Nordkorea-Soldaten im Ukraine-Krieg: Kim Jong-un und Putin ...

23 Stunden vor
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Stand: 19.11.2024, 12:33 Uhr

Von: Karsten-Dirk Hinzmann

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Nordkoreas Diktator Kim Jong-un (links) und Chinas Staatschef Xi-Jinping reichen einander die Hände.

Nur noch ziemlich beste Freunde? Nordkoreas Diktator Kim Jong-un (links) und Chinas Staatschef Xi-Jinping in Korea 2019. Beide Nationen sind durch die geopolitischen Notwendigkeiten aneinander geschweißt. Kims Engagement in Russlands Ukraine-Krieg könnte zu einem raueren Ton zwischen beiden Partnern führen. © KCNA via KNS / AFP

Die Vasallen von Xi Jinping werden aufmüpfig. Obwohl Russland und Nordkorea unverzichtbare Partner Chinas sind, sind sie nur noch nahezu beste Freunde.

Pjöngjang – „Ohne Lippen sind die Zähne kalt“, soll Mao Zedong gesagt haben, als er Anfang der 1950er-Jahre chinesische Truppen in den Korea-Krieg entsandt hatte. Jetzt ist Nordkorea erneut Kriegspartei im Ukraine-Krieg, und China wieder gezwungen sich gegenüber der Welt zu positionieren. Wie der britische Guardian analysiert, zwinge Nordkoreas Engagement an der Seite von Diktator Wladimir Putin Chinas Machthaber Xi Jinping zu einer heiklen Balance.

Während die Lunte des Weltenbrandes offen liegt, spiele Nordkoreas Diktator Kim Jong-un mit dem Feuer, orakelt aktuell das Magazin Newsweek: „Der nordkoreanische Führer Kim Jong-un könnte die Truppen seines Landes, die für Wladimir Putin gegen die Ukraine kämpfen, als Druckmittel gegenüber den Provokationen Pjöngjangs in Ostasien einsetzen“, schreibt Newsweek-Autor Brendan Cole. Für die Großzügigkeit der nordkoreanischen Regierung gegenüber Russland, mit mindestens 10.000 kämpfenden Kräften seine Invasion in der Ukraine durchzufechten, wird sie über kurz oder lang die Rechnung präsentieren.

Putin und Kim teilen ihre Sicht der Welt: „Sie haben uns einfach zu einer Reaktion gezwungen.“

Vorsichtige Vermutungen gehen dahin, dass sich Nordkorea mit Flugzeugen wird auszahlen lassen wollen. Die in die Ukraine entsandten rund 13.000 Truppen soll Putin vergelten mit zwei bis drei Dutzend Suchoi Su-35-Kampfflugzeugen, wie Boyko Nikolov schreibt – der Autor der Plattform Bulgarian Military stützt sich allerdings auf ungenannte Quellen. Ende vergangenen Jahres hatte die Zeitschrift Flugrevue gemeldet, dass der Iran Su-35-Maschinen erhalten würde –möglicherweise hat sich der nordkoreanische Armeeführer dadurch inspirieren lassen, das Alteisen seiner Korean People‘s Army Air and Anti-Air Force (KPAF) ebenfalls auszutauschen.

„Obwohl die Chinesen es sicherlich vorziehen würden, wenn Nordkorea keine Atomwaffen hätte, ist ihre größte Angst ein Zusammenbruch des Regimes.“

„Zwar verfügt die KPAF theoretisch über mehr als 400 einsatzfähige taktische Kampfflugzeuge, doch handelt es sich dabei fast ausschließlich um Modelle aus der Sowjetzeit oder chinesische Versionen davon aus den 1950er und 1960er-Jahren. Darüber hinaus reichen die Flugstunden der Besatzung kaum aus, um ihre Kenntnisse in den Grundlagen des Fliegens aufrechtzuerhalten“, schreibt beispielsweise Haena Jo vom Thinktank International Institute for Strategic Studies (IISS).

Kims Hoffnungen werden anscheinend durch Putin genährt – nach Äußerungen von Wladimir Putin wollen offenbar zwei Nebendarsteller der Weltgeschichte ihren Platz auf der großen Bühne freikämpfen; laut Newsweek hat Putin die Schuldzuweisung für den Ukraine-Krieg an die Nato auch auf Ost-Asien projiziert: „Sie haben uns einfach zu einer Reaktion gezwungen. In diesem Sinne haben sie erreicht, was sie wollten. Mir scheint, dasselbe passiert in Asien, auf der koreanischen Halbinsel.“

Ukraine-Krieg schwappt auf Asien über: Südkorea will Zurückhaltung gegenüber Putin aufgeben

Mit Lieferungen von Munition, Waffen und jetzt auch Menschen wolle sich Kim Rückendeckung verschaffen für seinen Einfluss auf Südkorea, vermutet Sang Hun Seok laut Newsweek. Der Geopolitikanalyst am britischen Thinktank Royal United Services Institute (RUSI) prognostiziert, „Pjöngjang könnte noch abenteuerlustiger werden, da es erwartet, dass die russische Unterstützung eine heftige Reaktion sowohl von Seoul als auch von Washington verhindern würde.“ Der britische Independent hat kürzlich berichtet, dass offenbar Südkorea seine Zurückhaltung gegenüber Wladimir Putin aufgeben beziehungsweise zumindest überdenken will.

Laut dem Blatt lägen aktuell alle Optionen auf dem Tisch. Anfang November hatte auch der täglich über den Ukraine-Krieg berichtende US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) gemutmaßt, dass der Beistandspakt zwischen Russland und Nordkorea die militärische Balance auf der koreanischen Halbinsel erschüttern könnte.

„Pjöngjang hofft wahrscheinlich, dass das nordkoreanische Militärpersonal Kampferfahrung unter den Bedingungen eines gegenwärtigen Krieges sammelt – Erfahrung, die es möglicherweise in zukünftigen Konflikten anwenden kann. Die Zusammenarbeit zwischen Nordkorea und Russland birgt die deutliche Möglichkeit, die langfristige Stabilität der koreanischen Halbinsel und der weiteren asiatisch-pazifischen Region zu gefährden“, schreiben deren Autoren. Nordkorea könnte als Kriegspartei angesehen werden und somit Asien stärker in den europäischen Konflikt hineinziehen. Der Ukraine-Krieg bildete damit einen Funken, der den Schwelbrand zwischen China und den USA zu einem offenen Feuer entfachen würde.

Putins und Kims Allianz: „Auch China bereitet dies erhebliche Kopfschmerzen“

„Auch China bereitet dies erhebliche Kopfschmerzen, denn als asiatische Macht will das Land die Stabilität in der Region aufrechterhalten und die USA und ihre Verbündeten in Schach halten, während es gleichzeitig mit einer schwächelnden Wirtschaft im eigenen Land zu kämpfen hat“, schreibt Brendan Cole für den Guardian. Das Blatt hatte dazu Matthew Miller zitiert. Demnach habe Washington Peking mitgeteilt, die Anwesenheit nordkoreanischer Truppen im russischen Kriegseinsatz „sollte für China Anlass zur Sorge sein“, wie sich der Sprecher des US-Außenministeriums geäußert habe.

Auch Carla Freeman und Naiyu Kuo sehen Xi Jinping durch Kims Vorstoß in die Bredouille manövriert. „Wird China in der Lage sein, die Distanz zu dem Konflikt, die es zu wahren versucht hat, aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Moskau zu unterstützen?“, fragen die beiden Analysten des US-Thinktanks United States Institute of Peace. Möglicherweise könnte China sogar einen seiner beiden Vasallen-Staaten fallenlassen, um sich geopolitisch Ruhe zu verschaffen. Diese Option scheint denkbar anhand der Vermutungen von Viktor Cha. Dem Analysten des Thinktank Center for Strategic and International Studies (CSIS) ist China die Nähe der beiden Staaten mittlerweile suspekt – sie entwickeln ein Eigenleben und könnten beginnen, sich als Verbündete eigen- und übermächtig zu fühlen.

Kims offen ausgesprochene Haltung zu Südkorea als feindlicher Nation könnte Cha zufolge eine noch stärkere US-Militärpräsenz in der Region als Folge der latenten Aggression aus dem Norden nach sich ziehen. Das widerspricht den chinesischen Interessen eklatant. Dennoch, so Cha: „Bislang ist Chinas Reaktion auf Nordkoreas Unterstützung Russlands irgendwo zwischen Lähmung und Inkompetenz gefangen. Es mangelt ihm entweder an politischem Willen oder politischem Einfallsreichtum, um eine der beiden Parteien abzuschrecken.“ Cha schlägt vor, dass China den Nordkoreanern den Hahn an Petrolkoks zudreht, das offenbar notwendig ist zur Produktion von Munition.

Peking in Bedrängnis: Moskau könnte so weit gehen, Pjöngjangs Atomprogramm zu unterstützen

Allerdings will das CSIS belegen können, dass sich Nordkorea als Handelspartner ohnehin weniger als zuvor gen China richte als vielmehr inzwischen nach Russland, und Kim Putin deshalb großzügig entgegenkomme: „Er wird höchstwahrscheinlich nicht nur auf mehr Nahrungsmittel und Treibstoff drängen, sondern auch auf hoch entwickelte Militärtechnologie, die die Sowjetunion historisch nur ungern zur Verfügung stellte“, schreibt Cha. Würde sich das ändern, geriete die chinesische Regierung tatsächlich in Zugzwang.

„Sollte Moskau so weit gehen, Pjöngjangs Atomprogramm zu unterstützen, wäre dies eine ernsthafte Herausforderung für das internationale Nichtverbreitungsregime, an dem China maßgeblich beteiligt ist“, sagt Tong Zhao. Der Guardian zitiert damit den Analysten des US-Thinktanks Carnegie Endowment for International Peace. Das Dilemma bestehe ihm zufolge darin, dass China die strategische Koalition sowohl mit Russland als auch mit Nordkorea aufrechterhalten wolle, andererseits kaum tolerieren könne, wenn mindestens einer der Partner die USA mitsamt ihrer Verbündeten durch eine radikalere Außenpolitik düpiere; und China damit entweder die Kontrolle entgleite oder ein Partner wegbräche.

Allerdings kann sich China auch schwer leisten, Kim offensiv zurechtzustutzen, weil dann wieder Südkorea mitsamt der nordamerikanischen Militärpräsenz eine zu gewichtige Rolle in der Region zuwachsen würde, wie bereits 2017 Jennifer Lind geschrieben hat – laut der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin seien China und Nordkorea schon sei Jahren lediglich ziemlich beste Freunde, wie sie gegenüber dem US-Sender CNN geäußert hatte: „Obwohl die Chinesen es sicherlich vorziehen würden, wenn Nordkorea keine Atomwaffen hätte, ist ihre größte Angst ein Zusammenbruch des Regimes.“

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