Kühnert war am Montag war aus gesundheitlichen Gründen von seiner Position als Generalsekretär der SPD zurückgetreten.
Nach nur ein paar Stunden steht der Nachfolger von Kevin Kühnert fest: Der Energie- und Klimapolitiker Matthias Miersch wird der neue Generalsekretär der SPD. Wie Kühnert gilt er als Parteilinker. Kühnert war am Montag, gut ein Jahr vor der deutschen Bundestagswahl, aus gesundheitlichen Gründen von seiner Position zurückgetreten.
Die Energie, die für sein Amt und einen Wahlkampf nötig sei, brauche er auf absehbare Zeit, um gesund zu werden, schrieb der 35-Jährige. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich nicht um körperliche, sondern mentale Probleme. „Deshalb ziehe ich die Konsequenzen“, erklärte Kühnert. Auch für den deutschen Bundestag werde er nicht erneut kandidieren. Für die deutschen Sozialdemokraten ist es ein Schlag: Sie verliert in einer strategisch wichtigen Phase ihren Wahlkampf-Manager - und vorerst eins ihrer größten politischen Talente.
Für die Partei kam der Schritt offenkundig nicht überraschend. Die noch am Abend tagenden Parteigremien stimmten dem Vorschlag der Parteichefs zu: Kommissarisch soll mit Miersch einer der Vizevorsitzenden der Bundestagsfraktion den Posten des Generalsekretärs übernehmen. Offiziell könnte der Niedersachse dann beim Parteitag im Sommer gewählt werden, auf dem die SPD auch ihren Kanzlerkandidaten küren will.
Verfechter der EnergiewendeMit Matthias Miersch als neuem SPD-Generalsekretär bekommt der linke Flügel der deutschen Sozialdemokraten einen neuen Vertreter in einer prominenten Position. Denn der 55-jährige Jurist aus Hannover ist in der Bundestagsfraktion nicht nur stellvertretender Vorsitzender, sondern seit 2015 auch Sprecher der sogenannten Parlamentarischen Linken. In der parlamentarischen Arbeit gilt der Jurist als versiert und erfahren.
Er hatte etwa in der Debatte um das umstrittene Heizungsgesetz maßgeblich Nachbesserungen an dem Regierungsentwurf durchgesetzt. In den vergangenen Monaten war Miersch immer wieder auch als möglicher Nachfolger von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Gespräch gewesen.
Die Wahl dürfte auch deshalb auf Miersch gefallen sein, weil er als versierter Experte auf dem Gebiet der Energie-, Industrie-, Klima- und Wirtschaftspolitik gilt. Dies wird angesichts der erwarteten Wahlkampf-Auseinandersetzung mit Union und Grünen auf diesen Feldern als wichtig angesehen.
Keine leichte AufgabeMierschs Aufgabe soll die schnelle Organisation des Bundestagswahlkampfes der SPD sein. Sein am Montag zurückgetretener Vorgänger Kevin Kühnert - wie die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken ebenfalls ein Vertreter des linken Parteiflügels - hatte von einer schweren Aufgabe gesprochen, die Partei bis zur Bundestagswahl angesichts des Umfragetiefs und „niedrigem Selbstbewusstsein“ wieder aufzubauen. Ziel ist es dabei, dass die Partei erneut stärkste Kraft wird - obwohl die Union derzeit doppelt so viel Zustimmung bekommt. Miersch, der seit 2013 dem Parteivorstand angehört, soll die SPD nach Angaben aus Parteikreisen schnell kampagnenfähig machen. Miersch, der seine politische Karriere als Kommunalpolitiker startete, ist seit 2005 stets mit einem Direktmandat in den Bundestag eingezogen und gewann seinen Wahlkreis Hannover-Land II 2021 mit 40,7 Prozent.
Ähnlich wie Kühnert gilt auch Miersch nicht unbedingt als Fan von Kanzler Olaf Scholz, sondern dürfte diesen mit Forderungen der Partei konfrontieren, dass Scholz ein stärkeres sozialdemokratisches Profil zeigen müsse. Als Fraktionsvize hatte Miersch den Kanzler mehrfach - allerdings vergeblich - aufgefordert, einen Industriestrompreis in der Ampel durchzusetzen, um die Unternehmen von hohen Stromkosten zu entlasten. Wie seine Partei ist auch Miersch ein energischer Verfechter einer Reform der Schuldenbremse, um mehr Investitionen etwa in die Infrastruktur zu ermöglichen.
Mit Miersch verstärkt sich die starke Präsenz der Politiker aus Niedersachsen in der SPD auf Bundesebene weiter. So stammen auch Arbeitsminister Hubertus Heil und Verteidigungsminister Boris Pistorius aus Niedersachsen - ebenso wie SPD-Co-Chef Lars Klingbeil.
Bei Wahlkampf könnte jemand einspringenAlle Aufgaben des scheidenden Generalsekretärs Kühnert wird der Niedersachse aber voraussichtlich nicht - oder zumindest nicht allein - übernehmen. Es deutet sich an, dass Parteichef Lars Klingbeil bei der Organisation des Wahlkampfes mit einspringt. Denn er war der Kopf des erfolgreichen Wahlkampfs vor der vergangenen Bundestagswahl. „Meine feste Überzeugung ist es, dass man Erfolg organisieren kann“, sagte Klingbeil nun. Das deutet darauf hin, dass er selbst eine aktivere Rolle in der Strategieplanung einnehmen könnte.
Für die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP könnte die Neubesetzung in der Führung der Sozialdemokraten weitere Turbulenzen bedeuten. Denn nicht nur die SPD, auch die Grünen müssen sich nach dem Rückzug des gesamten Vorstands neu finden.
Der scheidende Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour wünschte Kühnert im Namen seiner Partei vollständige Genesung und bedankte sich für die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ in den vergangenen drei Jahren. Anders als bei den Grünen hatte Kühnerts Entscheidung augenscheinlich nichts mit schlechten Wahlergebnissen zu tun - auch wenn er nach der SPD-Schlappe bei der Europawahl in der Kritik stand.
Keine einfache RolleKühnerts Rolle in der SPD wird nicht einfach zu übernehmen sein. Der junge Berliner ist seit 2021 Generalsekretär der Sozialdemokraten und zog im selben Jahr in den Bundestag ein. Zuvor galt er jahrelang als oberster Querulant der SPD. Er war das Gesicht der No-GroKo-Kampagne von 2018, wollte als Juso-Chef eine Regierung aus Union und SPD verhindern. Bei der Wahl zum SPD-Vorsitz 2019 unterstütze er das linke Duo aus Esken und ihrem Mitbewerber Norbert Walter-Borjans - zusammen gewannen sie. Kühnert wurde daraufhin zum Parteivize gewählt.
Meinungsstark ist er seitdem geblieben. Kühnert trat für die SPD zuletzt in zahlreichen Talkshows an, äußerte sich dort aber bedachter und, so scheint es, schluckte für den Erfolg seiner Partei auch einiges runter. „Er hat entscheidend dazu beigetragen, dass es Stabilität in der SPD gab und er hat entscheidend dazu beigetragen, dass unsere Partei sich weiterentwickelt hat in den letzten Jahren“, betonte Klingbeil.