Kamala Harris bei Fox News: Schlagfertig, energisch und auf ...
Es war nicht zu erwarten, dass Kamala Harris im Interview mit Fox News leichtes Spiel haben würde. Doch es dauerte keine Minute, da redeten der Moderator Bret Baier und die demokratische Präsidentschaftskandidatin und Vizepräsidentin schon gegeneinander an. Baier, der zu den letzten seriösen Journalisten des Senders gehört, hatte mit dem Thema Migration eröffnet.
Wie viele Migranten in den vergangenen dreieinhalb Jahren ins Land gelassen worden seien? Ob sie die frühen Entscheidungen der Biden-Harris-Regierung zur Migrationspolitik bereue? Ob sie den Familien der von Migranten getöteten Frauen keine Entschuldigung schulde?
Harris kam kaum dazu, ihren Punkt zu machen. Doch sie gab nicht nach und zwang Baier nach Minuten des Durcheinanderredens schließlich zu einem gemäßigteren Gespräch. Mit Donald Trumps Lieblingsthema Migration dürfte die Demokratin bei den Zuschauern von Fox News nur schwer punkten, und so beließ Harris es vor allem dabei, auf das Migrationssystem hinzuweisen, das schon vor Trump „kaputt“ gewesen sei. Außerdem sei es der Republikaner gewesen, der die jüngste Grenzreform im Kongress zugunsten seines Wahlkampfs zum Scheitern gebracht habe.
Medienoffensive für jede Wählerstimme
Kamala Harris’ Interview bei Fox News am Mittwochabend war Teil einer Medienoffensive, die Anfang Oktober begonnen hatte. Nach monatelanger Kritik, dass die Demokratin zu wenig Interviews gebe, hat sie seither mehr als ein halbes Dutzend Auftritte absolviert. Dazu zählen Formate wie der Podcast „Call Her Daddy“, die „Late Show“ mit Stephen Colbert und ein Interview mit dem schwarzen Radiomoderator Charlamagne Tha God.
Jüngst gab es außerdem Meldungen darüber, sie könnte demnächst im Podcast Joe Rogans auftreten. Der hat eine vornehmlich männliche Hörerschaft, bei der Harris in den letzten drei Wochen noch aufholen muss, ist jedoch mit rassistischen Aussagen aufgefallen und hat bisweilen fragwürdige Gäste wie den Verschwörungstheoretiker Alex Jones.
Harris’ Auftritt bei Fox dürfte eine der wenigen Gelegenheiten im Wahlkampf gewesen sein, ihre Positionen unter Hardcore-Trump-Wähler zu bringen. Nach dem unruhigen Start spielte die Demokratin Moderator Baier den Ball souverän zurück. Er fragte, sie antwortete – mit Trump. Da ging es zum Beispiel um einen der jüngsten Wahlkampfwerbespots der Republikaner. Darin heißt es unter Verweis auf eine frühere Aussage von Harris, sie unterstütze die Finanzierung von Geschlechtsumwandlungen für illegale Migranten in Gefängnissen durch Steuergelder.
„Trump will Furcht säen“
Harris korrigierte Baier am Mittwoch: Die Aussage beziehe sich auf das geltende Recht, nach dem Häftlinge Anspruch auf notwendige medizinische Versorgung haben und das im Übrigen auch unter der Trump-Regierung gegolten habe. Doch Trump gebe lieber zwanzig Millionen Dollar dafür aus, Furcht zu säen, um von fehlenden Inhalten abzulenken. Das Thema sei doch „ziemlich weit weg“ von den eigentlichen Problemen der Wähler, schloss Harris. Sie hingegen kümmere sich um bezahlbares Wohnen, kleine Unternehmen und junge Familien.
Schon in den vergangenen Interviews hatte die Demokratin Eigenschaften hervorgehoben, die republikanische Wechselwähler ansprechen könnten. Sie wiederholte das Versprechen, einen Republikaner in ihr Kabinett zu berufen, sprach von der Glock in ihrem Haus, mit der sie auf Einbrecher schießen werde, und unmittelbar vor dem Interview mit Bret Baier stand Harris in Pennsylvania abermals mit Anti-Trump-Republikanern auf der Wahlkampfbühne.
Besonders energisch wurde die Vizepräsidentin am Mittwochabend, als Baier Trumps wiederholten Vorwurf der politischen Verfolgung einspielte. „In einer Demokratie muss der Präsident der Vereinigten Staaten willens sein, mit Kritik umzugehen, ohne dass er Leute gleich dafür einsperren will“, sagte Harris. Das stehe auf dem Spiel und dürfe nicht kleingeredet werden. Nicht umsonst sagten viele frühere Regierungsmitarbeiter Trumps und Mitarbeiter des Sicherheitsapparats, er sei gefährlich und nicht fähig, das Präsidentenamt auszuüben.
Die Fragen nach Joe Bidens Gesundheitszustand und wie lange Harris davon gewusst habe, konterte die Demokratin knapp: Nicht Biden stehe auf dem Wahlzettel, sondern sie. Dann nutzte sie die mehrfachen Nachfragen Baiers dazu, sich so entschieden wie selten von Biden zu distanzieren. „Meine Präsidentschaft wird keine Fortsetzung von Joe Bidens Präsidentschaft“, sagte sie. Denn wie jeder Präsident „werde ich meine eigene Lebens- und Berufserfahrung mitbringen“.
Sie habe zum Beispiel nicht einen Großteil ihres Lebens in der Hauptstadt Washington verbracht. Und im Übrigen werde das Land das vergangene Jahrzehnt hinter sich lassen, „das von der spalterischen Rhetorik Trumps belastet wurde“ und in dem die Amerikaner „buchstäblich mit dem Finger aufeinander gezeigt“ hätten.