Der 35-jährige Parteimanager der deutschen Sozialdemokraten gibt mangelnde Energie als Grund für seinen überraschenden Rücktritt an, er werde auch bei der Bundestagswahl in einem Jahr nicht antreten, schreibt er an alle SPD-Parteimitglieder.
In der deutschen SPD werden personelle Weichen neu gestellt. Rund ein Jahr vor der Bundestagswahl und mit einer Kanzlerpartei in der Krise tritt ihr Generalsekretär, Kevin Kühnert zurück. In einem Schreiben an die Parteimitglieder nannte er unter anderem seine angeschlagene Gesundheit als Grund. „Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden“, schreibt Kühnert.
An seine Partei und einen Wahlsieg im Herbst 2025 glaubt Kühnert dem Brief zufolge noch immer. „Die Chancen für die SPD ergeben sich dabei aber nicht aus Abwarten, sondern einzig und allein aus Anpacken“. Er selbst sei dieser Kraftanstrengung derzeit aber nicht gewachsen. „Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin.“
Die SPD-Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil habe er „vor wenigen Tagen“ informiert. Er danke den beiden für „ihr Verständnis und ihre Empathie“ und die gute Zusammenarbeit. Kühnert werde auch bei der kommenden Bundestagswahl nicht antreten. Eine Entscheidung, die ihn „Überwindung gekostet“ habe.
Parteichef Klingbeil dankte in einem kurzen Statement vor Pressevertretern Kühnert für seinen „unermüdlichen Einsatz“ für die SPD. Und „Politik ist nicht alles“, man begleite Kühnert auch auf seinem weiteren Weg. Er selbst wisse, wie fordernd er Politikbetrieb im Alltag sei. Den Wechsel an der Partei-Schaltstelle wolle man nun professionell in die Wege leiten. „Ich wünsche Kevin Kühnert jetzt die notwendige Ruhe, damit er wieder gesund werden kann“, pflichtet ihm seine Co-Vorsitzende, Saskia Esken, bei. Schon Montagabend will die Parteispitze einen Vorschlag für Kühnerts Nachfolge dem Parteipräsidium vorlegen. Namen wollten die SPD-Chefs vorerst nicht nennen, erst nach der Sitzung am Montagabend. Für Kühnert stehe immer eine Tür offen, so Esken. Krankheit sei außerdem „Privatsache“, appellierte sie an die Medienvertreter, Kühnert „Raum und Zeit“ zu geben, um gesund zu werden.
Ampel in der KriseDie deutsche Ampel-Koalition bestehend aus SPD, Grünen und liberaler FDP ist seit Monaten in der Krise. Die jüngsten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben den drei Parteien teils massive Einbußen gebracht. Lediglich in Brandenburg konnte die SPD mit Ministerpräsident Dietmar Woidke einen kleinen Sieg über die Rechtspartei AfD für sich verbuchen - auch wenn Woidke die Bundespolitik und Kanzler Olaf Scholz so gut wie möglich von sich fern hielt.
In der Debatte um das Fortbestehen der Ampel-Koalition auf Bundesebene forderte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zuletzt ein eindeutiges Zeichen der FDP. „Für uns wäre wichtig, dass es dann aber auch ein klares Wort der FDP-Führung danach gibt, woran man ist“, sagte Kühnert vor zwei Wochen im ARD-„Morgenmagazin“. FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte am Brandenburg-Wahlabend bei „Welt TV“ gesagt, entweder es gelinge, in den nächsten Wochen in der Ampel-Koalition „einen vernünftigen gemeinsamen Nenner zu finden oder es macht für die Freien Demokraten keinen Sinn mehr, an dieser Koalition weiter mitzuwirken“. Außer dem Rücktritt der Grünen-Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang im September gab es in den drei Parteien aber bisher kaum Konsequenzen.
Vom jungen Parteirebell zum Generalsekretär der SPDDer 35-jährige Kühnert stand von Ende 2017 bis Anfang 2021 an der Spitze der Jusos, der Jugendorganisation der SPD. In dieser Zeit wurde er deutschlandweit bekannt - unter anderem, weil er eine Kampagne gegen eine Große Koalition aus christdemokratischer Union und SPD organisierte. Sein größter Erfolg war dann die Unterstützungskampagne für das Duo Esken und Norbert Walter-Borjans, die sich auch dank der Unterstützung der Parteijugend 2019 im Ringen um den Parteivorsitz gegen Klara Geywitz und den jetzigen Bundeskanzler Olaf Scholz durchsetzten. Kühnert selbst rückte damals zum Parteivize auf.
Kevin Kühnert und Olaf Scholz beim ordentlichen Bundesparteitag der SPD mit der Wahl eines neuen Vorstands in Berlin am 11. Dezember 2021, bei dem Kühnert zum Generalsekretär gewählt wurde. Imago / Frederic Kern Via Www.imago-images.de
Mit Kanzler Olaf Scholz hat er mit Amtsantritt als Generalsekretär 2021 offensichtlich seinen Frieden gemacht. Auf dem Bestellungs-Parteitag hatte der neue Generalsekretär vor „grotesken Zerrbildern“ gewarnt, wonach Parteispitze oder Jusos den neuen Kanzler „an die kurze Leine nehmen“ wollten.
Als Generalsekretär wolle er „Anwalt der Partei, Hüter und Treiber ihrer Programmatik und Kommunikator gegenüber einer demokratischen Öffentlichkeit“ sein, hob Kühnert in seiner Bewerbungsrede hervor. Allerdings nannte er auch Themen und Konflikte, an denen die Partei weiter arbeiten solle, wie die Ausfüllung des Begriffs „Recht auf Arbeit“ und die Definition einer „gemeinwohlorientierten Bodenpolitik“. (APA/Red.)