Wie Jürgen Klopp bei Red Bull gelandet ist

4 Stunden vor

Was einst bei Verhandlungen als Salzburg-Trainer scheiterte, führte Fußball-Ikone Jürgen Klopp jetzt als „Head of Global Soccer“ zum Energydrink-Konzern Red Bull. Der Deutsche, 57, soll Fäden ziehen bei Spielern, Trainern und Funktionären. Pressing macht Schule, Vision hat Vorrang. Erklärt er Ralf Rangnick, warum keine ÖFB-Spieler mehr in Salzburg spielen?

Jürgen klopp - Figure 1
Foto DiePresse.com

Seit geraumer Zeit hörte man immer wieder den Namen Jürgen Klopp in Salzburg. Doch die Option, dass er seine selbst gewählte Auszeit nach neun Jahren in Liverpool für einen Bundesligaklub beendet, war nicht real. „Da gibt es eine so komische Liverpool-Achse, da hat‘s was!“ Ein Top-Insider in Salzburg ließ nicht locker, konnte am Montag aber nicht mit der vollen Wahrheit herausrücken als es darum ging, die peinliche 0:5-Abfuhr bei Sturm Graz zu analysieren. Doch es lag Großes in der Luft, am Mittwoch staunte die Fußballwelt: die deutsche Fußball-Ikone Jürgen Klopp, 57, übernimmt den Posten als „Global Head of Soccer“ bei Red Bull.

Der ehemalige Liverpool-Trainer ist der neue, starke „Fußball-Boss“ und soll für den Konzern in Fuschl Drähte glühen lassen, global Fäden ziehen, die Geschicke leiten bei den Klubs in Leipzig, Leeds, Salzburg, Leeds, New York, Bragantino und Omiya Ardija. Er soll Sportchefs treffen, Situationen analysieren, Inputs bringen.

August 2020: Klopp war in Wals-Siezenheim zu Gast. GEPA pictures/ Jasmin Walter

Ab 1. Jänner läuft sein Vierjahresvertrag, der eine Ausstiegsklausel bergen soll: ruft der DFB, ist Klopp augenblicklich weg. Scheitert Julian Nagelsmann, wäre es der einzige Job, der ihn noch reizen würde. Diese Botschaft hinterließ er ja auch an der Anfield Road: „Kein Klub, kein Land für das nächste Jahr. Das kann ich versprechen. Ich werde natürlich irgendwann wieder etwas tun. Vielleicht finde ich etwas anderes . . .“

2008 war der Erstkontakt

Etwas anderes ist es geworden. Maßgeblich für Klopps Verpflichtung verantwortlich ist Oliver Mintzlaff, aktueller „CEO Corporate Projects and Investments“ bei Red Bull. Ihn hatte Dietrich Mateschitz vor seinem Tod (2022) noch persönlich mit der Weiterführung aller sportlichen Agenden im Konzern betraut und eine bessere Neubesetzung des Postens, den einst mit Gerrard Houllier schon ein Liverpool-Trainer inne hatte, scheint im aktuellen Fußball-Business kaum zu finden. Mintzlaff rückte auf, räumte um und auf. Mit Klopp sitzt nun eine „Figur von Weltformat“ am Fuschler Schaltpult.

Kolportiert wurde, dass man seit Monaten“ verhandelt habe, der langjährige „Reds“-Coach (Sieg Champions League, Meister 2020) zögerte jedoch, weil der Abschied aus England erst zu verdauen war, er Energie tanken, mit Enkeln und lieber Padel-Tennis spielen wollte. Ganz so stimmt es freilich nicht, die allererste Kontaktaufnahme von Red Bull zu Klopp passierte bereits 2008.

Tradition contra Dose

Klopp hätte damals Giovanni Trapattoni in Salzburg nachfolgen sollen, man konnte man sich jedoch nicht einigen. Warum? Er war mit Salzburgs Ansprüchen nicht zufrieden. Der aufstrebende Mainz-Trainer sah alles anders als manch Funktionär in Wals-Siezenheim. Er sagte der „Presse“ 2020 nach einem verlorenen Test (0:1) in typisch grimmig-grantiger Manier, die er Journalisten gegenüber pflegt: „Ach, das wissen Sie? Ja, na gut. Es stimmt. Ich habe damals mit dem Gedanken gespielt, nach Salzburg zu gehen. Es hätte mich gereizt. Doch für die Champions League müsstet ihr mehr investieren, das habe ich allen gesagt. Man kann nicht mit einem Team, das in der deutschen Bundesliga um den vierzehnten Platz spielen würde, von Europa träumen.“

Also ging er zu großen Klubs mit sehr großen Etats. Erst Dortmund, dann zu Liverpool und ist jetzt, als Meistermacher und Visionär im Hinblick auf offensives Spiel, hohes Pressing als Autorität in Fuschl gelandet. Freilich in höherer Position, und manch einer in Salzburg wird bald in Erklärungsnot geraten. Klopp muss es ja gewesen sein, der Trainer Pepijn Lijnders und zwei Liverpool-Talente empfohlen hat.

Von den „Reds“ zu Red Bull bleibt für Skeptiker dennoch ein Stilbruch. Betreute er einst Traditionsklubs, steht er nun an der Spitze eines Kommerz-Konzerns, dessen Sporterfolge ausschließlich dem Verkauf der Dosen dienen. Im Juli 2022 ließ er bei einem Interview in Liverpool jedoch schon anklingen, was in der Gegenwart viel größere Bedeutung hat. Er wurde auf RasenBall Leipzig, Geld und Tradition angesprochen. Die Kritik kenne er, doch „Leipzig hat keinem anderen Klub etwas weggenommen, sondern ist einen neuen Weg gegangen. Am Anfang mag Geld eine große Rolle gespielt haben, in der Bundesliga haben sie jetzt aber nicht mehr als der BVB oder die Bayern. Die ganze Idee dahinter, mit jungen Spielern sehe ich auch bei Salzburg und Liefering. Das ist eine Fußball- und keine Geld-Idee.“

Nicht konfliktscheu

Strategie, Analyse, Spiel, Taktik, Wissenschaft, Camps und Tests: Klopp könnte für alles zuständig sein und wird doch mehr im Flugzeug sitzen denn er noch glauben will. Houllier etwa war nie in Salzburg gesehen. Wann kommt Klopp, was stellt er um? Wo greift er sofort ein? Dass es Widerstände geben kann, dessen muss man sich, nicht nur in der Zusammenarbeit mit Österreichern, rundum bewusst sein. Konfliktscheu ist der Deutsche keinesfalls.

„Ich möchte das unglaubliche Fußball-Talent, das wir haben, entwickeln, verbessern und unterstützen“, hieß es in der kurzen Mitteilung des Konzerns. Und damit kommt er umgehend auch in Konflikt mit einem ehemaligen RB-Strippenzieher, ohne den in Salzburg womöglich nichts entstanden wäre. Ab 1. Jänner muss Klopp dann Teamchef Ralf Rangnick erklären, warum kein Österreicher mehr in der Mozartstadt spielt. Die Idee dahinter kann kein Marketinginstrument sein.

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