenn das glatt geht, könnte das neue Kollegium seine Amtszeit am 1. Dezember antreten.
Reaktionen auf Brunners neue AufgabenIn ersten Reaktionen aus Österreich wird Brunner zu seiner neuen Aufgabe gratuliert. Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Reinhold Lopatka, schreibt auf X, das „Schlüsselressort Migration“ brauche „einen Profi“, den die EU-Kommission in Brunner gefunden habe. Die FPÖ bezeichnet die neue EU-Kommission in einer Aussendung Dienstagvormittag als „Kabinett des politischen Grauens“. „Statt eines Kommissars, der die Grenzen endlich wirksam dicht macht, sowie den organisierten Asyl- und Sozialbetrug bekämpft, ist nun mit ihm ein ÖVP-Vertreter in Verantwortung, dessen Partei in den letzten Jahren den Österreichern den gesamten Zuwanderungsschlamassel erst eingebrockt hat“, wird FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, zitiert.
Für SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried ist die Entscheidung der EU-Kommissionspräsidentin zu Brunner „durchaus überraschend“: „Offenbar wollte die Kommissionspräsidentin dem österreichischen ÖVP-Finanzminister nicht näher liegende Themen wie Wirtschaft oder Finanzen anvertrauen. Vielleicht nicht ganz unverständlich angesichts der Bilanz Brunners.“ Was es dringend brauche, „sind eine solidarische und faire europäische Verteilung und Zusammenarbeit sowie das Einhalten des europäischen Rechts“. SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder kommentierte: „Mit dieser Aufgabe steht Brunner vor einer großen Herausforderung, bei der er unter Beweis stellen muss, dass er mehr kann als destruktive Migrationspolitik betreiben, wie die ÖVP es in den letzten Jahren getan hat.“
Der Präsident der Europäischen Bewegung Österreich (EBÖ), Christoph Leitl, sagte: „Das ist eine Chance für Österreich, nämlich aus Kritik Mitwirkung zu machen!“
Migrationsexperte Gerald Knaus gratuliert Brunner ebenfalls auf X und gibt die wesentlichen Aufgaben vor: „Um Schengen zu retten, die EMRK zu bewahren ... und eine in der EU mehrheitsfähige Kontrolle und Reduzierung irregulärer Migration zu erreichen. Eine historische Herausforderung.“