„Sommergespräche“: Kickl für „Korrektur“ bei Wirtschaftspolitik

20 Aug 2024

„Sommergespräche“

Mit FPÖ-Chef Herbert Kickl sind am Montagabend die ORF-„Sommergespräche“ in die dritte Runde gegangen. Kickl betonte im Interview mit Martin Thür, es brauche eine Kurskorrektur in der Wirtschaft, und um die eigenen Pläne umsetzen zu können, müsse die FPÖ die stärkere Partei in einer Koalition sein. Bei der Messengerüberwachung gab sich Kickl „geläutert“, bei Fragen zu einem Treuhandvertrag warf der Parteichef Thür „unsauberen Journalismus“ vor.

Kickl - Figure 1
Foto ORF

Online seit gestern, 22.26 Uhr (Update: gestern, 22.49 Uhr)

Thür startete mit dem Thema Wirtschaft und fragte, ob es mit der FPÖ, sollte sie Teil der nächsten Regierung sein, neue Steuern oder Steuererhöhungen geben werde. Das schloss Kickl dezidiert aus. Damit konfrontiert, dass die FPÖ noch im Vorjahr eine Übergewinnsteuer für Banken forderte, meinte Kickl, das sei wegen der hohen Inflation eine „Notsituation“ gewesen.

Es sei eine Kurskorrektur in der Wirtschaftspolitik nötig, betonte Kickl. Eine weitere Schädigung des Wirtschaftsstandorts werde es mit der FPÖ nicht geben. Und wenn die FPÖ in die Regierung komme, werde sie so handeln, dass neue Steuern nicht nötig sein würden, versprach er. Genau dafür sei es aber nötig, dass die FPÖ die größere Partei in einer Koalition sei. Denn das habe er aus der Koalition mit der ÖVP gelernt, dass der größere Partner machtpolitisch und kommunikationstechnisch ein starkes Übergewicht habe.

Kickl: Keine neuen Steuern mit der FPÖ

Kickl tritt für einen neuen Wirtschaftskurs ein. Leistung müsse sich wieder lohnen, fordert er im „Sommergespräch“.

„Stufenplan“ für Gegenfinanzierung

Auf den Hinweis, dass Kickls Plan, die Abgabenquote unter 40 Prozent zu senken, zehn bis 20 Milliarden Euro pro Jahr kosten würde, und die Frage, und wie er das ohne neue Steuern finanzieren wolle, meinte der FPÖ-Klubchef: 30 bis 50 Prozent davon würden durch ein stärkeres Wirtschaftswachstum und dadurch entsprechend höheres Steueraufkommen wieder hereinkommen. Und zur weiteren Gegenfinanzierung werde es einen „Stufenplan“ geben. Es werde nicht alles auf einmal eingeführt.

Kickl würde aus Sky Shield aussteigen

Kickl meinte, er würde neue Prioritäten setzen. Die Beteiligung am gemeinsamen Schutzschirm für den europäischen Luftraum, dem Sky Shield, würde er stoppen. Und Sozialleistungen sollten nur noch Staatsbürgerinnen und -bürger beziehen können. Auf den Einwand, letzteres spare aber lediglich eine Milliarde, meinte Kickl, man werde eine ganze „Fülle an Dingen durchforsten“. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte eine weniger weitgehende Regelung der ÖVP-FPÖ-Koalition, die die Höhe der Familienbeihilfe nach dem Herkunftsland berechnete, in der Vergangenheit aufgehoben.

Und Kickl kündigte Strukturreformen, „nachhaltige Veränderungen“, wie sie SPÖ und ÖVP nicht wollten, für den Fall einer Regierungsbeteiligung an. Da sei man eben dabei, Österreich vergleichbaren Ländern gegenüberzustellen und zu schauen, wie diese ähnliche staatliche Leistungen mit weniger Kosten anböten. Konkrete Beispiele nannte Kickl hier nicht.

Bei den Strukturreformen hakte Thür nach und erinnerte an die Milliarde an Einsparungen, die von ÖVP und FPÖ bei der Zusammenlegung der Krankenkassen zur ÖGK versprochen worden sei. Das Ergebnis waren, wie der Rechnungshof mittlerweile feststellte, Mehrkosten, nicht Einsparungen. Kickl verwies hier auf das vorzeitige Platzen der Koalition (wegen der „Ibiza“-Affäre, Anm.) und warf den Nachfolgeregierungen vor, die vorgesehenen Strukturreformen in der Verwaltung nicht mehr weiterverfolgt zu haben.

Arbeitskräfte aus EU-Ausland akquirieren

Beim Arbeitskräftebedarf meinte Kickl, man müsse zunächst EU-Bürger akquirieren. Voraussetzung dafür, dass das funktionere, sei eine Senkung der Lohnnebenkosten. Dass Salzburg, wo die FPÖ mitregiert, aus Drittstaaten Arbeitskräfte mit einem Willkommenscenter akquiriert, ist für Kickl eine Übergangsmaßnahme, die durch Versäumnisse unumgänglich sei. Langfristig brauche es Anreize, damit Menschen in benötigte Berufe gingen. Wiederholt warf Kickl der ÖVP – und auch der SPÖ – Versagen in der Wirtschaftspolitik vor.

Messengerüberwachung: Warum die FPÖ mittlerweile dagegen ist

Seine Haltungsänderung zur Messengerüberwachung verteidigt Kickl – und schlägt dabei den Bogen zur Covid-Pandemie. Er kritisiert einmal mehr das damalige Vorgehen der ÖVP-Grünen-Koalition.

Bei Messengerüberwachung „geläutert“

Beim Thema Terrorbekämpfung und bei einer von der ÖVP in dem Zusammenhang vehement geforderten neuen Regelung für die Überwachung von Messengerdiensten räumte Kickl ein, „geläutert“ zu sein. Eine von ÖVP und FPÖ verabschiedete Regelung war vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden, was Kickl damals scharf kritisierte.

Doch vor allem während er Covid-19-Pandemie habe er sehr negative Erfahrungen gemacht. Die Regierung habe, „von allen guten Geistern verlassen“, Grund- und Freiheitsrechte und die parlamentarische Demokratie in nicht vorstellbarem Ausmaß eingeschränkt. Die ÖVP-Grünen-Koalition habe „genau die Leute, die für Grundrechte eintraten“, damals kriminalisiert. Einer solchen Regierung könne man kein solches Überwachungsinstrument in die Hände geben, so Kickl.

Fordert erneut „Verbotsgesetz für politischen Islam“

Nach Ansicht des FPÖ-Chefs gibt es sowieso effizientere Mittel, bei bestehender Verdachtslage Verdächtige zu überwachen. Kickl sprach sich einmal mehr für ein „Verbotsgesetz gegen politischen Islam“ aus.

Kickl zur Anklage gegen Hans-Jörg Jenewein

Als Thür Kickl fragte, ob die Anklage gegen den Ex-FPÖ-Sicherheitssprecher Jenewein ins Bild des Versprechens sauberer Politik passe, warf Kickl Thür „unsauberen Journalismus“ vor.

Jenewein-Anklage: Für Kickl Messen mit zweierlei Maß

Angesprochen auf die Spionageaffäre rund um den Ex-BVT-Mitarbeiter Egisto Ott und die nunmehr erfolgten ersten Anklagen in der Causa – gegen Ott und den Ex-FPÖ-Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses – wurde das Gespräch zwischendurch hitziger. Kickl meinte, lege man den gleichen Maßstab bei allen an, seien die Gerichtssäle bald überfüllt.

Und er warf Thür postwendend „unsauberen Journalismus“ vor – denn wie oft hätten er und andere Journalisten schon aus Akten zitiert, die ihnen zugespielt worden seien, so Kickls Gegenfrage. Kern der Anklage ist allerdings, dass Ott im Auftrag Jeneweins einen Beamten beauftragt haben soll, Informationen zu Teilnehmern eines Treffens europäischer Nachrichten- und Geheimdienste zu beschaffen. Darüber hinaus wird Jenewein auch die Weitergabe vertraulicher Informationen aus dem „Ibiza“-U-Ausschuss an Dritte vorgeworfen. Auf Letzteres spielte Kickl an.

Kickl als FPÖ-Chef Teil der Eliten?

Kickl nimmt für sich in Anspruch, formal zwar Teil „des Systems“ zu sein, das er selbst gern als elitär kritisiert. Er sei aber nicht daran angepasst.

Kickl: Nicht an System angepasst

Thür befragte Kickl auch dazu, dass er selbst regelmäßig die Abgehobenheit von „Eliten“ kritisiere. Sei er selbst als langjähriger Politiker Teil dieser Eliten? Kickl entgegnete, man könne formal Teil des Systems sein, „aber das heißt noch lange nicht, dass man sich an das System anpasst“. Und das könne man ihm jedenfalls nicht vorwerfen, zeigte sich Kickl überzeugt.

Die Frage, ob er in der Causa rund um einen Treuhandvertrag über eine Beteiligung an einer Werbeagentur ehrlich gewesen sei, beantwortete Kickl mit einem Ja, er sei ehrlich, es gebe diese Beteiligung schon lange nicht mehr. Kickl betonte in der Vergangenheit, er habe diese nach dem Abschluss längst mündlich gekündigt. All das seien „haltlose Behauptungen“ von SPÖ und ÖVP, die diesen Treuhandvertrag bereits im jüngsten von der Volkspartei initiierten Machtmissbrauchs-U-Ausschuss mehrmals zum Thema gemacht hatten.

Vorübergehend wurde die Sendung im Hintergrund durch FPÖ-Gegner gestört Wahlziel: Nummer eins werden

Auf Umfragen, die die FPÖ seit Monaten auf Platz eins sehen, verlasse er sich nicht. Wichtiger sei ihm das Gefühl, das er bekomme, wenn er unterwegs sei – und das sei sehr gut. Ziel sei es, Erster zu werden – und das „mit einem Abstand, dass es logisch ist, dass die FPÖ den Regierungsbildungsauftrag erhält“.

Analyse des „Sommergesprächs“ mit Herbert Kickl

Nach dem ORF-„Sommergespräch“ mit FPÖ-Chef Herbert Kickl analysieren die stv. Chefredakteurin der APA, Susanne Puller-Knittelfelder, und der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier das Gespräch in der ZIB2.

Analyse: Wichtige Wählergruppen als Ziel

In der ZIB2 analysierten Peter Filzmaier und die Innenpolitikchefin der APA, Susanne Puller-Knittelfelder, dass es erwartbar war, dass die Wirtschaft ein zentrales Thema sein werde. Einerseits präsentiert die FPÖ in wenigen Tagen ihr neues Wirtschaftsprogramm, andererseits wolle Kickl Stimmen, die 2019 in großer Zahl zur von Sebastian Kurz geführten ÖVP wechselten, zurückgewinnen.

Dass Kickl die Covid-Pandemie ausführlich erwähnte, sei ebenfalls kein Zufall. Kickl könne es sich nicht leisten, diese Stimmen zu verlieren – mit MFG und der Liste Madeleine Petrovic gebe es hier aber zwei Konkurrenten, so Filzmaier. Dass Kickl angriffig war, sei nicht überraschend, so Puller-Knittelfelder. Angriffe auf die „Eliten“ und insbesondere Medien seien dabei vor allem dann erfolgt, wenn es „unangenehm“ für Kickl geworden sei.

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