Elefantenrunde im ORF: Erst beim Thema Asyl wurde es emotional
Einmal ging’s noch: Nach einer Unzahl an TV-Duellen und Elefantenrunden im Fernsehen und auf manch anderer Bühne, trafen die Spitzenkandidaten und die Spitzenkandidatin der Parlamentsparteien Donnerstagabend ein letztes Mal vor der Nationalratswahl im ORF aufeinander.
Mehr als zwei Stunden Sendezeit bekamen Karl Nehammer (ÖVP), Herbert Kickl (FPÖ), Andreas Babler (FPÖ), Beate Meinl-Reisinger (Neos) und Werner Kogler (Grüne) um zu erklären, wofür sie inhaltlich brennen und warum sie gewählt werden wollen.
Den Beginn machte die Frage des leistbaren Lebens bzw. der Steuer- und Budgetpolitik. Immerhin sagen Wirtschaftsforscher, dass die nächste Bundesregierung jedenfalls ein Sparpaket schnüren muss.
Was meint dazu Karl Nehammer? „Es braucht Wachstum und Effizienz“, lautet die Antwort des Bundeskanzlers. Aus seiner Sicht sei nötig, das Budget zu stabilisieren - aber auch Investitionen nach Österreich zu bringen - etwa, indem die Lohnnebenkosten gesenkt werden.
Andreas Babler beschrieb eingangs zwei Ansätze: Keine neue Steuern, die von Mittelständlern bezahlt werden, sondern: von Superreichen. Sein zweiter Punkt: „Ja, wir müssen einsparen.“ Wo? Bei Steuergeschenken für Groß-Konzernen. Und es sei selbstverständlich, dass man bei Koalitionsverhandlungen für Erbschafts- und Reichensteuern eintrete.
FPÖ-Chef Herbert Kickl machte bei der Frage der Wirtschaftspolitik deutlich, dass er die Abgaben- also Steuerquote deutlich senken will. Wie er das schaffen möchte? Ehe der FPÖ-Chef darauf einging, erinnerte er daran, dass mit der FPÖ in der Regierung ein Plus im Budget möglich gewesen sei - und man sich nunmehr „im freien Fall“ befinde. Was also tun? Kickl will sofort die „Bestell-Liste“, also geplante Budgetposten, darunter etwa Skyshield, die Hilfe für die Ukraine oder auch die Entwicklungszusammenarbeit hinterfragen bzw. abschaffen.
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Beate Meinl-Reisinger begann überraschend - und zwar insofern, als sie sich eingangs bei allen anderen Parteichefs für den bislang fairen Wahlkampf bedankte.
„Sie alle hatten ihre Chance“, lautete anschließend jedoch ihr inhaltlicher Vorhalt - bis auf die Neos seien alle Parlamentsparteien in Regierungsverantwortung gewesen, nötige Reformen seien dennoch nicht passiert. Die Konsequenz: Die Neos wollen einen „optimistischen aber konsequenten“ Reformkurs einschlagen, der Budget im Ausmaß von 20 Milliarden Euro bewegen würde. Für sie gelte die „Mission 40 Prozent“, sprich: Die Steuerbelastung solle auf diesen Faktor sinken.
Und die Grünen und Werner Kogler? Der Vizekanzler sagte anfangs einen seiner Lieblingssätze, nämlich: „Nie zuvor ist im Klimaschutz soviel weitergegangen wie in dieser Regierung.“
Die Emissionen würden schneller sinken als geglaubt. Und was die Einsparungen angeht, erwähnte Kogler geplante Neubauten von Autobahnen, die jedes Jahr vier Milliarden Euro kosten würden und jedenfalls hinterfragt oder vermieden werden müssten.
Dazu passte Thema Nummer 2 - der Umwelt- und Klimaschutz. Werner Kogler war wieder am Wort, er sprach vom Entsiegeln und wies darauf hin, dass just jene Bundesländer die schwersten Schäden nach dem Hochwasser davongetragen haben, die auch den höchsten Bodenverbrauch aufweisen.
Herbert Kickl hörte es - und blieb bei der FPÖ-Position, die da lautet: Energiewende ja, aber nicht in ein, zwei Jahren, sondern längerfristig und mit einem Energiemix, also auch weiterhin mit Verbrenner-Motoren, die ja mit anderen Treibstoffen betrieben werden können.
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Kanzler Nehammer hielt sich in der ersten Stunde lange zurück - um dann mit einer Wortmeldung zum Hochwasser einzusteigen. „Es ist mehr als beeindruckend, dass mehr als 50.000 Freiwillige geholfen haben. Wenn wir über das Hochwasser reden, müssen wir sagen: Es ist mit den Investitionen Europas und auch Österreichs möglich geworden, den Menschen mehr zu helfen.“ Das Thema sei nicht die Bodenversiegelung, sondern der Starkregen. „Der Boden war nicht mehr in der Lage, das Wasser aufzunehmen.“ Bodenschutz sei ein wichtiges Thema. Aber die Länder zu kritisieren sei kontraproduktiv.
„Es war ein Fehler, das alles als hysterisch zu bezeichnen“, sagte Andreas Babler - und meinte damit Nehammer und Kickl. „Wir erleben Kickpunkte. Wir müssen uns überlegen, wie unsere Landwirte ihre Felder bewässern können.“ Es brauche Geld, und nur eines sei retro: „Dass der Markt alles regelt.“ Das war auf Beate Meinl-Reisinger gemünzt, die ihrerseits die Seriosität von Bablers Zahlen - insbesondere in Sachen Vermögens- und Erbschaftssteuern - in Zweifel zog.
Das vermutlich emotionalste Thema überhaupt, die Integration und Migration, begann Herbert Kickl. Der FPÖ-Chef sprach von „Kontrollverlust“ und abermals von der „Festung Europa“. Und er forderte eine „De-Attraktivierung“, damit die neue „Völkerwanderung“ so nicht mehr stattfinde. „Der islamistische Terror und die Gefahren für die Frauen“ würden steigen. An diesem Punkt schüttelte Karl Nehammer heftig den Kopf. „Sie haben als Innenminister gar keine Maßnahme verlängert, die wichtig war“, sagte er zu seinem früheren Koalitionspartner.
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Es ist der erste emotionalere Moment in der Diskussion. Und der erste, wo es persönlich wird. „Ich habe keine Lust in diese Diskussion einzusteigen. Da gibt’s null Kompetenz und Wissen“, sagt etwa Andreas Babler in die Richtung von Nehammer und Kickl.
„Wir wissen, dass Österreich mehr Menschen aufgenommen hat als andere Staaten“, so Babler, „das wollen wir ändern.“ Wenn er, Babler, in die Bevölkerung hineinhöre, dann gebe es ein Problem: „Dass die Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen.“
Wechsel zu den Neos und Beate Meinl-Reisinger: „Ja, wir haben umgedacht“, sagte sie. Und sie gesteht Kickl zu, „ein gutes Sensorium für Probleme“ zu haben. „Sie haben halt keine Lösungen.“
Werner Kogler pflichtete Meinl-Reisinger in vielem bei, ergänzte es aber insofern, als er sagte „Es muss endlich darum gehen, was jemand kann und will - und nicht, wo er herkommt.“
Für Andreas Babler ging es einmal mehr darum, mehr Personal in die Schulen zu bringen. Damit Deutschkurse und vieles andere besser funktionieren könne.
Karl Nehammer verteidigte die Sinnhaftigkeit von Deutschklassen und bekräftigte seine Kritik an Wien. Hier gehe es nicht um Parteipolitik, sondern um das schlichte Faktum, dass Wien die höchste Sozialhilfe bezahle - und damit einen „Pullfaktor“ biete.
Krieg in EuropaAuf der Zielgeraden der Diskussion widmeten sich die Studiogäste der Frage der Sicherheit - und damit von NATO, Neutralität und Ukraine-Hilfe.
„Ich bin der Ansicht, dass sich Europa eigenständig um die Angelegenheiten kümmern und Sorge tragen muss, dass alle Bürger gemeinsam geschützt sind“, so Neos-Chefin Meinl-Reisinger. Um in Frieden zu leben, müsse man „leider Gottes“ wieder wehrhaft sein.
Was ist der Plan der FPÖ? „Die Neutralität ist ein Zukunftsmodell“, sagt Kickl. „Es braucht sie als offensives Modell.“
Das ist eines der Stich- und Reizworte für Karl Nehammer. Denn nachdem Herbert Kickl behauptet, Skyshield sei mit der Neutralität nicht vereinbar, antwortet der ÖVP-Chef so: „Die Schweiz, die untadelig in Fragen der Neutralität ist - sogar für die FPÖ -, ist auch bei Skyshield dabei. Warum? Weil es klug ist.“
Andreas Babler wiederum hat diesbezüglich Bedenken. Er fordert ein Gutachten und Sicherheiten, dass nicht die NATO, sondern eben Österreich selbst die Hoheit über Skyshield und alles, was damit zu tun hat, behält.
Warum haben die Grünen im Budget-Ausschuss nicht zugestimmt? „Weil es um die Frage geht, in welcher Schrittfolge welche Raketen in welcher Reichweite angekauft werden“, antwortet Werner Kogler. „Die Sehnsucht nach Frieden eint uns doch alle.“
Das wäre ein passendes Schlusswort gewesen. Doch die Diskussion ging dann noch ein Weilchen darüber, wer mit wem koalieren kann und will.
Neues brachte das freilich nicht - dass Karl Nehammer und Herbert Kickl keine gemeinsame Regierung bilden wollen, ist seit Wochen, wenn nicht seit Monaten klar.
Die traditionellen Abschlusskundgebungen finden allesamt am Freitag statt. Nur die SPÖ beschließt ihren Wahlkampf erst am Samstag am Victor-Adler-Markt.