Nationalrat: Immunität von Kickl aufgehoben
Nationalrat
Der Nationalrat hat die Immunität von FPÖ-Chef Herbert Kickl sowie jene der FPÖ-Abgeordneten Martin Graf, Harald Stefan und Norbert Nemeth aufgehoben. Dafür stimmten am späten Mittwochnachmittag alle Parteien außer die Freiheitlichen selbst. Abgesegnet wurden die Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Dienst und eine Nulllohnrunde in der Bundespolitik.
Online seit heute, 20.31 Uhr
Gegen Kickl will die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen des Verdachts der Falschaussage im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ im April, unter anderem zu Inseraten der Freiheitlichen und zur Werbeagentur Ideenschmiede, ermitteln.
Bei den drei weiteren Abgeordneten geht es um eine Ermittlung der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz. Anlass ist die Teilnahme der drei Mandatare an einem Begräbnis, bei dem ein auch von der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS) verwendetes Lied gesungen wurde.
FPÖ spricht von „Verfolgungsjustiz“Dass die FPÖ dem Ersuchen zur Auslieferung Kickls nicht zustimmte, begründete FPÖ-Mandatar Christian Ragger damit, dass Kickl seine Aussage im U-Ausschuss als Klubobmann getätigt hatte, nicht als Innenminister. Damit genieße er den Schutz der Immunität. Ragger sah „Verfolgungsjustiz“ durch die Regierungsparteien.
Ein Blick in den NationalratSein Parteikollege Wendelin Mölzer kritisierte die Auslieferung Grafs, Stefans und Nemeths. Diese hätten das Lied „Wenn alle untreu werden“ in einer Version von 1814 gesungen. Er wies darauf hin, dass es Parallelversionen mit verschiedenen Texten gebe. Der Staatsanwaltschaft attestierte er, sich nicht ausreichend über das Lied informiert zu haben – andernfalls wäre sie seines Erachtens zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Anfangsverdacht gebe.
SPÖ: Kickl zu Zeit als Innenminister befragtKickl sei zu seiner Zeit als Innenminister befragt worden, der Schutz durch die parlamentarische Immunität greife also nicht, sagte Christoph Zarits (ÖVP). Selma Yildirim (SPÖ) betonte, dass die Immunität nicht dafür da sei, dass sich Abgeordnete, die im Verdacht stehen, eine strafbare Handlung getätigt zu haben, dahinter verstecken können.
FPÖ-Chef KicklDer Besuch der Beerdigung des früheren Wiener FPÖ-Bezirksrats und „Alten Herrn“ der deutschnationalen Burschenschaft Olympia, Walter Sucher, gehöre nicht zur Tätigkeit eines Nationalratsabgeordneten, argumentierte etwa Lukas Hammer (Grüne) für die Aufhebung der Immunität von Graf, Stefan und Nemeth.
Diskussion über Vorsitzführung von RosenkranzDebattiert wurde auch über die Art der Vorsitzführung von Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ). Die Behauptung des ÖVP-Abgeordneten Wolfgang Gerstl, die Auslieferungsbegehren aufgrund des Verdachts der Wiederbetätigung seien „auf komische Art und Weise im Büro des Nationalratspräsidenten liegen geblieben“, bestritt Rosenkranz. Er kündigte medienrechtliche Verfahren an, die diesen Vorwurf entkräften sollen.
Dass er meinte, Gerstl könne sich nach diesen Verfahren bei ihm entschuldigen, sei allerdings keine Ankündigung eines gerichtlichen Verfahrens gegen den ÖVP-Abgeordneten, sagte der Nationalratspräsident. Das hatte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zuvor so aufgefasst. Stocker erklärte deshalb, Rosenkranz habe „unser Vertrauen nicht nur über die Maßen in Anspruch genommen, sondern auch verloren“.
Nulllohnrunde in BundespolitikAbgesegnet wurde die zwischen Gewerkschaft und Regierung ausverhandelte Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst für 2025. Bis auf NEOS trugen alle Parteien den Beschluss mit. Die Gehälter für die öffentlich Bediensteten werden 2025 um 3,5 Prozent steigen. Das ist zwar unter der mit 3,8 Prozent errechneten Teuerung, doch NEOS ist das Plus mit Blick auf die budgetäre Lage noch immer zu hoch.
In der Bundespolitik gibt es eine Nulllohnrunde. Das beschloss der Nationalrat am Mittwoch.
Ebenfalls durch ist die Nulllohnrunde für Bundespolitikerinnen und -politiker, der lediglich die FPÖ nicht zustimmte. Den Freiheitlichen war die Regelung für den Bund nicht genug. Sie wollten, dass auch Landespolitik und Managerinnen und Manager in Unternehmen mit Staatsbeteiligung keine Bezugserhöhung erhalten.
Auch NEOS forderte eine Nulllohnrunde auf Landesebene. An der FPÖ übte man Kritik, haben sich doch bereits drei Bundesländer mit freiheitlicher Regierungsbeteiligung gegen eine Nulllohnrunde entschieden. Grünen-Klubchef Werner Kogler wäre auch für eine bundeseinheitliche Lösung gewesen. Er vermutete die Landeshauptleute von ÖVP und SPÖ als „Blockierer“.
Länder gehen eigenen WegDie Nulllohnrunde für Bundespolitikerinnen und -politiker dient nicht als Vorbild für alle Länder. Salzburg, Vorarlberg, Oberösterreich und Wien wollen die Bezüge erhöhen. Nur für die Regierung soll eine Nulllohnrunde in Niederösterreich kommen – ähnlich in der Steiermark. Das Burgenland will eine generelle Nulllohnrunde. Tirol und Kärnten warten noch ab – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Handysicherstellung neu geregeltDie Handysicherstellung findet künftig unter neuem Regulativ statt. Eine entsprechende Gesetzesnovelle beschloss der Nationalrat drei Wochen vor Ablaufen der Reparaturfrist des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Zentrale Änderung ist, dass künftig vorab eine richterliche Genehmigung einzuholen ist.
Den Freiheitlichen ging das zu wenig weit, die anderen Fraktionen stimmten zu. FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan argumentierte, dass aus freiheitlicher Sicht entsprechende Entscheide von VfGH und EuGH nicht entsprechend berücksichtigt würden. Stefan kritisierte, dass die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens bleibt. Aus seiner Sicht dürfte diese nur jene Daten von mobilen Geräten erhalten, die von den Gerichten freigegeben werden.
Dieser Punkt, dass es zu keiner organisatorischen Trennung kommt, ist auch für den ÖVP-Abgeordneten Gerstl ein „Wermutstropfen“. Es sei jedoch ein „Gamechanger“, dass die Staatsanwaltschaft erst nach richterlicher Genehmigung Einblick nehmen könne.
Grüne: Beiden Seiten Rechnung getragenSPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim fand es „schade“, dass solch eine Reform erst auf den letzten Drücker gelinge. Die grüne Mandatarin Agnes Prammer unterstrich, dass man beiden Seiten Rechnung getragen habe. Einerseits sei ein entsprechender Schutz der Privatsphäre notwendig. Andererseits müsse man die Mittel für die Behörden so wählen, dass diese ihrer Verpflichtung zur Klärung von Straftaten nachkommen könnten.
NEOS-Klubvize Nikolaus Scherak sagte, dass eigentlich allen klar gewesen sei, dass die alte Regelung verfassungswidrig sei. Kritisiert wurde von ihm auch der mühselige Prozess der Gesetzeswerdung.
Änderung in StrafprozessordnungEbenfalls beschlossen wurde eine Änderung der Strafprozessordnung beschlossen. Mit dieser werden Opfer die Möglichkeit haben, gegen eine Anzeigenrücklegung vorzugehen. Dazu wird ihnen (wie auch Beschuldigten) von Beginn weg Akteneinsicht gewährt und nicht erst mit formeller Einleitung des Ermittlungsverfahrens.
Dazu kommt ein Ausbau der Prozessbegleitung für minderjährige Zeugen von Gewalt, wie Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) in Vertretung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sagte. Mit dem Paket würden langjährige Forderungen umgesetzt.