Läuft in Linz: Der Auftakt des Lido Sounds Festivals

2 Tage vor

Läuft beim Lido: Ein apokalyptischer Wolkenbruch, charmante Kooks, kraftvolle Kings of Leon und die nächste Festivalausgabe im Juni 2025 ist bereits fixiert.

Lido Sounds - Figure 1
Foto FM4

Von Katharina Seidler

Aufstehen, Zugfahren, Stärkung einkaufen. Reingehen, Gelände erkunden, Milky Chance, The Kooks, Abendessen bei einem Standl, Kings of Leon. Das klingt nach einem soliden Plan für einen Festival-Auftakttag, und weil sie keinen Programmpunkt vergessen wollen, haben zwei BFFs, die wir am Eingang des Lido Sounds treffen, sich für alle vier Festivaltage einen selbstgeschriebenen Timetable gebastelt.

FM4

Darauf steht, wann sie sich auf den Weg in die vorderen Reihen machen müssen, um rechtzeitig in Position zu sein, und sogar Pausen zum Herumsitzen wurden minutiös eingeplant. Verschnaufen wird man an diesen vier prallgefüllten Tagen auch nötig haben, bis zwischen dem Warmup-Act des Warmup-Tages, Acoustic Element (Coverversionen von Brahms bis Bella Ciao mit Geige und Beats) und dem Closing-Headliner Sam Smith am Sonntagabend viel Wasser die Donau hinabgeflossen sein wird.

Stichwort Wasser, nur wenige Minuten nach dem Festivalstart kommt ein Wolkenbruch vom Himmel, wie man ihn früher praktisch nie und in diesen Zeiten zumindest nur alle paar Wochen in derartiger Intensität erlebt. Der Schauer kostet nicht nur das Produzenten-Duo Coverrun (Ibizamäßiger Deephouse) seinen Auftritt, sondern auch sämtliche frühe Besucher:innen-Vögel am ersten Lidonachmittag ihr trockenes Outfit. Autsch, denn auch die vom Festival versprochenen, dennoch keineswegs ausreichend aufgestellten Regen-Zelte und Schattenspender bieten hier keinen Schutz. Pünktlich zu den Electropop-Schmeichelklängen von Milky Chance scheint über dem Urfahraner Markt bzw. Urfahrmarkt (Notiz-App: Am Freitag die Linzer Lokalmatadoren Texta plus Attwenger fragen, was diese Namensverwirrung nun wirklich soll) aber wieder die Sonne. Die Luft ist rein.

Lido Sounds - Figure 2
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TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com

Kurzer Regenguss beim Lido Sounds

Das Lido Sounds, nach langer Zeit einmal wieder ein österreichisches, sogenanntes Boutique Festival für coole Indiemusik und alles, was mit ein wenig Fantasie in diesen Begriff hineinpasst, hat nach seinem gut gehypten Auftakt im Sommer 2023 für seine zweite Ausgabe ein paar Latten höher gelegt. Die zweite Stage namens Ahoi! Pop Summer hat sich von einem Zelt in eine amtliche Open Air-Bühne verwandelt. Es gibt jetzt auch einen Zusatztag, das Prequel zum Freitags-Auftakt, das die zwei Friends mit dem gebastelten Timetable vom Beginn unter das Tagesmotto „Nostalgie“ stellen.

Milky Chance ist es 2013 mit ihrer Debütsingle „Stolen Dance“ ebenso ergangen wie Hozier, der knapp 24 Stunden später auf derselben Bühne stehen wird, mit seinem „Take me to church“: Der Weltruhm stellte sich quasi umgehend ein. Diesen Song haben die zwei Musiker Clemens Rehbein und Philipp Dausch seither konsequent weiter geschrieben: Von „Colorado“ bis „Synchronize“, das Prinzip Feelgood durch Offbeat haben Milky Chance perfektioniert und heimsen dafür Rekorde ein, die ein normales menschliches Gehirn kaum fassen kann. „Stolen Dance“ hat allein auf Spotify eineinhalb Milliarden Klicks. Eineinhalb Milliarden Sekunden sind 47 Jahre.

Lido Sounds - Figure 3
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Sebastian Neugebauer

Milky Chance

Es ist übrigens sehr laut (saulaut) auf dem Festival. Gut, dass hernach Luke Pritchard mit seiner sanften Art und seinen Bandkollegen von The Kooks die Hauptbühne betritt, auf der man sich am Donnerstag in der Tat gut eingrooven kann für alles, was in Linz an diesem Wochenende noch passieren wird. „It’s gonna get groovy“, verspricht Pritchard zu Beginn des Sets, um sogleich hinzuzufügen, er wisse, das Wort sei uncool, aber angeblich erlebe es derzeit ein Comeback. Nie aus der Mode gekommen, wenn man ehrlich ist, sind die Songs des Kooks-Debütalbums „Inside In/Inside Out“ aus 2006, und auch an diesem Abend an der Donaulände zeigt sich, wie fein sie gealtert sind.

All of us, we’re going out tonightWe’re gonna walk all over your carsThe Kooks are out in the streetOh, we’re gonna steal your skies

Die Fan-Liebe zu den frühen Kooks bringt die Band in die zweischneidige Situation, dass eigentlich alle lieber „Ooh la“ als das neue „Sunny bb“ und sogar lieber als „Always where I need to be“ hören wollen. Nungut, mit höflichem Publikumslob und nur wenig Soundproblemchen an der Gitarre spielt sich die Band gerne durch ein Set aus größtenteils „Ooh la“-s und „Naive“-s, und wer kann es ihnen verdenken? Einmal “I’m not saying it was your fault - although you could have done more“ im Chor brüllen und dazu performen. Gebrannte Kooks-CDs in kopierten Hüllen kaufen am Straßenrand in Thailand, das noch kaum verheilte Augenbrauen Piercing pocht. Ein Tag im Leben eines jungen Mannes, der vom Meer träumt und Mädchen herumkriegen will - auf eine Art erzählen The Kooks in Linz an diesem Abend Geschichten aus unschuldigeren Zeiten: „Won’t you come on over the other side of my sofa?“

Lido Sounds - Figure 4
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TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com

The Kooks

Dann gibt es eine sehr lange Pause. Die Südstaaten-Familienrockband Kings of Leon hat irgendeine Verspätung, für die sich Frontmann Caleb Folowill freundlich entschuldigt. Auch spendet er tröstende Worte an das Festivalpublikum, das seit vielen Stunden mit nassen Schuhen auf dem Betonplatz herumläuft (hartes Leben); überhaupt ist er nach einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte wenig überraschend ein charismatischer Performer und Unterhalter. Gemeinsam spielen sich die drei Followill-Brüder plus ihr Cousin aufgrund der Verspätung ein wenig gehetzt durch eine umfassende Setlist, die im Gegensatz zu The Kooks sehr wohl einen Schwerpunkt auf ihr aktuelles, achtes Album mit dem etwas sperrigen Namen „Can we please have fun“ legt.

Darüber, dass die ersten drei Kings of Leon-Alben „die besten“ waren, herrscht in Fan- und Kritikerkreisen weitgehend Einigkeit. Danach konnte man Rock-Zeitgenossen, die etwa zur selben Zeit zu Beginn des Jahrtausends auf Stadiongröße anwuchsen, dabei zuhören, wie sie in weiterer Folge entweder an stilistischem Profil gewannen (Muse) oder aber inhaltlich interessante Konzepte (das Bild des Mannes im 21. Jahrhundert/The Killers oder make Rock’n’Roll sexy again/The Strokes) in massentaugliche Rocksongs verpackten, während die Kings of Leon dem Erfolgsrezept Midtempo-Beat, Gitarren-Klimax, Calebs charakteristische, sehnsuchtsvolle Stimme ohne große Ausreißer treu blieben.

Lido Sounds - Figure 5
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TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com

Kings Of Leon

Freilich ein paar sehr gute Songs gelangen auch den späteren Kings of Leon, etwa „The Bandit“ aus 2021 oder das ganz neue „Nowhere to run“, das seinen flockigen Groove live besonders gut entfalten kann. Ein Highlight des Konzerts ist außerdem „Closer“ mit seinem elektronisch verfremdeten Bass, der wie ein einsamer Synthesizer in die Nacht funkt, während sich Gitarre und Stimme in einem Soundstrudel umeinander winden. Für ein paar Minuten schwebt eine dunkle Magie über dem Platz.

Der Trick mit dem Bass wird später noch wiederholt, etwa in „Rainbow Ball“; außerdem projizieren die Kings of Leon die Lyrics vieler neuen Nummern praktischerweise im Karaoke-Style auf die Leinwände. Wenn dann zum einzig logischen Abschluss ein entfesseltes Publikum tausendstimmig in die „ooh oooh“-Chöre von „Use Somebody“ ausbricht, weiß man wieder, wieso Festivals als Lebenselixier gelten. Ein paar Stunden schlafen, Kraft für ganze Wochen gewinnen. Am Freitag übernimmt dann mit Texta & Attwenger sowie Parov Stelar die Linzer Pop-Speerspitze die große Bühne beim Lido Sounds Festival.

Publiziert am 28.06.2024

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