In der deutschen Stadt Magdeburg sind am Freitagabend bei einem mutmaßlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt fünf Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, am Samstag. Behörden sprechen von 41 Schwerstverletzten. Mindestens ein Kleinkind ist ums Leben gekommen.
Der mutmaßliche Täter wurde noch am Freitag festgenommen und verhört. Die Motive des Tatverdächtigen waren zunächst noch unklar. Er soll Freitagabend mit einem Leihwagen in die Menschenmenge am Weihnachtsmarkt gefahren sein. „Wir kennen noch keine Hintergründe zur Tat, wir ziehen alles in Betracht“, sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage der Deutschen Presseagentur (dpa). Die Polizei äußerte sich am Samstagvormittag zunächst zurückhaltend zu der Frage, ob sie die Tat als Anschlag wertet. Einem Bericht der „Bild“-Zeitung zufolge stand er womöglich unter Drogeneinfluss. Ein erster Drogenwischtest sei positiv ausgefallen, berichtet das Blatt ohne Angaben von Quellen.
Tatverdächtiger: In Deutschland lebender Arzt aus Saudi-ArabienEin islamistischer Hintergrund kann aber wohl ausgeschlossen werden. Der 50-Jährige aus Saudi-Arabien namens Taleb A. war zuletzt als Islamkritiker aufgefallen. Der in Bernburg lebende und arbeitende Arzt bezeichnete sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur selbst als „Ex-Muslim“. Nach bisherigen Erkenntnissen sei er den Behörden nicht als Islamist bekannt. Amtsbekannt war der Mann durchaus. Nach Informationen des „Spiegels“ hätte er am 19. Dezember vor einem Amtsgericht in Berlin erscheinen sollen. Es ging um Missbrauch von Notrufnummern. Taleb A. kam aber nicht zu dem Termin. Unterdessen berichten Agenturen, dass saudischen Sicherheitskreisen zufolge Saudi-Arabien die deutschen Behörden vor einem Jahr vor dem Mann gewarnt haben. Insgesamt sollen drei Warnhinweise an die Behörden gegangen sein.
Taleb A., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, soll nach Recherchen des „Spiegel“ in Deutschland zunächst Aktivist für Flüchtlinge – vor allem Frauen, die aus Saudi-Arabien fliehen wollten – gewesen sein. Er war 2016 selbst als Flüchtling anerkannt worden. Mittlerweile dürfte er seine Einstellung aber gewandelt haben: Auf seinem X-Account sympathisierte er offen mit der AfD. In Kommentaren fordert er eine stärkere Bekämpfung illegaler Migration, warnt vor Islamisten und schwört, den „Islam zu bekämpfen“.
Das Auto, mit dem der Täter in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefahren sein soll, steht mit offenen Türen in der Nähe des Tatorts. APA / dpa / Hendrik Schmidt
Kommentar in islamfeindlichen BlogIn einem vor acht Tagen auf einem islamfeindlichen US-Blog erschienenen Videointerview verbreitete er krude Thesen über eine „verdeckte Geheimoperation“ des deutschen Staates, um weltweit saudische Ex-Muslime „zu jagen und ihr Leben zu zerstören“, während gleichzeitig syrische Dschihadisten Asyl erhielten.
Kurz nach der Todesfahrt soll er auf seinem X-Kanal ein Posting veröffentlicht haben, in denen er Flüchtlingsaktivisten wirre Vorwürfe machte, schreibt der „Spiegel“. Den Behörden warf er darin Versagen vor und behauptete unter anderem, die Deutschen würden ihn »verfolgen«.
Kanzler Scholz gedenkt der OpferKanzler Olaf Scholz gedenkt an der Magdeburger Johanniskirche der Opfer des mutmaßlichen Anschlags auf den Weihnachtsmarkt. Er wird unter anderem begleitet von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sowie Innenministerin Nancy Faeser, Justizminister Volker Wissing und Umweltministerin Steffi Lemke.
Deutschlands Kanzler Scholz neben dem Ministerpräsidenten Haseloff. Reuters / Christian Mang
Am Abend ist zudem eine Gedenkfeier für die Opfer im Magdeburger Dom geplant. Man wolle Betroffenen, Angehörigen und allen anderen Bürgern eine Möglichkeit zum Trauern geben, erklärte Oberbürgermeisterin Simone Borris am Abend unter Tränen vor Journalisten. „Wir werden eine lange Zeit zum Trauern brauchen“, sagte sie sichtlich fassungslos. „Wir werden das alles umfassend aufarbeiten.“
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser dankt den Einsatzkräften. APA / AFP / John Macdougall
Acht Jahre nach Berliner AnschlagFast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Dabei wurden 12 Menschen getötet, das 13. Opfer starb 2021 an den Folgen. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt. Der Attentäter floh nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde.
Auch in anderen Städten mit Weihnachtsmärkten ist die Polizei nun besonders achtsam. In Stuttgart sagte ein Polizeisprecher, die Polizeikräfte seien vor Ort sensibilisiert worden. In Berlin sagte ein Sprecher, man habe die Beamten aufgerufen, ein erhöhtes Augenmerk auf Weihnachtsmärkte zu richten. (APA/dpa/red.)