K2: Über Leichen zum Gipfel?

Inhaltsverzeichnis Muhammad Hassan stirbt am K2: ungeklärte Fragen Erschreckender Augenzeugenbericht von Philip Flämig 100 Bergsteiger auf Gipfel des K2 – darunter Kristin Harila & Tenjen Sherpa

Muhammad Hassan stirbt am K2: ungeklärte Fragen

K2 - Figure 1
Foto alpin.de - Das BergMagazin

Muhammad Hassan war bei der pakistanischen Agentur "Lela Peak Expedition" angestellt und unterstützte an seinem Todestag das für die Fixseile zuständige Team. Wie Stefan Nestler recherchierte, sei ein Verwandter Hassans bei ihm gewesen, als dieser beim Klettern am Flaschenhals abrutschte und verstarb. Dies gab unter anderem der Chef der Agentur, Anwar Syed, gegenüber Nestler an.

Weitere Berichte widersprechen jedoch dieser Aussage. Auf einem Drohnen-Video des Kameramanns Philip Flämig (Servus TV) sieht man einen Mann, der sich allein um den Verunglückten zu kümmern scheint. Angela Benavides von ExplorersWeb recherchierte ebenfalls zu den Ereignissen am Berg. Mögliche Ursachen wie Lawinenabgang, Spaltensturz oder eine weitere Verletzung können derzeit weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Die wohl größte Frage ist, wie lange Hassan noch lebte – und wer in dieser Zeit an ihm vorbeistieg ohne zu helfen.

Offenbar war Hassan zum ersten Mal in der Todeszone als Träger eingesetzt gewesen. Er habe sich aufgrund von Geldsorgen für die Arbeit in größerer Höhe gemeldet, so Benavides. Die Witwe des Verstorbenen habe zudem gegenüber Flämig und dem österreichischen Bergsteiger Willi Steindl berichtet, dass ihr Mann zuvor nur Material zum K2-Basislager getragen habe.

Aufnahmen der Drohne zeigen die Reanimation. Das Bewegtbild darf aus urheberrechtlichen Gründen nicht gezeigt werden.

© Philip Flämig/Servus TV

Muhammad Hassan hinterlässt eine Frau und drei Kinder. In Pakistan können Hinterbliebene von "High Altitude Porters" im Todesfall meist nur mit umgerechnet rund 1500 US-Dollar Entschädigung rechnen. 

Aufgrund der ungeklärten Todesursache des pakistanischen Hochträgers leitete die Regionalregierung der Provinz Gilgit-Baltistan eine Untersuchung ein. Diese soll laut Informationen von Stefan Nestler innerhalb von zwei Wochen klären, was am 27. Juli am zweithöchsten Berg der Erde geschah.

Erschreckender Augenzeugenbericht von Philip Flämig

K2 - Figure 2
Foto alpin.de - Das BergMagazin

Laut mehrerer Augenzeugenberichten sei Hassans Ausrüstung unzureichend für einen Gipfelanstieg gewesen. Besonders einprägsam sind die Schilderungen Flämigs gegenüber dem Standard. Hassan war laut diesem gegen 2.30 Uhr im nahezu senkrechten Gelände abgestürzt. Der Bergsteiger blieb kopfüber und mit nackten Beinen in einem Fixseil hängen. Nach dem Unfall sei an der Absturzstelle ein neues Seil befestigt worden, damit die Menschen weitergehen konnten. Hassan habe zu diesem Zeitpunkt noch immer im Seil gehangen. Erst nach etwa 45 Minuten wurde der Abgestürzte hochgezogen, so Flämig weiter. Ein Abstieg mit dem Verletzten sei nicht versucht worden.

Flämig gegenüber dem Standard: "Über die Erzählung von drei unterschiedlichen Augenzeugen kann ich berichten, dass dieser Mann noch gelebt hat, während etwa 50 Leute an ihm vorbeigestiegen sind. Das ist auch in den Drohnenaufnahmen sichtbar. Er wird von einer Person behandelt, während alle anderen gen Gipfel streben. Fakt ist, dass keine organisierte Rettungsaktion stattfand, obwohl Sherpas, aber auch Bergführer vor Ort waren, die hätten aktiv werden können. Keiner kann behaupten, dass er dort die Diagnose hätte stellen können, dass dem Menschen nicht mehr geholfen werden kann. Das bestätigen alle. Zum Teil gehen die Aussagen so weit, dass die Leute, die vom Gipfel zurückkamen, immer noch eine lebende Person angetroffen haben."

100 Bergsteiger auf Gipfel des K2 – darunter Kristin Harila & Tenjen Sherpa

Am Tag des Unfalls waren laut Medienberichten fast 200 Bergsteigerinnen und Bergsteiger auf dem Weg zum Gipfel des K2. Etwa 100 Menschen standen auf dem True Summit – unter ihnen die Norwegerin Kristin Harila und Tenjen Sherpa, die damit ihre Rekordjagd nach drei Monaten und einem Tag beendeten. Die restlichen Expeditionen, z. B. das Furtenbach-Team, entschieden sich zur Umkehr wegen zu hoher Lawinengefahr.

K2, Bottleneck traverse. This section of the climb is INSANE. You spend several hours underneath a giant ice cliff in an exposed position at 8200m+, 1/3 normal oxygen levels & knowledge that many people slipped and fallen off from here. (1/2) pic.twitter.com/i0QFNM1kxb

— Everest Today (@EverestToday) August 5, 2023

Mehrere kleinere Lawinen waren bereits oberhalb des Flaschenhalses abgegangen, wo sich über Stunden die Menschen "stauten". Sicher ist: Alle, die an diesem Tag den Gipfel erreichten, stiegen mindestens einmal über die Leiche des pakistanischen Hochträgers.

Rettungsaktionen wie die des nepalesischen Bergführers Gelje Sherpa im Frühjahr – er überzeugte seinen Kunden, auf den Gipfel zu verzichten und einem in Not geratenen malaysischen Bergsteiger zu helfen – sind die Ausnahme. Am Mount Everest werden erfrorene Bergsteiger werden mitunter zu Wegmarkierungen ("Green Boots"). Wie Nestler zu Recht schreibt, scheint für Menschlichkeit an den höchsten Bergen der Welt kein Platz zu sein.

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