Schabbat Schalom zu Jom Kippur mit Katia Novominski ...

4 Stunden vor
Jom Kippur

Wie auch zu allen anderen Feiertagen wird an Jom Kippur nicht einfach chronologisch weitergemacht, sondern ein passender Abschnitt gelesen. In diesem Fall aus dem dritten Buch Mose, Vajikra, Kapitel 16. Im Großen und Ganzen geht es um die detaillierte Beschreibung des Jom-Kippur-Dienstes des Hohepriesters zu den Zeiten, als es noch einen jüdischen Tempel gab. Nun steht aber gerade noch kein neuer Tempel und auch wenn historische Informationen wichtig sind, stellt sich die Frage, ob es etwas gibt, was wir für uns für hier und jetzt lernen können.

Einen schönen Gedanken teilt mit uns Rabbiner Silberberg aus Brooklyn, New York. Der erste Satz der Lesung lautet: "Und HaSchem redete zu Mosche nach dem Tod der zwei Söhne Aharons, als sie vor HaSchem traten und starben;" Welchen Mehrwert soll dieser Satz für uns haben? Denn es geht weiter im Vers 2: "Und HaSchem sprach zu Mosche:“ Ist es nicht "doppelt gemoppelt"?  Wozu brauchen wir die Information über Aharons Söhne? Um die Antwort auf diese Frage zu finden, müssen wir uns genauer das Vergehen von Nadav und Avihu anschauen, für welches sie mit dem Tod bestraft worden sind.

Long story short – nach der Fertigstellung des Stiftzeltes erlebte das gesamte jüdische Volk einen besonderen spirituellen Moment, die Shechina, ein Hauch g´ttlicher Präsenz in unserer Welt, kam nieder und weihte damit den heiligen Ort ein. Die Söhne Aharons gerieten unter dem Einfluss dieses Momentes in eine spirituelle Ekstase, betraten den besonderen Allerheiligen Bereich des Tempels mit dem Räucherwerk und ihre Seelen entglitten ins heilige Feuer.

Man mag vielleicht denken, dass diese Tat die beiden als besonders heilige Menschen und vielleicht sogar Vorbilder kennzeichnet. Die Tora sieht es aber ganz anders. Wir sind in der physischen Welt da, um diese mit Spiritualität zu erfüllen und nicht um dieser zu entfliehen.

Jede Spiritualität, die nicht zu besseren Taten, besserem Benehmen oder besserem Miteinander führt, ist völlig sinnentleert.  Es nützt einem nichts an einem Tag wie Jom Kippur oder einem anderen ähnlichen Tag die höchsten spirituellen Erlebnisse zu haben, wenn das Leben am nächsten Tag wie bisher weiterläuft. Daher wünsche ich uns allen, dass wir diese Transformation schaffen und mit der Kraft unserer Spiritualität unseren Alltag verändern.    

In diesem Sinne Schabbat Schalom und gmar chatima tova!

Zur Person: Katia Novominski Katia Bruria Novominski, geboren 1985 in Kiew, aufgewachsen in Dresden. Studierte Gymnasiallehrerin für Physik und Russisch. Vor 20 Jahren fing sie mit jüdischer Jugendarbeit in Sachsen an, später arbeitete sie sechs Jahre im Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Dresden und leitete Bildungsprojekte bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, anschließend Leiterin der Repräsentanz der Jewish Agency for Israel in Berlin, jetzt Geschäftsführerin des Bundes traditioneller Juden in Deutschland (BtJ), Rebbetzin der jüdischen Gemeinden in Halle und Dessau, Religionslehrerin in Sachsen-Anhalt und – das ist ihr am wichtigsten: Ehefrau von Rabbiner Portnoy und Mutter von vier Söhnen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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