Unbezahlter Krankenstand – ungerecht und ungerechtfertigt

4 Tage vor

Den ersten Tag im Krankenstand sollen Beschäftigte nicht mehr bezahlt bekommen, wenn es nach der Wirtschaftskammer geht. Manche Berufsgruppen würde das deutlich schwerer belasten als andere. Das Argument zu häufiger Krankenstände ist im historischen Rückblick nicht haltbar.

Krankenstand - Figure 1
Foto Moment.at

Die Krankenstandstage pro Person sind über die letzten Jahre gestiegen. Weil das die Arbeitgeber:innen Geld kostet, fordert die Wirtschaftskammer Maßnahmen. Unter anderem, dass der erste Tag im Krankenstand nicht mehr bezahlt werden soll. Die Unterstellung, die da mitschwingt, ist klar: Für so richtig krank hält die Lobby der Unternehmen die krankgemeldeten Mitarbeiter:innen nicht immer.

Den ersten Krankenstand unbezahlt nehmen zu müssen, würde sowohl die Geldbörse als auch die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen belasten. Klar ist damit aber auch: Gerade, wer finanziell zu kämpfen hat, müsste dann überlegen, ob er sich einen Krankenstand überhaupt leisten kann. Oder ob man sich stattdessen krank in die Arbeit schleppen muss – zum Schaden der eigenen Gesundheit und vielleicht auch der Kolleg:innen.

Alle getroffen, aber nicht gleich

Wie sehr man die Veränderung spüren würde, hängt auch von der Berufsgruppe ab. 2023 verbrachten Arbeiter:innen 44 Prozent mehr Tage im Krankenstand als Angestellte. Arbeiter:innenberufe erfordern in der Regel mehr körperliche Arbeit. Eine Erkrankung macht also schneller arbeitsunfähig. Gleichzeitig ist es in Angestelltenberufen oft einfacher, körperliche Abwesenheit durch technologische Kommunikationsmittel wie Videochats auszugleichen – Stichwort: halb krank im Homeoffice.

Angestellte haben auch öfter die Möglichkeit zu flexibleren Arbeitszeiten. Das macht es eher möglich, an manchen Tagen kürzer zu arbeiten und sich eben nicht krankmelden zu müssen. Verliert man damit Einkommen, dann nimmt man eben lieber erschöpft ein paar Stunden Zeitausgleich, als einen ganzen bezahlten Tag zu verlieren. Langfristig geht das natürlich auch auf Kosten der Gesundheit.

Dazu kommt, dass Arbeiter:innen stärker unter den gesundheitlichen Folgen der Klimakrise leiden. Für mehr als die Hälfte von ihnen stellt Hitze eine sehr starke gesundheitliche Belastung im Beruf dar. Unter Angestellten sind es „nur“ 38 Prozent. Auch direkte Sonneneinstrahlung, Starkregen, Stürmen und sonstige Extremwetterereignisse machen Arbeiter:innen stärker zu schaffen als Angestellten. Sie sind für je 39 Prozent der Arbeiter:innen im Vergleich zu 23 Prozent der Angestellten eine sehr starke gesundheitliche Belastung.

Die Zahl der Krankenstände ist nicht ungewöhnlich hoch

Anmerkung: Durch die Umstellung der Versichertenzahlen in der Krankenstandsstatistik kommt es in den betroffenen Datenreihen zwischen 1999 und 2000 zu einem geringfügigen statistischen Bruch. Quelle: Fehlzeitenreport 2024

Die Krankenstandsquote ist bei näherer Betrachtung auch kein Argument für eine derartige Schikane. Sie ist in den vergangenen Jahren gestiegen – es könnte damit zu tun haben, dass wir uns in einer Pandemie befanden. Der Erreger ist nie weggegangen. Die Schutzmaßnahmen, insbesondere auch am Arbeitsplatz, sind aber gänzlich verschwunden.

Langfristig gesehen liegt die Zahl aber im Mittelfeld. 2022 und 2023 wurden 14,9 und 15,4 Krankenstandstage pro arbeitsversicherter Person verzeichnet. 1990 waren es 15,2 und 2000 14,4. Die Zahlen sind also in einem vergleichbaren Rahmen. Ihren bisherigen Höchstwert hat die Quote 1980 mit 17,4 erreicht.

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