Wende im US-Wahlkampf:Der Gegenwind wurde zu stark: Joe ...

21 Jul 2024
Joe Biden

Das war’s. US-Präsident Joe Biden zieht seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im November zurück. „Ich glaube, es ist im besten Interesse meiner Partei und des Landes, wenn ich mich zurückziehe und mich ausschließlich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident für den Rest meiner Amtszeit konzentriere“, erklärte der 81-Jährige Sonntagabend (MESZ) in einem Brief, den er auf X veröffentlichte. Biden unterstützt Vizepräsidentin Kamala Harris als Kandidatin der Demokraten.

Er spreche ihr seine volle Unterstützung aus, als Kandidatin der Demokratin bei der anstehenden Wahl anzutreten. Die Entscheidung darüber liegt bei Delegierten der Partei aus allen Bundesstaaten. Biden rief seine Anhänger auf, für die Wahlkampagne von Kamala Harris zu spenden.

In Hinblick auf den Wahlkampf gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump rief er seine Partei zu Geschlossenheit auf: „Demokraten - es ist an der Zeit, zusammenzukommen und Trump zu schlagen.“

„Harris ist leichter zu schlagen als Biden“

Trump sagte dem US-Sender CNN, seiner Ansicht nach sei es leichter, Harris in dem US-Präsidentschaftswahlen im November zu schlagen als Biden. Trump habe sich kurz nach dem Bekanntwerden von Bidens Rückzug als Präsidentschaftskandidat der Demokraten gegenüber dem Sender geäußert, schreibt ein CNN Reporter auf der Plattform X.

„Der korrupte Joe Biden war nicht in der Lage, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, und er ist sicherlich nicht in der Lage, das Amt zu bekleiden - und war es auch nie!“, schrieb Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social. Er warf Biden vor, „nur durch Lügen, Fake News und indem er seinen Keller nicht verließ“ das Amt des Präsidenten erlangt zu haben. Trump beschuldigte außerdem Menschen, die Biden nahestehen sowie dessen Arzt und die Medien, gewusst zu haben, dass Biden „das Präsidentschaftsamt nicht ausüben kann“.

Der einflussreiche Vorsitzende der demokratischen Fraktion im US-Senat, Chuck Schumer, erklärte, Biden habe sich als großartiger Präsident erwiesen. „Seine Entscheidung war natürlich nicht einfach, doch er hat erneut sein Land, seine Partei und unsere Zukunft an erste Stelle gesetzt“, teilte er mit. „Joe, du zeigst heute, dass du ein echter Patriot und großer Amerikaner bist.“

In den vergangenen Wochen war der 81-Jährige wegen seines Alters und seines mentalen Zustandes in der eigenen Partei massiv unter Druck geraten. Bidens Rückzug so kurz vor der Wahl ist eine dramatische Wende und verursacht weiteres Chaos in einem ohnehin historischen US-Wahljahr. „Obwohl es meine Absicht war, mich um eine Wiederwahl zu bemühen, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich mich zurückziehe und mich für den Rest meiner Amtszeit ausschließlich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident konzentriere“, schrieb der Demokrat. „Ich werde im Laufe dieser Woche vor der Nation ausführlicher über meine Entscheidung sprechen.“

TV-Duell mit Trump war der Beginn vom Ende

Biden war nach einem desaströsen Auftritt bei einem Fernsehduell gegen Ex-Präsident Trump Ende Juni extrem in die Kritik geraten. Während des Schlagabtauschs verhaspelte sich der mächtigste Mann der Welt regelmäßig, verlor den Faden, starrte mit offenem Mund ins Leere und konnte häufig seine Sätze nicht richtig beenden. Schon vorher hatte es innerhalb der Demokratischen Partei und in der Bevölkerung wegen Bidens Alter Vorbehalte gegen seine Wiederwahlambitionen gegeben. Doch nach dem Duell entflammte die Debatte über die Eignung des Bidens als Präsidentschaftskandidat der Demokraten in ganz neuem Ausmaß - und in aller Öffentlichkeit.

Nach der Debatte hatten sich Bidens Umfragewerte noch mal deutlich verschlechtert. Und in seiner eigenen Partei wagten sich einer nach dem anderen vor, um öffentlich Bidens Rückzug aus dem Rennen um die Präsidentschaft zu fordern. In den vergangenen Tagen hatte sich Biden nach einer Infektion mit dem Coronavirus in sein Privathaus in Rehoboth Delaware zurückgezogen und keine öffentlichen Termine absolviert. Während seiner Zwangspause fasste er nun den Entschluss, sich dem Druck seiner Parteikollegen zu beugen.

Die Demokraten müssen nun in kürzester Zeit umsatteln und die Nachfolge regeln. Offen ist, ob die Partei Bidens Vorschlag folgt und sich hinter Harris vereint. Die 59-Jährige war in ihrem Vizepräsidentenamt an der Seite Bidens bislang blass geblieben, bekam angesichts von dessen Schwäche zuletzt allerdings die Unterstützung einer ganzen Reihe wichtiger Parteimitglieder. Die Demokraten nominieren ihren Präsidentschaftskandidaten offiziell bei einem Parteitag in Chicago Mitte Augst. Die Republikaner haben ihren Präsidentschaftskandidaten Trump bei einem Nominierungsparteitag in Milwaukee bereits offiziell gekürt.

Unterschiedliche Reaktionen aus österreichischer Politik

Von österreichischen Politikern wurde Bidens Rückzug um das US-Präsidentschaftsrennen unterschiedlich aufgenommen. „Genießen Sie die Pension, Mr. President“, schrieb FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky auf X. Der SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Andreas Schieder, zollte ihm hingegen Respekt. „President Biden war eine guter Präsident mit viele wichtigen Gesetzen. Nun zeigt er wahre Größe und Einsicht. Das Präsidentschafts-Rennen ist wieder offen“, schrieb Schieder auf X.

NEOS-Delegationsleiter Helmut Brandstätter würdigte Biden als verantwortungsbewussten Staatsmann und warnte vor Trump. „Wir müssen gerade unsere europäische Sicherheit stärker in die eigene Hand nehmen“, schrieb Brandstätter in einer Aussendung. „Trump hat mehrmals angekündigt kein Interesse an Europa zu haben und träumt davon, den Angriffskrieg Putins in 24 Stunden zu beenden. Trump wäre eine Gefahr für die Sicherheit Europas und damit für die Sicherheit Österreichs.“ Österreich brauche gerade auch angesichts der Situation in den USA endlich eine neue Sicherheitsstrategie, in der auch Russland nicht mehr als „wesentlicher“ Partner stehe, so Brandstätter.

Obama spielte entscheidende Rolle

Die Zweifel seiner Parteifreunde als Präsidentschaftskandidat der Demokraten wurden zuletzt immer lauter, auch sein guter Freund und ehemaliger Chef Barack Obama soll sich Insiderberichten zufolge zuletzt von Biden distanziert haben. Es war wohl der Anfang vom Ende. Obama ist nicht nur eine starke Stimme innerhalb der Demokratischen Partei, er ist auch einer der wenigen, die großen Einfluss auf Biden haben und ihn umstimmen können.

Zuvor hatte Biden oft gesagt, er wolle weiterkämpfen. Er sei fest entschlossen, noch einmal gegen Donald Trump in den Ring zu steigen. Doch der war ihm in den Umfragen längst enteilt. Trump führte in allen wichtigen Swing States, Bidens Chancen schwanden. Die Republikaner haben ihren Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bei einem Nominierungsparteitag in Milwaukee bereits offiziell gekürt. Biden hatte bis zuletzt immer wieder behauptet, er sei der einzige der Trump schlagen könne.

Nahezu aussichtsloses Duell aufgegeben

Zuletzt wurde der 81-jährige Demokrat zusätzlich von einer Covid-Infektion geschwächt. Sein Wahlkampf musste pausieren, es war die Zeit, in der Biden in sich gehen und überlegen konnte, wie es weitergehen sollte. Nun hat er sich entschieden, Platz zu machen.

Biden war über Jahrzehnte - als Senator, Vizepräsident und Präsident - ein Mann, der sich in den Dienst seines Landes stellte. Dass er nicht früher aufgegeben hat, ist seinem Konkurrenten zu verdanken. Hätte Donald Trump nicht die republikanische Nominierung gewonnen, wäre Biden wohl schon früher zurückgetreten, sagen Insider. Den Republikaner vom Weißen Haus fernzuhalten, war für Biden eine Art Lebensaufgabe. Mit der Aufgabe seiner Kandidatur könnte er sie nun erfüllt haben.

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