Album „Reparatur“ - Sänger Josh. verlässt seine gewohnte ...
Wenn die Bremsen beim Auto nicht mehr so ganz ziehen, dann fährt man in die örtliche Werkstatt. Hat sich der Frisör bei der monatlichen Glättung ein bisschen verrechnet, kann man im besten Fall noch zu einem anderen gehen oder muss ein bisschen warten. Und wenn beim nächsten Hobbymatch in der örtlichen Unterliga das Kreuzband nach einem Zweikampf schnalzt, bleibt immer noch der Gang zum Chirurgen. Doch was tun, wenn die Seele angeknackst ist und Depressionen Einzug halten? Wenn Emotionen durch Leere und Gefühle durch Abgestumpftheit ersetzt werden? Mit diesen Problemen musste sich vor gut einem Jahr der österreichische Chartsstürmer Josh. auseinandersetzen. Trotz all der Amadeus-Awards, Gold- und Platinauszeichnungen, Verkaufserfolge und ausverkaufter Tourneen stockte das mentale Werkl. Da half auch das private Glück nach der Hochzeit am Ossiacher See 2021 nicht mehr.
Verschiedene Formen der Therapie
Josh. schnappte sich ein Rad und trat in die Pedale. Von Wien nach Rom. 1208 Kilometer. Ganz alleine. Zumindest war das eine Form der Therapie. Die andere erfolgte durch Medikamente und professionelle Hilfe. Ein Reparaturservice für den Geisteszustand, sozusagen. All diese Mosaiksteinchen haben zur Rückkehr ins normale Leben geholfen. Ein weiterer wichtiger Baustein dorthin war die Musik. Nun hat der 37-jährige Johannes Sumpich das große Glück der finanziellen Sicherheit, das nicht jedem in diesem Zustand so einfach zupass gerät. Dass das Existieren mit Depressionen und der Kampf, sich von dort wieder herauszuwühlen in Österreich nicht so einfach und auch nicht günstig ist, hat der Künstler jetzt selbst erlebt und es hat ihn auch langfristig geprägt.
Auf seinem dritten Album „Reparatur“ geht es aber nicht nur um diese bislang dunkelste Phase seines Lebens, dafür ist er viel zu sehr Lebemann und grundfröhlich. Doch der ernste, manchmal getragen melancholische Unterton des Werkes lässt nicht verleugnen, dass die musikalische „Honeymoon-Phase“, die vor mittlerweile fünf Jahren mit dem Überraschungshit „Cordula Grün“ begann, vorübergehend vorbei war. Die bereits vor einem Jahr veröffentlichte, recht zwanglose erste Single „Von dir ein Tattoo“ ist dabei ein seltenes Überbleibsel aus einer Songwriting-Session vor der Depression. Josh. stellte die Zeiger zurück und ging noch einmal ans Werk. Zumindest drei Tracks bleiben als Mahnmal seines unerwarteten Tiefpunkts. Das selbst erkenntliche „Ich gehör repariert“, „Nur nicht von dir“ und vor allem „Der Rausch vom Vermissen“.
Schwere Texte, leichte Melodien
In den beiden letzteren Songs geht es um Süchte, um das nicht mehr Spüren und die temporäre Hilflosigkeit, plötzlich keine Freude und Emotionen mehr zu empfinden. „Ich fühlte mich eine Zeit lang stumpf und total abgeschliffen“, erklärt er zum Song, „ich war von nichts mehr berauscht, fühlte nichts und hatte gar keine Ahnung mehr, wie man überhaupt Spaß hat.“ Die schweren, ungewohnt ernsten Texte konterkariert der Songwriter mit fröhlichen Akkorden und einer positiven Grundstimmung. Auch wenn für die Mathematik die Berechnung Minus und Minus ergibt Plus stimmen sollte - in der Kunst reicht es, wenn die bleierne Schwere nur die Hälfte der Gesamtheit für sich einnimmt. Zu einem der kommerziell erfolgreichsten heimischen Popkünstler gereift, weiß Josh. natürlich, dass sich mit einem ausschließlich schweren Werk keine breitflächigen Chart-Erfolge herbeiführen lassen. So fehlt es natürlich nicht an augenzwinkernden Beziehungsgeschichten und Doppelbödigkeiten.
Das ein bisschen an einen Wanda-Rhythmus erinnernde Eröffnungsstück „Tanzen bei der Arbeit“ befasst sich mit aufkommenden Gefühlen in einer Arbeitsbeziehung und der ewigen Frage, Beruf oder Emotion. In der Single „Martina“ nimmt er das Bild des klassischen Wieners in Restösterreich aufs Korn, das sommerliche „Liebe mit Frühstück“ und das ironische „Deutscher Kaffee“ hingegen sind Hymnen gegen das Alleinsein. Einmal im positiven, das andere Mal eher im erzwungenen Sinne. Musikalisch bleibt Josh. mit seinem Team dem Erfolgsrezept aus 80er-Arithmetik und italophilen Pop treu. Hier und dort dominiert das Klavier, manchmal wummern Synth-Bässe („Dann denk ich an dich“) oder stoßen gar traditionelle Gitarrensoli in den Vordergrund („Wenn ich heut bei dir bleib“). Einen kleinen Traum erfüllte sich der Musiker beim abschließenden „Alles klingt nach dir“, wo ein Streichquartett für eine ganz neue, orchestrale Farbe im Soundkosmos von Josh. sorgt.
Raus aus der Komfortzone
„Reparatur“ ist jenes Album, auf dem Josh. erstmals der Spagat zwischen ungezwungenem Romantiker und ernsthaftem Texter gelingt. Mag die Poesie auch nicht an die Hamburger Schule heranreichen, erfordert es dennoch Mut und Selbsterkenntnis, sich mit persönlichen Problemen deutend in die Öffentlichkeit zu wagen. Neben klassischen Radiohits und düsteren Gefühlsballaden findet sich ein roter Faden, der die Person Johannes Sumpich stärker abbildet, als es bisher der Fall war. Möglicherweise brauchte es den gesundheitlichen Tiefschlag, um textlich und gedanklich in medias res zu gehen und sich aus der warm eingerichteten Komfortzone des humoristischen Textens zu wagen. Diese neue Facette steht dem Künstler Josh. jedenfalls gut zu Gesicht - auch wenn sie den Menschen dahinter schwer herausgefordert hat.
Mit seinem neuen Album „Reparatur“ im Gepäck ist Josh. in Österreich einige Male live zu sehen. Am 17. Oktober spielt er in der bereits ausverkauften Salzburger Szene. Am 18. Oktober im Linzer Posthof, am 10. Oktober im Eventzentrum Oberwaltersdorf, am 20. Oktober in der Messehalle 3 in Oberwart und am 27. Oktober im Vorarlberger Conrad Sohm. Das bisherige Karrierehighlight folgt dann in einem guten Jahr, am 7. November 2024, wo Josh. erstmals als Headliner die Wiener Stadthalle bespielt. Bis dahin werden auch die neuen Texte in Fleisch und Blut übergegangen sein. Unter www.joshsmusik.at gibt es alle Termine, Karten und weiteren Infos zu den Konzerten.