EU-Parlament: Kickl, Orban und Babis kündigen Fraktion an

2 Tage vor

EU-Parlament

Die bei der EU-Wahl siegreichen rechten Parteien aus Österreich, Ungarn und Tschechien wollen gemeinsam eine EU-Fraktion gründen. Das gab FPÖ-Chef Herbert Kickl am Sonntag bei einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem ungarischen Premier Viktor Orban und dem tschechischen Ex-Premier Andrej Babis in Wien bekannt. Diese „patriotische“ Allianz solle bald weitere Mitglieder bekommen, hieß es.

Kickl - Figure 1
Foto ORF

Online seit heute, 12.21 Uhr (Update: 14.10 Uhr)

Die FPÖ, Orbans rechtsnationale FIDESZ und Babis’ liberalpopulistische Partei ANO haben die Europawahl vor drei Wochen in ihren Ländern gewonnen. Kickl bezeichnete die am Sonntag vorgestellte Allianz als eine „Trägerrakete“. Andere Parteien auf europäischer Ebene würden an Bord genommen.

Orban kündigte ebenfalls an, dass die Fraktion „raketenmäßig“ sein werde und bald „die stärkste rechtsgerichtete Vereinigung“ der europäischen Politik. Der ungarische Premier schien damit auf die größere Rechtsfraktion EKR (Europäische Konservative und Reformer) anzuspielen, die mit 83 Abgeordneten drittstärkste Kraft im EU-Parlament hinter der konservativen EVP und den Sozialdemokraten ist.

„Patriotisches Manifest“ unterzeichnet

Die drei Spitzenpolitiker unterzeichneten ein „patriotisches Manifest“, das Basis der Zusammenarbeit sein soll. Babis erklärte die Ziele der Allianz „Patrioten für Europa“ („Patriots for Europe“): die Verteidigung der Souveränität der Länder, der Kampf gegen illegale Migration und die Revision des „Green Deal“.

Babis, Orban, Kickl und der FPÖ-EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky (v. l. n. r.) bei der Presseerklärung

Die europäische Klimaschutzpolitik habe die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Wirtschaft bedroht, sagte Babis. Und Orban ergänzte: „Was jetzt in Brüssel läuft, ist keine grüne Politik, sondern eine giftgrüne Politik. Damit werden wir nicht geheilt, sondern vergiftet.“

Frist bis 3. Juli

Gemäß EU-Wahlergebnis verfügt die FPÖ über sechs Sitze, ANO über sieben Sitze und die Liste FIDESZ-KDNP über elf Sitze im neuen EU-Parlament. Die erforderlichen 23 Mandate für die Gründung einer Fraktion bringen die drei Gruppierungen alleine zusammen. Sie brauchen allerdings noch Mitstreiter aus mindestens vier weiteren EU-Staaten. Die Frist zur Anmeldung läuft bis zum 3. Juli. Allerdings konstituiert sich das Parlament formal erst am 16. Juli.

Kickl, Orban und Babis kündigen EU-Fraktion an

Die bei der EU-Wahl siegreichen rechten Parteien aus Österreich, Ungarn und Tschechien wollen gemeinsam eine EU-Fraktion gründen.

Die FPÖ gehörte bisher der kleineren europaskeptischen Fraktion Identität und Demokratie (ID) an. ANO war nach der EU-Wahl aus der liberalen Fraktion ausgetreten. FIDESZ war in der vergangenen Legislaturperiode nach jahrelangem Streit über die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn aus der Europäischen Volkspartei (EVP) ausgestiegen und ist seither fraktionslos.

Frage nach Reaktion von RN, Lega und Co.

Unklar ist, wie sich die bisherigen Fraktionspartner der FPÖ zu der geplanten neuen Allianz positionieren werden. Schwergewicht in der ID-Fraktion mit 30 Abgeordneten ist die Partei Rassemblement National (RN) der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen. Weiters gehören der ID die italienische Lega von Vizepremier Matteo Salvini und die Freiheitspartei (PVV) des niederländischen Wahlsiegers Geert Wilders an.

Parteien von Fico und Jansa mögliche Interessenten

Welche Parteien der Allianz konkret beitreten wollen, wurde am Sonntag in Wien nicht gesagt. Ungarische Medien nannten zuletzt etwa die Partei Smer-SSD des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, die Slowenische Demokratische Partei (SDS) des ehemaligen Ministerpräsidenten Janez Jansa und die polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) als mögliche Mitglieder.

In einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ bezifferte der ehemalige polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (PiS) am Freitag die Chancen, dass seine Partei einer neuen Fraktion beitritt, mit 50 Prozent, meldete die polnische Nachrichtenagentur PAP. Morawieckis Partei zählt mit 20 Abgeordneten zu den führenden Kräften der EKR.

AfD hält sich Option offen

Die AfD hält sich eine Mitarbeit an der Fraktion offen. Sie biete der AfD „neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Parteien“, sagte ein Sprecher von Parteichefin Alice Weidel am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP am Rande des Bundesparteitags in Essen. Die Parteienlandschaft im rechten Spektrum sei „in Bewegung“ geraten, und es seien damit für die AfD mehrere Optionen „auf dem Markt“, sagte der Sprecher weiter. Eine Entscheidung gebe es noch nicht.

Lega-Chef Salvini begrüßte die neue Allianz. Seine Partei arbeite schon „seit Jahren“ daran, ein möglichst starkes, patriotisches und kohärentes Bündnis zu schmieden. „Wir begrüßen die heutigen Äußerungen anderer Parteichefs, dass sie bereit (zur Zusammenarbeit, Anm.) sind“, sagte Salvini.

Sobotka ortet „Parteitaktik“

In Österreich reagierten ÖVP, Grüne, SPÖ und NEOS. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte in der ORF-„Pressestunde“: „Die Rechtsrechten formieren sich immer wieder anders. Das ist der Parteitaktik geschuldet.“

Kogler: „Kickl will Österreich zu Orbanistan machen“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte in einer Stellungnahme, der gemeinsame Auftritt des FPÖ-Chefs mit Babis, „dem regelmäßig unter Korruptionsverdacht stehenden ehemaligen tschechischen Premierminister, und dem ungarischen Ministerpräsidenten und Putin-Verbündeten Viktor Orban zeigt ganz offen, was Kickl will: Er will Österreich zu Orbanistan machen.“ Gemeint sei ein „Weg aus einem gemeinsamen Europa, direkt in die Arme Putins und damit in die Zerstörung von Rechtsstaat und Demokratie“, so Kogler.

SPÖ: Kickl will „illiberale Demokratie a la Orban“

Auch SPÖ-Chef Andreas Babler betonte, das vorgestellte Bündnis zeige, was Österreich drohe, sollte die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen. „Kickl eifert Orban nach und strebt die Einführung einer illiberalen Demokratie a la Orban an“, warnte Babler in einer Aussendung. „Orbans Politik steht für ein Europa der Mauern und Abschottung, in dem das Asylrecht boykottiert wird.“ Babler bekräftigte seine Ankündigung, Ungarn wegen seiner restriktiven Asylpolitik zu klagen, sobald die SPÖ in der Regierung sei.

NEOS: „Koalition der Zukunft- und Europazerstörer“

NEOS-Klubobfrau und Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger sprach von einer „Koalition der Zukunft- und Europazerstörer“. Dass Orban nicht davor zurückscheue, die Pressefreiheit und demokratische Strukturen offen anzugreifen und sein Land in einen Korruptionssumpf zu stürzen, hätten die vergangenen Jahre bereits klar gezeigt. Dass aber ausgerechnet die FPÖ mit jemandem koalieren wolle, der wie Orban nicht zuletzt auch österreichische Unternehmen in Ungarn drangsaliere, sei „ein neuer Höhepunkt der Falschheit“.

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