Wahlkampfabschlüsse: FPÖ will Platz eins, Gegner demonstrieren

27 Sep 2024

Wahlkampfabschlüsse

Mit großem Aufwand hat die FPÖ Freitagabend ihren Wahlkampfabschluss auf dem Stephansplatz in Wien inszeniert. Die Veranstaltung mit Parteichef Herbert Kickl kam nicht ohne eine Gegendemo samt enormem Polizeiaufgebot aus. Die ÖVP stimmte ihre Anhängerinnen und Anhänger ebenfalls auf den Wahlsieg ein. Ihr jetziger Regierungspartner, die Grünen, stellte den Klimaschutz und die Hochwasserkatastrophe ins Zentrum.

Kickl - Figure 1
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Kickl stellte klar, was er sich von der Wahl erwartet: „Gemeinsam werden wir am Sonntag etwas erreichen, was es in diesem Land noch nie gegeben hat: eine freiheitliche Nummer eins und ein freiheitlicher Kanzler.“ Gemeinsam werde man dafür sorgen, „dass das blaue Wunder ein rot-weiß-rotes Wunder wird“. Die anderen hätten „den Rückenwind vom System und den Gegenwind von der Bevölkerung“. Bei der FPÖ sei es umgekehrt.

Kickls Unmut entlud sich – wie schon bei früheren Auftritten – vor allem in Richtung Regierung und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). „Zuerst das Volk und dann der Kanzler“, propagierte er erneut. Er sprach sich außerdem abermals gegen die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland aus und beschwor die österreichische Neutralität. Protagonisten der Maßnahmen gegen das Coronavirus hatten sich auf dem Stephansplatz eingefunden, wie etwa Martin Rutter und der Südtiroler Jürgen Wirth Anderlan, der sogar auf die Bühne durfte.

Begriff „Remigration“

Der Begriff „Remigration“ wurde von den rechtsextremen Identitären geprägt. Im Verfassungsschutzbericht 2023 heißt es dazu, der „nationalsozialistisch konnotierte“ Begriff werde „als rechtsextremistisch eingestuft“.

Kickl sprach auch von einer Politik der „Remigration“. „Ich weiß gar nicht, was an diesem Wort so böse sein soll“, sagte er. Abseits der Bühne, hinter von Polizisten und Polizistinnen bewachten Absperrungen, taten Gegnerinnen und Gegner der FPÖ ihren Unmut kund. Die Demonstrierenden skandierten etwa Parolen wie „Nazis raus“.

Die Polizei berichtete von einer „ruhigen Lage“. Zu einem dokumentierten Zwischenfall kam es dennoch: So wurde ein Team des Privatsenders PULS24 mitten in einer Liveschaltung von zwei mutmaßlichen FPÖ-Anhängern körperlich bedrängt und beschimpft.

ÖVP: „Zuversicht und Chancen im Vordergrund“

Ihren Wahlkampfabschluss beging die ÖVP vor der Parteizentrale in Wien, wo sich am Vormittag Parteifunktionärinnen und -funktionäre sowie zahlreiche Anhängerinnen und Anhänger einfanden. Das Rittern um die Wählergunst ist für die ÖVP aber noch nicht vorbei. Spitzenkandidat und Parteichef Nehammer betonte, dass jede Minute ausgenutzt werde, um Gespräche zu führen und um Stimmen zu werben.

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Die ÖVP habe eine „enorme Aufholjagd“ hingelegt und jetzt zum Überholen angesetzt, sagte Generalsekretär Christian Stocker, der gemeinsam mit Nehammer auf der Bühne stand. So will man das Ergebnis der EU-Wahl, bei der die ÖVP knapp hinter der FPÖ auf Platz zwei lag, drehen. Bleibe Nehammer Kanzler, so würden „Zuversicht und Chancen im Vordergrund stehen und nicht selbst ernannte Volkskanzler dieses Land in eine ganz andere Richtung führen“, so Stocker.

Nehammer (l.) und Stocker: Die ÖVP will das Ergebnis der EU-Wahl umdrehen

Seine Partei stehe für eine Politik der Mitte, der Stabilität und der Zuversicht, betonte auch Nehammer, für den es viel Applaus gab. „Wir leben nicht von den Problemen, sondern wir lösen sie“, sagte er und grenzte sich von „Angstmache“ ab, die er in der Vergangenheit etwa Kickl vorgeworfen hatte.

Grüne wollen weiterregieren

Unter dem Motto „Ohne Grüne kein Klimaschutz“ begingen Parteichef Werner Kogler sowie die Ministerinnen Leonore Gewessler und Alma Zadic den Wahlkampfabschluss ihrer Partei auf dem Maria-Theresien-Platz in der Wiener Innenstadt. Wieder mitzuregieren war das Ziel, für das Kogler zu mobilisieren versuchte. Der Vizekanzler stellte dabei Hoffnung und Miteinander der Hetze, Demokratie der Autokratie, das gemeinsame Europa dem alten Nationalismus und den Klimaschutz der Klimakrise gegenüber. „Entlang dieser Antworten sind wir genau auf der richtigen Seite“, so Kogler.

„Wann hat es in dieser Republik von einer Fraktion jemals so ein starkes Regierungsteam gegeben?“, fragte Kogler. Man habe viel erreicht, von der Energiewende bis zur sozialen Absicherung. Die jüngste Hochwasserkatastrophe untermauert aus seiner Sicht die Dringlichkeit der Anliegen der Grünen. Gewessler kritisierte die politische Kommentierung der Hochwasserkatastrophe durch die ÖVP. „Wie soll man bei so viel Unsinn nicht grantig werden?“, fragte sie angesichts von deren Attacken gegen die Renaturierung.

Die Grünen bekräftigten ihr Vorhaben, weiterzuregieren

An der politischen Konkurrenz einschließlich des Koalitionspartners setzte es viel Kritik. Der ÖVP attestierte Kogler „Verbrennerhysterie“, die SPÖ sei deren Verbündeter beim Zubetonieren, und der FPÖ unterstellte er nicht nur beim Volkskanzler „doofes Gerede“ und das Träumen von „irgendeinem Reich“. Zadic warnte vor Demagogen und Rechtsextremen. „Wir werden nicht zulassen, dass Rechte und Rechtsextreme unsere Freiheit, unsere Demokratie mit Füßen treten“, sagte sie.

Kickl - Figure 3
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Pinkes „Zukunftsfest“ zum Finale

NEOS feierte seinen Wahlkampfabschluss als „Zukunftsfest“ auf der Freyung. Parteichefin und Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger positionierte die Pinken dabei erneut als „Reformkraft“ und beschwor ihren Regierungswillen. Man werde am Sonntag „Geschichte schreiben“, gab sich Meinl-Reisinger selbstsicher.

NEOS will mitregieren

NEOS habe sich gegründet, weil alle anderen Parteien die Chance gehabt hätten, zu liefern, „und sie haben diese Chance nicht genutzt“. Sie wolle keine „Ibiza-2.0-Koalition“ zwischen ÖVP und FPÖ, „das tut uns nicht gut“, sagte Meinl-Reisinger. „Ich will nicht in irgendwelchen Festungen sitzen, während unsere Wirtschaft zusammenbricht.“ Und sie wolle auch nicht „diesen bleiernen Stillstand“ unter einer ÖVP-SPÖ-Regierung.

„Die Alternative ist eine mutige, entschlossene Reformkoalition, und das geht nur mit NEOS“, warb Meinl-Reisinger. Inhaltlich konzentrierte sich die NEOS-Spitzenkandidatin auf Wirtschaft und versprach „Wohlstand für alle“, auch die Bildung kam nicht zu kurz, jedes Kind habe „das Recht auf die beste Bildung“. Im Zusammenhang mit dem Budget kritisierte Meinl-Reisinger, dass der Schuldenberg in den vergangenen Jahren „völlig aus dem Ruder gelaufen“ sei. „Ja, wir werden sparen müssen“, erklärte sie, etwa bei der Verwaltung, bei Förderungen und in Systemen, „die nicht zukunftsfit sind“.

KPÖ schloss „Vertrag mit Bevölkerung“

Die KPÖ beendete ihren Wahlkampf offiziell Freitagvormittag. Dabei wurde auf dem Reumannplatz in Wien symbolisch ein „Vertrag mit der Bevölkerung“ unterzeichnet. 13 Kandidatinnen und Kandidaten verpflichten sich darin, im Falle des Einzugs ins Parlament nur 2.500 Euro des Gehalts zu behalten, der Rest solle an „Menschen in Notlagen“ abgegeben werden. Spitzenkandidat Tobias Schweiger zeigte sich optimistisch, dass die Kommunisten erstmals seit 1956 wieder den Einzug in den Nationalrat schaffen.

Die Bierpartei beendete ihre „Österreich-Tour“ auf dem Platz der Menschenrechte. Von der Ladefläche eines weißen Lasters, mit dem Spitzenkandidat Dominik Wlazny die letzten Wochen durch die Bundesländer getourt war, rief er den rund 50 Menschen – ein großer Teil davon Kandidaten oder Parteimitglieder – aus dem Wahlkampf bekannte Forderungen und Schmähs zu: „Wir schäumen vor Mut!“ Im Parlament wolle man „anpacken“, dafür habe man die letzten Monate „gehackelt und eine parlamentsfitte Partei auf die Beine gestellt“.

SPÖ beschließt Wahlkampf erst am Samstag

Die Liste Madeleine Petrovic lud am Abend in ihr Parteilokal in der Wilhelm-Exner-Gasse in Wien. Die Liste Keine von denen (vormals Wandel) verzichtete auf eine offizielle Schlusskundgebung – man sei am Freitag stattdessen noch einmal auf die Straße gegangen, „um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen“, hieß es.

Die SPÖ beschließt ihren Wahlkampf Samstagvormittag. Am Freitag trat Spitzenkandidat und Parteichef Andreas Babler bei der Abschlussveranstaltung der steirischen SPÖ auf. Dabei warb er um Stimmen der Nichtwählerinnen und Nichtwähler.

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