5 Gründe | Warum Léon Marchand der beste Schwimmer der Welt ...
Léon Marchand sorgt in der La Défense für beste Stimmung – kein Wunder, der Fan-Liebling hat bereits drei Goldmedaillen für Frankreich aus dem Wasser geholt. Was macht den 22-Jährigen so stark?
Frank Wechsel / spomedis Olympiasieger und Fan-Liebling: Léon Marchand.Es ist schon fast ein Ritual in der Arena La Défense. Zuerst begrüßen Zehntausende Zuschauer ihren Schwimmliebling mit dem gemeinsamen Ruf „Léon, Léon“, dann ertönt bei jedem Atmzug ein gewaltiges „Hey“ von den Rängen. Zum Abschluss singt die ganze Halle die Marseillaise, in der es an einer Stelle auch noch „Marchons! Oui, marchons!“ heißt, was zumindest für deutsche Ohren fast genauso klingt wie der Nachname des Superstars.
Es ist keine Frage, Léon Marchand ist schon jetzt die größte Attraktion der olympischen Schwimmwettkämpfe in Paris. Der 22-Jahre scheint einfach alles zu können. Beim Lagenschwimmen zeigte er keine Schwäche und im Schmetterlings- und Brustschwimmen hängt er sogar die Spezialisten ab. Dabei scheint es, als sporne ihn die Liebe und die Begeisterung seiner Landsleute zusätzlich an. Mit Druck umzugehen, ist für Marchand offenbar kein Problem. Was macht diesen jungen Schwimmer so verdammt gut?
Marchand wurde am 17. Mai 2002 in Toulouse in eine Schwimmerfamilie geboren. Seine Mutter Celine Bonnet trat 1992 bei den Olympischen Spielen an, sein Vater Xavier Marchand gewann 1998 WM-Silber über 200 Meter Lagen. Auch sein Onkel Christophe Marchand schwamm bei Olympia. Zwar sagte Marchand einmal, seine Eltern hätten ihn nicht zum Schwimmen gedrängt. Doch hatte er schon als Kind ein Umfeld, das Schwimmen als Leistungssport kannte und ihn entsprechend fördern konnte. Als Kind probierte der junge Léon Judo und Rugby, eher er doch zum Schwimmen fand. Über seinen Schwimmclub Dauphins du TOEC, sagt er, sei es wie in der Familie gewesen.
Nach den Olympischen Spielen in Tokio, die für Marchand ohne Medaille endeten, verließ der 19-Jährige seine Heimat, um (wie seine Eltern) in den USA zu trainieren. Bei diesem Schritt war es Marchands ausdrücklicher Wunsch, an die Arizona State University zu gehen, wo damals Erfolgscoach Bob Bowman das Schwimmteam trainierte. Bowman, der Michael Phelps zu 28 Olympiamedaillen coachte, erkannte das Potenzial des jungen Franzosen. In kürzester Zeit formte er das Megatalent zu einem Siegschwimmer und zu fünf Weltmeistertiteln 2022 und 2023. Jetzt in Paris erntet das Duo die Früchte ihrer harten Arbeit. Ihr Vertrauensverhältnis drückt sich auch darin aus, dass der Schwimmer seinem Coach folgte, als dieser im April 2024 an die University of Texas wechselte.
Marchand befindet sich im besten Schwimmeralter. Er ist 22 Jahre alt und damit ein Jahr jünger als Phelps bei seinen acht Goldmedaillen in Peking. Auf dem Block wirkt der Franzose unbekümmert und so, als könnte ihn nichts aus der Fassung bringen. Dabei ist er nicht mehr so jung, als dass er in Ehrfurcht versinkt, wenn ihm das ganze Land beim Schwimmen zusieht. Gleichzeitig ist er auch noch nicht alt, was ihm bei der Regenartion nach harten Rennen zugutekommt. In den fünf Jahren seit seiner Bronzemedaille bei den Junioren-Weltmeisterschaften sammelte Marchand bei Welt- und Europameisterschaften sowie bei Olympia viel Erfahrung. Dazu hat er durchzahlreiche College-Wettkämpfe gelernt, viele Rennen in kurzer Zeit zu kompensieren und vor einem riesigen Publikum Bestleistungen abzurufen.
Marchand im Wasser zu sehen, ist eine Augenweide, und als Spezialist für die 400 Meter Lagen bringt er sowohl technisch als auch metabolisch optimale Voraussetzungen mit. Wie früher bei Phelps wirkt sich das vielseitige und intensive Training für die harte Spezialstrecke positiv auf die Tempohärte für andere Strecken aus. Hinzu kommt, dass Marchand mit Coach Bowman bis ins Detail an seinen Kicks gearbeitet hat. Zu sehen ist das Paris, wenn der Superschwimmer nach der letzten Wende nocn 12 bis 14 Meter weit taucht und mit Vorsprung an die Wasseroberfläche kommt. Beim Lagenschwimmen ist Marchand ohne Schwäche und die Olympiasiege über 200 Meter Schmetterling und 200 Meter Brust zeigen, dass er es in diesen Disziplinen sogar mit den Spezialisten aufnehmen kann. Sicher wäre er auch in der Lage, schnelle 200 Meter Freistil zu schwimmen. Dies könnte in Zukunft sein Repertoire um weitere Strecken erweitern. In den USA hält er auf der kurzen Bahn bereits den Rekord über 200 Yards.
Um unter der Last einer ganzen Nation nicht zusammenzubrechen, bedarf es eines ganz besonderen Charakters. Und diesen hat Léon Marchand über die Jahre entwickelt. Er ist nervenstark und hält dem Druck selbst auf der größten Bühne des Sports mehrfach hintereinander stand. Dabei bleibt er stets höflich und wirkt weniger unnahbar als sein ewiger Vergleich Michael Phelps. Weil er bei den Olympischen Spielen sein Programm scheinbar eiskalt durchzieht, haben ihm seine Landsleute einen neuen Spitznamen verpasst. In Anlehnung an den Kultfilm von Luc Besson heißt er auch „Léon, Le Professionnel“ – Léon, der Profi.
Peter Jacob
Mit sechs hieß es für den kleinen Peter schwimmen lernen - falls er mal ins Wasser fällt. Inzwischen ist er groß und schwimmt immer noch jede Woche. Mal mehr, mal weniger, meistens drinnen und manchmal draußen. Und immer mit viel Spaß und Leidenschaft.