Lilium: Elektro-Flugzeugbauer kündigt Insolvenz an
Luft- und Raumfahrttechnik
Nach Milliardeninvestitionen und ambitionierten Plänen droht dem Münchener Elektroflugzeug-Hersteller Lilium das Aus. Ein verweigerter Kredit vom Bund verschärft die Krise – wie konnte es dazu kommen?
Der Elektro-Flugzeug-Pionier Lilium steht vor der Insolvenz. (Bild: Lilium)
Lilium war einst eines der vielversprechendsten Start-ups im Bereich der elektrischen Luftfahrt. Mit einem ambitionierten Projekt für einen elektrisch betriebenen Senkrechtstarter – den sogenannten "Lilium Jet" – wollte das Münchener Unternehmen den urbanen Luftverkehr revolutionieren. Investoren weltweit steckten 1,5 Milliarden Euro in die Firma, um die Vision von einem umweltfreundlichen und schnellen Fortbewegungsmittel in den Städten der Zukunft zu realisieren. Trotz dieser massiven Kapitalbasis steht Lilium nun vor dem Abgrund, nachdem der Bund eine staatliche Kreditbürgschaft abgelehnt hat. Die Ankündigung eines Insolvenzantrags erschüttert nicht nur die Branche, sondern stellt auch die Frage, ob das ehrgeizige Ziel der elektrischen Luftmobilität zu früh kam.
Welche Rolle spielten staatliche Förderungen?Die finanzielle Schieflage von Lilium verdeutlicht einmal mehr die Abhängigkeit junger Luftfahrt-Start-ups von staatlicher Unterstützung. Anders als in der klassischen Tech-Branche, in der Softwarelösungen und Internetplattformen meist ohne große Subventionen auskommen, sind die Startkosten in der Luftfahrt enorm. Lilium selbst bezifferte die Anfangsinvestitionen als "zu hoch, um rein privatwirtschaftlich gestemmt zu werden". CEO Klaus Roewe betonte mehrfach, dass weltweit kaum ein Flugzeugprojekt ohne staatliche Förderungen den Durchbruch geschafft habe. In Ländern wie China und den USA wird die Entwicklung von Elektroflugzeugen intensiv unterstützt, um das Rennen um die Zukunft des Luftverkehrs zu gewinnen.
Für Lilium gab es durchaus Hoffnung auf staatliche Unterstützung – Bayern signalisierte sogar eine Kreditbürgschaft in Höhe von 50 Millionen Euro, allerdings nur unter der Bedingung, dass auch der Bund in gleicher Höhe unterstützt. Doch die Berliner Regierungskoalition lehnte ab: Während SPD und FDP für eine Förderung waren, blockierten die Grünen den Antrag. Dies führte letztlich dazu, dass Lilium ohne die dringend benötigte Liquidität blieb und nun den Insolvenzantrag stellen muss.
Das Insolvenzverfahren, das Lilium in Eigenverwaltung anstrebt, könnte dem Unternehmen eine gewisse Kontrolle über das Geschehen und die Möglichkeit zur Restrukturierung bewahren. Bei dieser speziellen Form des Insolvenzverfahrens bleibt die Geschäftsführung im Amt und leitet den Betrieb weiterhin, während ein gerichtlich bestellter Sachwalter die Vorgänge überwacht. Diese Vorgehensweise ermöglicht oft eine gezielte Neuordnung des Unternehmens mit dem Ziel, Investoren zu finden und eine bestmögliche Lösung für die Gläubiger zu erzielen.
In der Luftfahrtindustrie ist das Verfahren jedoch riskant. Technologische Projekte wie der Lilium Jet erfordern eine konstante Kapitalzufuhr, da Forschung, Entwicklung und die Produktion enorm kostenintensiv sind. Ohne eine zuverlässige Finanzierung können wertvolle Entwicklungsschritte verzögert werden, was gerade in der umkämpften Branche der Urban Air Mobility schwerwiegende Folgen haben könnte.
Der Lilium Jet, das Herzstück des Unternehmens, ist ein elektrisch betriebenes Flugzeug mit Senkrechtstartfähigkeit, das speziell für den urbanen Luftverkehr entwickelt wurde. In den vergangenen Jahren erzielte Lilium beachtliche Fortschritte: Verschiedene Testflüge wurden erfolgreich absolviert, und der erste bemannte Flug war bereits für das kommende Frühjahr geplant. Die erste Auslieferung an Kunden, darunter Unternehmen aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Saudi-Arabien, war für das Jahr 2026 vorgesehen. Das Flugzeug hätte damit nicht nur das erste kommerzielle Elektroflugzeug dieser Art werden können, sondern auch Liliums Eintritt in den stark wachsenden Markt der "Urban Air Mobility" markiert.
Doch neben den technischen Herausforderungen stellte vor allem das Zulassungsverfahren für das elektrisch betriebene Flugzeug eine hohe finanzielle Hürde dar. Es handelt sich um ein mehrjähriges und kostspieliges Verfahren, das zudem durch internationale Sicherheitsstandards und länderspezifische Regularien kompliziert wird. Diese hohen Anforderungen führen dazu, dass auch etablierte Hersteller oft auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, um die Zulassungskosten zu decken.
Warum blockierten die Grünen die Bürgschaft?Innerhalb der Regierungskoalition in Berlin gab es Uneinigkeit darüber, ob der Bund Lilium eine Bürgschaft von 50 Millionen Euro gewähren sollte. Während SPD und FDP für die Unterstützung des Start-ups plädierten, lehnten die Grünen eine Beteiligung ab. Die genauen Gründe für diese Ablehnung sind vielschichtig, lassen sich aber auf eine kritische Haltung gegenüber der Wirtschaftlichkeit und den ökologischen Aspekten des Projekts zurückführen.
Ein möglicher Grund könnte die Skepsis gegenüber einer technologieoffenen Förderung sein, die nicht strikt auf Umweltziele ausgerichtet ist. Die Grünen haben in der Vergangenheit häufig betont, dass staatliche Unterstützung in erster Linie für Projekte gewährt werden sollte, die bereits einen klaren Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Inwieweit Liliums Flugzeuge diesen Kriterien gerecht werden, war womöglich umstritten.
Lilium war in Gesprächen mit verschiedenen internationalen Investoren und Regierungen, um alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu sichern. So hatte Frankreich dem Unternehmen angeblich erhebliche Fördermittel in Aussicht gestellt, wenn es sich entschließen würde, einen Standort in Südwestfrankreich zu eröffnen. Diese Möglichkeit verdeutlicht die internationale Konkurrenz um die Ansiedlung innovativer Firmen in zukunftsorientierten Technologien.
Allerdings wären solche Standortwechsel nicht ohne Weiteres realisierbar gewesen. Die Verlagerung eines High-Tech-Unternehmens bedeutet erhebliche logistische und finanzielle Aufwendungen, was Lilium möglicherweise noch weiter in die Bredouille gebracht hätte.
Was bedeutet die Insolvenz für die Mitarbeiter und die Branche?Mit der drohenden Insolvenz stehen die rund 1.000 Mitarbeiter von Lilium vor einer ungewissen Zukunft. Die Auswirkungen könnten weit über das Unternehmen hinausreichen und die gesamte Elektroflugzeugbranche beeinflussen. Start-ups wie Lilium stehen für Innovationen, die den Luftverkehr nachhaltiger und emissionsärmer gestalten könnten. Scheitern solche Pioniere, könnte dies auch die Akzeptanz und das Vertrauen in elektrische Flugzeugtechnologien beeinträchtigen.
Für die Urban-Air-Mobility-Branche ist der Fall Lilium ein Warnsignal. Die hohen Kosten und regulatorischen Hürden, die mit der Entwicklung neuer Flugzeugtechnologien verbunden sind, verdeutlichen, dass ohne gezielte Förderung und Unterstützung von staatlicher Seite selbst die besten Technologien an der finanziellen Realität scheitern könnten.
Mit Material der dpa