Vientiane. Im südostasiatischen Binnenstaat Laos sind im Lauf der vergangenen Tage bereits sechs ausländische Touristen nach dem Konsum gepanschter alkoholischer Getränke gestorben. Australiens Außenministerin Penny Wong gab am Freitag den Tod einer zweiten jungen Australierin bekannt. Am Donnerstag war in Laos bereits ihre beste Freundin und Reisebegleiterin gestorben, die ebenfalls Drinks mit offenbar gepanschtem Alkohol getrunken hatte.
Das britische Außenministerium bestätigte am Donnerstag den Tod einer Frau aus Großbritannien aufgrund derselben Ursache. Medienberichten zufolge war die Frau 28 Jahre alt und Anwältin. Damit kamen in dem tropischen Land mit seinen rund acht Millionen Einwohnern innerhalb weniger Tage schon sechs westliche Touristen nach dem Genuss hochgiftiger Getränke ums Leben. Neben den Australierinnen und der Britin sind es bisher zwei Däninnen und ein männlicher US-Bürger.
Nächtliche Party in Vang ViengNach Berichten britischer und australischer Medien gehörten die Verstorbenen zu etwa einem Dutzend Touristen, die nach einer nächtlichen Party in dem bei Rucksackreisenden beliebten Ort Vang Vieng am 12. November Symptome einer Methanolvergiftung entwickelt hatten. Methanol ist mit dem Trinkalkohol Ethanol chemisch eng verwandt, aber sehr viel giftiger, und zwar in jenem Sinn, dass der Konsum schon kleiner Mengen akute bis lebensbedrohliche Folgen hat.
Australischen Medienberichten zufolge waren zumindest die Australierinnen (beide waren 19) im Nana Backpackers Hostel in Vang Vieng untergekommen. Sie hatten demnach am 12. November erst an der Bar des Hostels getrunken und waren dann ausgegangen. Am nächsten Tag wurden sie vom Personal des Hostels ins Krankenhaus gebracht. Man verlegte sie in ein besser ausgerüstetes Krankenhaus in Bangkok (Thailand), wo sie dennoch verstarben.
Der Betreiber des Nana Backpackers Hostel in Vang Vieng wurde festgenommen und verhört, wie die Touristenpolizei von Laos bestätigte. Was für Drinks genau giftig gewesen waren, wer sie ausschenkte und wer sie erzeugt hatte, waren vorerst unklar.
>>> Link zu ABC News bezüglich der australischen Todesopfer
Warnungen in ReisehinweisenAustralien, Großbritannien und andere Länder warnen in ihren Reisehinweisen für Laos vor drohenden Methanolvergiftungen durch gepanschte Getränke, was in dem Land offenbar gehäuft vorkommt.
Methanol (CH3OH), das industriell in großen Mengen aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff erzeugt wird, wird in Industrie- und Haushaltsprodukten wie Frostschutzmittel und Lack, als Farbverdünner, Lösungsmittel, Putzmittel, als Kraftstoff für Motoren, in Brennstoffzellen und so weiter eingesetzt. Methanol ist in der Herstellung viel billiger als Ethanol (C2H5OH), das für Trinkzwecke im altbekannten Prozess der alkoholischen Gärung und eventuell Destillation entsteht und somit Bestandteil etwa von Bier, Wein, Schnaps, Whisky wird. So lassen sich aus Methanol und diversen Geschmacksstoffen Drinks panschen, oder man streckt vorhandene Spirituosen durch Zugabe von Methanol.
Ein Horror für die LeberMethanol wird allerdings in der Leber anders abgebaut als Ethanol. Es entstehen dabei nämlich die Stoffwechsel-Zwischenprodukte Formaldehyd und Ameisensäure, die grundsätzlich überaus schädlich sind, wobei Ameisensäure vom Körper dann auch nur äußerst langsam abgebaut bzw. ausgeschieden wird. Methanol bzw. Ameisensäure schädigt das Nervensystem, das Gehirn, die Augen, kann zu bleibenden Leberschäden, Blindheit und zum Tod durch Atemlähmung führen, wobei je nach Körpergewicht und Gesundheitszustand schon 25 bis 100 Milliliter (oder 0,5 bis 1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht) eine lebensbedrohliche Dosis darstellen können. Die einsetzende Vergiftung merkt man lange nicht, weil die Symptome so sind wie bei einer „normalen“ Trunkenheit, ehe sie sozusagen ausufern.
Interessanterweise besteht die typische Behandlung der Methanolvergiftung darin, dem Körper Ethanol zuzuführen, durchaus durch Getränke. Der Trinkalkohol wird nämlich von zuständigen Enzymen in der Leber bevorzugt abgebaut, sie „kümmern“ sich dann nicht mehr um den Andrang des Methanols, das daher auch nicht zu den oben genannten Giften zerfällt, sondern im Lauf der Zeit durch Urin, Atemluft, Schweiß unzersetzt ausgeschieden wird. Der Patient wird also abhängig vom Grad der Vergiftung für durchaus einige Tage in einem Rauschzustand mit einem Blutalkoholwert zwischen etwa einem halben und 1 Promille gehalten. Zusätzlich gibt es Medikamente, die den Abbau des Methanols hemmen, und unterstützend Blutwäsche.
Weltweites PhänomenEinzelne Todesfälle, vor allem aber Vergiftungswellen wegen mit Methanol versetzter Getränke kommen weltweit immer wieder vor, von Russland bis Serbien, von Libyen bis Mexiko, von der Türkei bis Nigeria. Besonders betroffen ist Indien, wo bei einzelnen Vergiftungswellen in den vergangenen Jahrzehnten durchaus jeweils Dutzende bis einige Hundert Menschen starben, etwa 1981 mehr als 300 Menschen in Bangalore. Heuer im Juni waren mehr als 65 Methanol-Tote im südindischen Staat Tamil Nadu.
In Estland starben 2001 deswegen 68 Menschen, mehr als 40 blieben langzeitgeschädigt. Etwa 50 Menschen starben 2011 im Rahmen eines einzelnen Vorfalls in Kambodscha an Alkoholvergiftung, anno 2012 in Tschechien 38 Personen, 45 Personen anno 2018 in Malaysia, mindestens 30 im Mai/Juni 2023 in der südrussischen Region Samara. (ag./wg)