Nehammer „zutiefst empört“ über Pro-FPÖ-Demo am 9. November ...

18 Tage vor

Just am Jahrestag der „Reichspogromnacht“ sollte eine Demonstration von Gegnern einer Koalition ohne FPÖ stattfinden. Die Veranstalter kündigten nach scharfer Kritik eine Verschiebung an.

Am Heldenplatz in Wien sind am Nationalfeiertag über 1000 Rekruten, darunter 27 Frauen, feierlich angelobt worden. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) rief dazu auf, die „wehrhafte Demokratie“ zu verteidigen und verurteilte einmal mehr scharf eine für 9. November geplante Demonstration von Gegnern einer Koalition ohne FPÖ. Das Datum ist historisch belastet, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 begannen mit der „Reichspogromnacht“ tagelange Gewaltmaßnahmen gegen Juden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schloss sich der Kritik an. Die Veranstalter kündigten unterdessen eine Verschiebung der Kundgebung an.

Der 9. November sei „einer der ernsthaftesten Gedenktage, den wir haben“, unterstrich Nehammer. Er erinnerte an die nationalsozialistischen Novemberpogrome 1938, als Juden „erniedrigt, geschändet, ermordet“ wurden. Es habe Menschen gegeben, die Widerstand geleistet haben, und Alliierte, die Österreich befreit haben. Es sei wichtig, die wehrhafte Demokratie zu verteidigen, deshalb müsse man ein Zeichen setzen. Er erwarte sich deshalb „von allen politischen Parteien“, sich von der Demo an diesem Tag zu distanzieren, erklärte Nehammer.

Der Eid der Soldaten auf die Verfassung habe eine große Bedeutung, verwies Nehammer darauf, dass die Demokratie unter Druck gesetzt werde, es Krieg in Europa gebe und Desinformationskampagnen Destabilisierung und Unruhe stiften sollen. „Wehrhafte Demokratie“ bedeute auch, einem freiheitsliebenden Land zu dienen, das aus seiner Geschichte gelernt habe. Er sei deshalb „zutiefst empört“, dass eine Gruppierung den 9. November für eine Großdemonstration unter dem Motto „Macht euch bereit“ nutzen wolle.

Van der Bellen schließt sich Nehammers Kritik an

Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte in seiner Rede, dass er Nehammers Auffassung zu der Demonstration, die „ausgerechnet am 9. November“ stattfinden soll, „vollinhaltlich teile“. Das Staatsoberhaupt, das auch Oberbefehlshaber ist, hob außerdem hervor, dass ein leistungsfähiges Bundesheer ein unverzichtbarer Teil der notwendigen staatlichen Resilienz sei. Deshalb sei auch ein entsprechendes Budget fürs Heer notwendig, und er sei zuversichtlich, dass das Parlament ein solches auch weiterhin gewährt, meinte Van der Bellen.

Die massive Kritik zeigte Erfolg: Die Veranstalter der Demonstration kündigten am Samstag „wegen zu erwartender Ausschreitungen“ in ihren Online-Kanälen die Verschiebung der Demonstration auf Ende November an.

Die Ministerin für Landesverteidigung Klaudia Tanner (ÖVP) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen, im Rahmen des Nationalfeiertages.

Die Ministerin für Landesverteidigung Klaudia Tanner (ÖVP) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen, im Rahmen des Nationalfeiertages. APA / BUNDESHEER / Peter Lechner

Ludwig betont „große Bedeutung“ der Neutralität

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hob die „große Bedeutung“ der Neutralität gerade in Krisenzeiten wie diesen hervor. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) betonte, man habe in den vergangenen Jahren manchmal vergessen, dass es auch darum gehe, die Neutralität mit allen Mitteln auch verteidigen zu können. „Dank Ihrer budgetären Mittel“ gehe es nun wieder vorwärts mit dem Heer, so habe man moderne Ausstattung angeschafft - „nicht zum Selbstzweck“, erklärte die Ministerin, sondern um die Bevölkerung beschützen und verteidigen zu können sowie um zu helfen.

Kranzniederlegung am Heldenplatz

Der Nationalfeiertag hatte am Samstagvormittag wie jedes Jahr mit den traditionellen Kranzniederlegungen begonnen. Bundespräsident Van der Bellen und die Bundesregierung gedachten am Äußeren Burgtor der toten Soldaten und Opfer des Widerstandes. Bei nebligem Herbstwetter startete zugleich das umfangreiche Feiertagsprogramm rund um den Heldenplatz.

Vizekanzler Werner Kogler (GRÜNE) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Rahmen des Nationalfeiertages bei der Kranzniederlegung in der Krypta am Äußeren Burgtor.

Vizekanzler Werner Kogler (GRÜNE) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Rahmen des Nationalfeiertages bei der Kranzniederlegung in der Krypta am Äußeren Burgtor. APA / BKA / Christopher Dunker

Österreich feiert am Nationalfeiertag die „immerwährende Neutralität“, die der Nationalrat am 26. Oktober 1955 beschlossen hat. Die offiziellen Feierlichkeiten begannen mit der Bundeshymne und dem Abschreiten der Ehrenkompanie der Garde durch Oberbefehlshaber Van der Bellen und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). Danach legten sie Kränze im Weiheraum beim Äußeren Burgtor nieder. Das Prozedere wiederholte sich wenig später mit der scheidenden türkis-grünen Bundesregierung mit Karl Nehammer (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) an der Spitze.

Parteien präsentieren sich im Hohen Haus

Neben der Leistungsschau des Heeres mit Hubschraubern und Panzern zum Angreifen öffnen zahlreiche Institutionen und Ministerien ihre Tore. So durfte sich neu gewählte Nationalratspräsidium am Nationalfeiertag bereits in Kernaufgaben üben: Beim Tag der Offenen Tür des Parlaments wurden Hände geschüttelt und mit Besucherinnen und Besuchern geplaudert. An die 10.000 Gäste werden am Samstag erwartet. Zum ersten Mal trat dabei der Freiheitliche Walter Rosenkranz als Hausherr auf.

Im Parlament präsentierten sich auch die Klubs und andere Institutionen des 2023 nach der Sanierung wieder eröffneten Hohen Haus. Nicht nur das Nationalratspräsidium, bestehend aus Rosenkranz, Peter Haubner (ÖVP) und Doris Bures (SPÖ), begrüßte zu Beginn des Tages der Offenen Tür die ersten Besuchergruppen. Auch Bundesratspräsident Franz Ebner (ÖVP) und Parlamentsdirektor Harald Dossi hatten sich in der Agora des Besucherzentrums positioniert. Etwas abseits des Protokolls war auch der SPÖ-Klub, angeführt von Andreas Babler, aufgetaucht.

Babler, der seit Freitag mit der ÖVP für eine mögliche Koalition sondiert, strich in seiner Videobotschaft dagegen einmal die Notwendigkeit einer Regierungsbeteiligung seiner Partei hervor. Angesichts der großen Herausforderungen – von der Gesundheitsversorgung, Inflation, Konjunktur bis zu Kinderrechten –, vor denen Österreich stehe, müsse es weitergehen, „aber nicht weiter wie bisher“, so Babler.

FPÖ-Chef Kickl nutzte seine Videobotschaft zum Nationalfeiertag zuvor dazu, auf eine blaue Regierungsbeteiligung zu pochen. Er verglich den Weg der FPÖ an die Regierung mit dem Weg Österreichs zu Freiheit und Souveränität - der „lang und steinig, aber am Ende erfolgreich war“. Der „Weg zur politischen Erneuerung, mit der das Volk wieder in den Mittelpunkt allen politischen Handelns gestellt wird“, lasse „sich verzögern, aber es lässt sich nicht stoppen oder gar verhindern.“ Die Hand bleibe weiter für Verhandlungen ausgestreckt“, so Kickl in Richtung ÖVP.

Äpfel, Schokotaler und Anti-Stress-Bälle

Eigentlich hatten sich die fünf Parlamentsklubs in der Säulenhalle aufgebaut, wo auch hin und wieder ihre Spitzen vorbei schauten. Auch kleine Präsente für die Besuchergruppen gab es: Die SPÖ verteilte Äpfel, die ÖVP Schokotaler und die FPÖ Anti-Stress-Bälle. Der blaue Klub hinter dem Parlamentsgebäude servierte außerdem Pizza und Gulasch. Ganz parteifrei durften die Besucherinnen und Besucher bei den Führungen einen Sticker-Pass bestücken.

Bei der Präsidentschaftskanzlei trat Van der Bellen gemeinsam mit Ehefrau Doris Schmidauer vor die Türen. Begleitet von der Musik der Justizwache winkten sie in die Menge und schüttelten ein paar Hände. Zeit für einige Fotos mit den Besuchern war auch. Gäste können die Amts- und Repräsentationsräumlichkeiten besuchen und einiges über die Aufgaben des Präsidenten erfahren. (APA)

Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Rahmen des Nationalfeiertages bei der Begrüßung von "Gästen" am "Tag der offenen Tür" in der Wiener Hofburg.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Rahmen des Nationalfeiertages bei der Begrüßung von "Gästen" am "Tag der offenen Tür" in der Wiener Hofburg. APA / BUNDESHEER / Peter Lechner

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