Deutsche Ampel-Koalition gescheitert: Scholz rechnet mit ...

2 Stunden vor
Lindner

Der offene Streit in der Ampelregierung ist am Mittwochabend eskaliert. Finanzminister Lindner habe das Vertrauen zu oft gebrochen, klagt Kanzler Scholz und schmiss den FDP-Chef aus der Regierung. Lindner warf dem Kanzler „kalkulierten Koalitionsbruch“ vor. Was der Rauswurf Lindners nun für Deutschlands Politik bedeutet.

Der letzte Versuch, die schon länger nicht mehr im Gleichschritt agierende Ampel-Koalition zu retten, ist am Mittwochabend krachend gescheitert. Beim Krisentreffen der Spitzen von SPD, Grünen und FDP im Kanzleramt ist die Lage offenbar eskaliert.

Kurz vor 21 Uhr verbreiteten sich im politischen Berlin erste Gerüchte, wonach FDP-Chef Lindner die Koalition vorzeitig beenden und vorgezogene Neuwahlen wolle. Bundeskanzler Scholz erteilte dem Vorschlag eine Abfuhr. Und doch sollte die Ampel-Regierung, die Scholz eigentlich um jeden Preis retten wollte, wenige Minuten später Geschichte sein. Der Kanzler entließ seinen Finanzminister und trat wenige Minuten später vor die Presse.

Scholz bezeichnet Lindner als „verantwortungslos“ und „kleinkariert“

Was folgte, war eine gnadenlose Abrechnung mit Lindner: „Zu oft wurden die nötigen Kompromisse übertönt durch lauten ideologischen Streit. (...) Zu oft hat Finanzminister Lindner kleinkariert agiert, zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Lindner gehe es ums eigene Klientel und um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei. Gerade am Tag der US-Wahl sei ein solcher Egoismus „unverständlich“. Lindner wolle harte Einschnitte in Gesundheit und Pflege, das sei „respektlos“ gegenüber allen, die durch harte Arbeit ihre Steuern bezahlen.

„Es gibt Lösungen für einen Haushalt, der innere und äußere Sicherheit gleichzeitig stärkt.“ Scholz argumentiert, der russische Angriffskrieg sei eine Notsituation, die ein Überschreiten der Budgetbremse rechtfertige. Scholz sehe sich zum Ausschluss seines Finanzministers nun „gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden.“

Wie kann es nun weitergehen?

Wer genau hinhörte, erkannte, wie Scholz relativ rasch in Wahlkampfrhetorik verfiel und betonte, welche Erfolge die Bundesregierung trotz des angespannten Budgets für sich verbuchen konnte – vor allem im Klimaschutz.

Wie wird es weitergehen? Noch nicht beschlossene Gesetzespakete sollen noch zur Abstimmung kommen, etwa das EU-Asylsystem oder Sofortmaßnahmen für die Industrie. „Bis zur letzten Sitzung des Bundesrates des Jahres am 20. Dezember sollten diese Beschlüsse gefasst sein.“ Zu Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) habe er nach wie vor ein konstruktives Verhältnis, weshalb die Regierung weiterarbeiten könne. Am 15. Jänner will Scholz die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag stellen. Wahlen könnten dann bis spätestens Ende März stattfinden – kolportiert wird bereits der 9. März.

Scholz will mit Oppositionsführer Merz reden

Scholz will das Gespräch mit Friedrich Merz suchen, um Wirtschaft und Verteidigung auf sichere Beine zu stellen. Diese Themen könnten nicht bis Neuwahlen warten – „auch mit Blick auf die Wahlen in Amerika“. Gerade für die Ukraine sei es nun essenziell, dass sie sich in dieser Situation auf die Hilfe aus Deutschland verlassen könne.

Lindner über Scholz: „Seine Ideen sind matt und unambitioniert“

Mit dem Rundumschlag des Kanzlers war das Drama im Berliner Regierungsviertel aber noch lange nicht vorbei. Auch Christian Lindner trat am Abend vor die Presse. Der geschasste Finanzminister erklärte: „Wir haben Vorschläge vorgelegt, um unser Land auf Kurs zu bringen.“ Vorschläge seien aber nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert worden.

Seit dem Statement des Kanzlers wisse man, warum. Scholz habe die wirtschaftliche Lage verkannt, lange verharmlost und Entscheidungen infrage gestellt. „Seine Ideen sind matt und unambitioniert.“ Scholz habe gezeigt, dass er nicht die Kraft für einen neuen Aufbruch hat. „Scholz hat von mir verlangt, die Schuldenbremse auszusetzen“, sagt Lindner. „Das konnte ich mit meinem Amtseid nicht vereinen.“

Habeck: „Wäre nicht nötig gewesen“

Das Verhältnis zwischen Olaf Scholz und Christian Lindner scheint endgültig zerrüttet. Zuvor war es jedoch immer wieder die Politik der Grünen, mit der der FDP-Chef haderte. Dem grünen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck attestierte er etwa „konzeptionelle Hilflosigkeit“. Habeck bezeichnete den Koalitionsbruch am Mittwochabend angesichts der vielen internen Streitereien als „folgerichtig“. Dennoch fühle sich die Entscheidung „an einem Tag wie diesem nicht richtig an“.

Es wäre „nicht nötig gewesen, dass der Abend so endet“, sagt Habeck mit Verweis auf den Wahltriumph von Donald Trump in den USA, dem Deutschland als wichtigstes Wirtschaftsland Europas zumindest Einigkeit gegenüberstellen sollte. Jedenfalls wollen die Grünen bis zum Frühjahr in der Regierung bleiben.

Seit Wochen war die Ampel-Koalition mit Streit beschäftigt

Bei den Beratungen der Partei- und Fraktionsvorsitzenden mit den Regierungsspitzen ging es im Kern eigentlich darum, den Fortbestand der Ampel-Koalition zu sichern. SPD und Grüne hatten im Vorfeld erklärt, eine Einigung zum Haushalt für 2025 sei möglich, wenn der Wille dazu da sei. Die FDP unter Finanzminister Christian Lindner pochte indes darauf, dass ein anderer Kurs in der Wirtschaftspolitik eingeschlagen werden müsse. Konkret müssten vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses zum Etat 2025 am 14. November auch noch Lücken geschlossen werden. Lindner hat schon vor einiger Zeit den „Herbst der Entscheidungen“ für die Koalition ausgerufen. Seit Tagen lädt Scholz zu Treffen in kleinen Runden, in denen es um die Zukunft der Koalition geht.

Bundeskanzler Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Lindner hatten in mehreren vorangegangenen Treffen beraten, ob sich die Ampel auf den Haushalt 2025 und zusätzliche Hilfen für die Wirtschaft verständigen kann. In Koalitionskreisen hieß es, die Dreier-Runde sei vorangekommen. Ein ausgearbeitetes Papier gebe es aber nicht. Der Neuwahl-Vorstoß von Lindner dürfte das Vertrauen innerhalb der Koalition nun endgültig zerstört haben.

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