Nationalrat hebt parlamentarische Immunität von Herbert Kickl auf ...
Wien (PK) – Gleich vier Auslieferungsbegehren behandelten die Abgeordneten zum Nationalrat in ihrer heutigen Sitzung. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beantragte die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von FPÖ-Chef und Klubobmann Herbert Kickl. Die Staatsanwaltschaft Wien ersuchte, eine Verfolgung der drei freiheitlichen Abgeordneten Martin Graf, Harald Stefan und Norbert Nemeth zu ermöglichen.
Während der Grund des Ersuchens betreffend Herbert Kickl Vorwürfe des Verdachts der Falschaussage im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch", unter anderem zu Inseraten der Freiheitlichen und zur Werbeagentur "Ideenschmiede" sind, besteht bei den drei anderen FPÖ-Politikern der Verdacht auf Verstoß gegen das NS-Verbotsgesetz. Hintergrund ist ihre Teilnahme an einem Begräbnis, bei dem ein auch von der "Schutzstaffel SS" verwendetes Lied gesungen worden sein soll.
Mit den Stimmen der Nationalratsabgeordneten von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen wurde ihre parlamentarische Immunität aufgehoben. Die FPÖ stimmte in allen vier Fällen dagegen.
Kickl-Auslieferung für FPÖ "Verfolgungsjustiz" der RegierungsparteienBei der Debatte rund um die behördliche Verfolgung des freiheitlichen Klubobmanns und Nationalratsabgeordneten Herbert Kickl erläuterte zunächst FPÖ-Mandatar Christian Ragger, warum seine Partei dem von der WKStA ausgehenden Begehren die Zustimmung verweigere. Herbert Kickl sei bei der Befragung im Untersuchungsausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" am 11. April 2024 als Klubobmann und Nationalratsabgeordneter aufgetreten und daher schon unter Immunität gestellt gewesen. Der politische Zusammenhang sei eindeutig. Im Immunitätsausschuss werde "ein politisches Tribunal" gefasst. Es komme dort immer wieder "zu einer Verfolgungsjustiz durch die jeweiligen in der Regierung sitzenden Parteien", der Auslieferungsantrag sei deshalb "banal gestellt worden", zeigte sich Ragger überzeugt.
Für Christoph Zarits (ÖVP) ist der Vorwurf gegen Kickl "sehr schwerwiegend". Der ÖVP-Mandatar wies auf Diskrepanzen zwischen Aussagen des FPÖ-Klubobmanns im U-Ausschuss für "SPÖ- und FPÖ-Korruption" und bekannten Chats hin. Zarits betonte, dass Kickl als Auskunftsperson nicht befragt worden sei für seine Zeit als Abgeordneter, sondern für die Zeit als Innenminister, "deshalb greift der Schutz der Immunität da nicht."
SPÖ-Mandatarin Selma Yildirim, betonte, dass im Immunitätsausschuss nicht "in der Sache entschieden wurde, ob es eine strafbare Handlung" gegeben habe, sondern lediglich ob der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit gegeben werde, zu ermitteln. "Jeder, der unter Verdacht steht, müsste froh sein, dass es zu einer Aufklärung kommt", zeigte sie sich überzeugt. Die außerberufliche Immunität diene sicher nicht dazu, dass sich Abgeordnete im Nationalrat, die unter Verdacht einer strafbaren Handlung stünden, sich hinter dieser verstecken könnten, so Yildirim.
Breite Mehrheit für Auslieferung der FPÖ-Abgeordneten Graf, Nemeth und StefanVor der heutigen Sitzung des Nationalrats hatte der Immunitätsausschuss mit Mehrheit aller Fraktionen außer der FPÖ festgestellt, dass ein Vorfall, der im Mittelpunkt einer Anzeige gegen drei FPÖ-Abgeordnete steht, keinen Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit der Abgeordneten aufweist. Damit bestehe auch kein Hindernis für eine behördliche Strafverfolgung der Abgeordneten Martin Graf, Norbert Nemeth und Harald Stefan, befand nun auch das Nationalratsplenum. Der Vorwurf gegen die Abgeordneten lautet, sie hätten bei einem Begräbnis ein Lied gesungen, das mit dem sogenannten "Treueschwur" der SS in Verbindung steht.
ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl kritisierte den Versuch der FPÖ, die Strafverfolgung des Abgeordneten Graf mit dem Hinweis auf seine Tätigkeit als Mitglied des Europarats zu verzögern. Zu denken gebe ihm auch, dass das Ersuchen auf Auslieferung der Abgeordneten "auf komische Art" im Büro des Nationalratspräsidenten liegen geblieben sei. Der Nationalratspräsident habe damit ganz klar das Geschäftsordnungsgesetz "nicht vollzogen".
Nationalratspräsident Rosenkranz erteilte Abgeordnetem Gerstl für dessen in Richtung der FPÖ getroffenen Vorwurf der "Scheinheiligkeit" einen Ordnungsruf. Zudem entspreche die Aussage, er habe Dokumente "liegen gelassen" entspreche nicht den Tatsachen, betonte Rosenkranz. Dieser Vorwurf werde auch noch Gegenstand von medienrechtlichen Verfahren sein. Er erwarte sich nach der Klärung des ungerechtfertigten Vorwurfs daher eine Entschuldigung des Abgeordneten Gerstl.
In einer Meldung zur Geschäftsordnung befand ÖVP-Abgeordneter Christoph Stocker, die Art und Weise, in der Nationalratspräsident Rosenkranz Abgeordneten Gerstl aufgefordert habe, sich bei ihm zu entschuldigen, sei geeignet, das Vertrauen in seine Amtsführung weiter zu beschädigen. Der Klubobmann der Grünen Werner Kogler appellierte an den Nationalratspräsidenten, auch dann, wenn er sich persönlich verteidige, das freie Mandat der Abgeordneten zu respektieren.
Sabine Schatz (SPÖ) sagte, die Justiz werde klären, ob auf diesem Begräbnis tatsächlich das so genannte SS-Treuelied gesungen worden sei. Es hinterlasse einen "fahlen Beigeschmack", dass es ausgerechnet bei diesen Auslieferungsbegehren zu einer Verzögerung gekommen sei. Sollte sich der Vorwurf erhärten, erwarte sie sich entsprechende Konsequenzen. Das werde "die demokratiepolitische Nagelprobe für die FPÖ unter Herbert Kickl sein". Auch SPÖ-Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ) kritisierte "die Versuche der Verzögerung" der Strafverfolgung und betonte, dass es im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung zu entsprechenden Konsequenzen kommen müsse.
Lukas Hammer (Grüne) betonte, die Immunität von Abgeordneten könne aus guten Gründen nur in dem Fall aufgehoben werden, wenn kein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit bestehe. Der Besuch des fraglichen Begräbnisses falle zweifellos nicht unter politische Tätigkeit. Ein Video belege zudem, dass nicht, wie behauptet, die "Originalversion" des Liedes gesungen worden sei. Sollte es sich tatsächlich um das "Treuelied" der SS gehandelt haben, wäre das ein Verstoß gegen das NS-Verbotsgesetz.
Wendelin Mölzer (FPÖ) betonte, es gebe verschiedene Fassungen des Liedes "Wenn alle untreu werden". Das Lied sei zwar vom NS-Regime missbraucht worden, habe aber per se nichts mit dessen Ideologie zu tun. Vielmehr seien bestimmte Versionen des Lieds sogar vom Widerstand gegen das NS-Regime verwendet worden. Die Anzeige selbst sei auf fragwürdige Weise zustande gekommen und es stelle sich die Frage, ob es hier nicht in erster Linie darum gehe, die FPÖ zu diskreditieren und "in ein gewisses Eck zu stellen". Die Aussage, dass es sich bei dem gesungenen Lied um die als SS-Treuelied bekannte Version gehandelt habe, sei "wirklich ein Unfug". (Schluss Nationalrat) map/sox
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