DHDL-Juror Jochen Schweizer: Warum er früher selbst keine ...

„Hätte ich damals ein Investment bekommen, wäre mein Startup gescheitert!", sagt Jochen Schweizer über die Firma, die er später für 108 Millionen Euro verkauft.

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Jochen Schweizer kennt sportliche und unternehmerische Risiken – und ist schon einmal tief gestürzt.

Mathis Wienand/WireImage via Getty Images / Jochen Schweizer / Collage: Gründerszene

Er hat es allen gezeigt, zwei Mal: In den neunziger Jahren wird Jochen Schweizer das erste Mal, was er nie war – reich. Er verkauft Bungee-Sprünge von über 40 Sprunganlagen in ganz Deutschland. Dann passiert, was nicht passieren darf: Ein Seil reißt, ein junger Mann springt in den Tod. Privat und unternehmerisch verliert Jochen Schweizer alles – und beginnt von vorn. Mit einer neuen Idee umwirbt er Investoren, lange erfolglos. Zu Beginn glaubt keiner an das Konzept Erlebnisgutscheine. Etwa zehn Jahre später hat Schweizer es noch einmal allen gezeigt – und einen wuchtigen Käufer: 2017 kauft ProSiebenSat.1 Media Schweizers Firma für 108 Millionen Euro auf, der Unternehmer hält heute noch zehn Prozent. Dieser Erfolg sei auch seinen ersten, misslungenen Investoren-Pitches zu verdanken, sagt Schweizer im Interview.

Wir haben den DHDL-Juror anlässlich seines Comebacks bei „Die Höhle der Löwen“ im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten getroffen. Es geht um unternehmerische Höhenflüge und persönliches Pech; um das Glück, zu Scheitern und um den unbedingten Willen, nach einem tiefen Sturz wieder ganz nach oben zu kommen.

Schweizer sieht nach einem Leben für den Extremsport jünger aus als 67. Er sei jetzt im letzten Lebensdrittel, sagt der Unternehmer, er wolle seine Erfahrungen weitergeben: als Unternehmer und als „Lebensunternehmer“. Denn eine unternehmerische Haltung zum eigenen Leben, die empfiehlt Schweizer jedem – und hat darüber gleich ein neues Buch geschrieben. Das nennt der Mann hinter einer der wohl erfolgreichsten deutschen Personenmarken: „Das Jochen Schweizer Prinzip – Wie du der Mensch wirst, der alle deine Probleme löst.“

Jochen, du hast nie BWL studiert, bist auf eigene Faust zum Millionenunternehmer geworden. Wie ging das?

By doing. Als ich 1989 meine erste Bungee-Sprunganlage eröffnete, ging es mir vor allem um das Erlebnis – aber ein wenig Rechnen gehört natürlich auch dazu: Wenn der Kran 5000 D-Mark kostet, das Team 1500 D-Mark und das Seil 1000 D-Mark, dann müssen die Einnahmen durch die Springer signifikant höher liegen. Das habe ich auch ohne BWL-Studium hingekriegt.

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Warst du von Beginn an immer profitabel?

Ja – und zwar richtig profitabel. Von 1989 bis 1999 habe ich 40 Sprunganlagen gebaut und über 600.000 Sprünge verkauft. Das war nicht so schlecht, was wir da umgesetzt haben. 

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Dann reißt ein Seil bei einer Sprunganlage, ein Mensch stirbt – und du stehst bald kurz vor der Insolvenz. 

Das kann eigentlich nicht passieren, so ein Seilabriss. Das ist rein rechnerisch gar nicht möglich – und doch ist dieses Seil gerissen. Das hat mich bis ins Mark erschüttert. Wobei ich hinzufügen möchte, dass das, was ich durchgemacht habe, nichts ist im Vergleich zu dem Leid, das die Eltern des verunglückten Springers erleiden mussten. Ich habe alles verloren, was ich aufgebaut habe, mehr als das – aber es hat dagegen keine Bedeutung. Null.

Mir wurde damals gesagt: Ihrer Firma ist nicht mehr zu helfen, Herr Schweizer, retten Sie ihr Privatvermögen und melden Sie Insolvenz an. Ich habe das Gegenteil gemacht: Ich habe alles verkauft, was ich mir erarbeitet und privat besessen hatte. Ich sehe Besitz als gespeicherte Energie, als ich alles verkauft habe, kam diese Energie in Form von Liquidität zurück. Diese Liquidität habe ich genutzt, um alles glattzuziehen und niemandem etwas schuldig geblieben zu sein. Andere haben gesagt: Du verbrennst alles, was du dir aufgebaut hast im Leben. Ich habe gesagt: Dann ist es eben so, ich bin All In.

Nach dieser Katharsis wog ich noch 63 Kilo und besaß nichts mehr, außer der Jochen Schweizer GmbH mit noch vier Mitarbeitenden. Diese GmbH habe ich zwölf Jahre später mit 260 Mitarbeitenden an ProSiebenSat.1 verkauft – für einen neunstelligen Betrag.

Kajakfahren ist ein Bewegungsmuster, das ich seit einem halben Jahrhundert trainiere. Das ist wie nachhause kommen.

Jochen Schweizer

Unternehmer

Was hat diese Erfahrung grundsätzlich mit dir gemacht?

Ich habe gelernt, dass die unternehmerische Verantwortung an einer solchen Katastrophe immer nur weiter wachsen kann und muss. Als der Vater des verunglückten Springers mich fragte: „Haben Sie leichtfertig gehandelt?“ Habe ich ihm geantwortet: „Ich hätte an diesem Tag meinen eigenen Sohn springen lassen, mit diesem Seil“, so überzeugt war ich von der Sicherheit. „Und ich versichere Ihnen: Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte – dann würde ich diesen Sprung machen, anstelle ihres Sohnes. Dann ginge es uns beiden besser.“ Du kannst aber etwas, was geschehen ist, nicht ungeschehen machen. Nicht einmal durch den Einsatz deines eigenen Lebens.

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1997 springt Jochen Schweizer mit dem Motorrad vom Hamburger Fernsehturm. Später eröffnet er auch auf dem Hamburger Wahrzeichen eine Bungee-Sprunganlage.

Vivien Venzke via Getty Images

Du hast dann die Erlebnisgeschenkboxen erfunden.

Wir hatten in den Neunzigern an den Sprunganlagen schon eine Box namens „The Ultimate Experience“ verkauft: Darin war ein Sprunggutschein, wahlweise einlösbar an allen Sprunganlagen, ein Stück Bungee-Seil, ein Fläschchen „Kleiner Feigling“ und ein T-Shirt mit der Aufschrift „I did it“. Später habe ich gemerkt, dass diese Box fast nur von Frauen gekauft wurde – an den Anlagen sah ich aber fast nur Männer.

Junger Mann, wir glauben nicht, dass man Erlebnisse handeln kann. Das ist doch kein Handelsprodukt!

Unbekannter Investor zu Jochen Schweizer

Eines Morgens, nachdem ich alles verloren hatte, wurde mir klar: Das wäre genial! Ich verkaufe Erlebnisboxen als nachhaltiges Geschenk, das für immer in Erinnerung bleibt. Ich als Vermarkter habe keinen Warenbestand – die Ware kaufe ich erst, wenn sie wirklich gebraucht wird. Später stellte sich heraus: Die durchschnittliche Zeit zwischen Kauf und Einlösung eines Erlebnisgutscheins lag bei über einem Jahr. Stelle dir den Cashflow in so einer Firma vor!

Zunächst mal wolltest du für die Jochen Schweizer-Erlebnisgutscheine Investoren gewinnen.

Meine erste Überlegung war, zehn Boxen mit hundert Erlebnissen zu konzipieren und im Handel zu etablieren: in Geschenkeläden, Warenhäusern und so weiter. Die Produktion der Boxen und der Werbekostenzuschuss für die Händler hätte Millionen gekostet, die ich nicht hatte. Ich habe also versucht, Investoren zu gewinnen, aber bin immer wieder gescheitert.

Die Banken sagten nein, Business Angels waren nicht interessiert. Dann hatte ich diese letzte Chance in New York. Im Mandarin Hotel am Central Park warteten fünf schwere Investoren auf mich, 20 Minuten Pitchzeit. Das war meine Höhle der Löwen, lange bevor es das TV-Format gab.

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Nach zehn Minuten steht einer auf, der sprach deutsch, ein Österreicher. Der sagte: „Junger Mann, wir glauben nicht, dass man Erlebnisse handeln kann. Das ist doch kein Handelsprodukt!“ Damit war ich raus.

Wie bist du da rausgegangen aus deiner „Höhle der Löwen“?

Ich war niedergeschmettert. Am gleichen Tag ging mein Flieger zurück – Holzklasse natürlich. Das ist auch ein Schritt: Man gewöhnt sich an nichts schneller als an Luxus! Ich war ja schon einmal wohlhabend geworden, hatte mir alle Erfolgsattribute zugelegt – plötzlich ist alles weg, du bist zurückgeworfen auf deine reine Essenz.

Es geben unendlich viel mehr Menschen auf, als dass Menschen scheitern.

Jochen Schweizer

Unternehmer

Zurück in München wollte ich nicht nachhause fahren. Stattdessen fuhr ich an die Regattastrecke, wo in einem Bootshaus mein altes Mahagoni-Rennkajak liegt. Ich habe mein Kajak auf das nachtschwarze Wasser gesetzt und bin losgepaddelt; es war vollkommen still, das Wasser lag vor mir wie ein Spiegel. Kajakfahren ist meine Resilienz-Technik, die ich zunächst unbewusst etabliert hatte: Es ist ein Bewegungsmuster, das ich seit einem halben Jahrhundert trainiere. Das ist wie nachhause kommen.

Ich bin an dem Tag erst nach Mitternacht nach Hause gekommen. Ich gehe ins Badezimmer, schalte das Licht ein, gucke in den Spiegel, schaue mir selbst in die Augen – und sage: „100 Millionen, ihr Idioten, werde ich machen mit dieser Idee.“ Und dann bin ich schlafen gegangen.

Jochen Schweizer wuchs in Heidelberg auf, inzwischen lebt er in der Nähe von München.

Hannes Magerstaedt/Getty Images

Du hast das ja dann auch wirklich gemacht.

Ja, das habe ich. Dabei hatte ich anfangs keine Ahnung, wie das gehen soll. Aber ich habe mir das Versprechen gegeben, nicht aufzugeben, bis das Ziel erreicht ist. Dann habe ich zusammen mit einem Bekannten eine Webseite programmiert – die sah richtig schlimm aus, ganz schlimm.

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Trotzdem haben wir im Dezember 2004 damit 180.000 Euro Umsatz gemacht. Ein Jahr später, 2005, waren es 3,6 Millionen. Die Website gibt es bis heute: jochenschweizer.de.

Was heißt das denn für alle Gründer, die heute vielleicht auch kein Investment bekommen bei „Die Höhle der Löwen“?

Ein Rückschlag kann die Voraussetzung für späteren Erfolg sein. „Not getting what you want is sometimes a wonderful stroke of luck“ – das hat der Dalai Lama gesagt. Hätte ich damals das Investment bekommen, wäre ich mit meinem Startup gescheitert.

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Weil?

Weil ich analog vorgegangen wäre. Dieses Geschäftsmodell muss aber digital betrieben werden: So produzierst du die Boxen laufend, wenn sie bestellt werden. Du musst keinen großen Warenbestand und kein Warenwirtschaftssystem aufbauen.

Hatten die Investoren in New York eigentlich also Recht, nicht in Jochen Schweizer zu investieren?

Sie hatten Unrecht und Recht zugleich. Unrecht, weil sie sagten, dass man Erlebnisse nicht handeln kann – ich habe bewiesen, dass es geht. Aber sie hatten Recht, dass mein ursprünglicher Plan so nicht funktioniert hätte. Der Rückschlag hat mich gezwungen, auf ein digitales Konzept umzusteigen. Und das war der entscheidende Twist.

Was leitest du aus deiner Erfahrung ab?

Es gibt kein Scheitern. Es gibt neue Situationen, die man als Herausforderung begreifen kann – und begreifen muss, um an ihnen zu wachsen. Es geben unendlich viel mehr Menschen auf, als dass Menschen scheitern.

Heute bei „Die Höhle der Löwen“ bist du in der Rolle des Investors. Was ist dir bei deinen Entscheidungen wichtig?

Bei Investmententscheidungen setze ich auf Gründerteams, die sich heterogen ergänzen. Wir prüfen in einer Due Diligence sorgfältig alle relevanten Aussagen einer Pitch-Präsentation und nehmen uns Zeit für klärende Rückfragen. Bei DHDL ist die Situation eine andere. Hier muss ich innerhalb von 90 Minuten entscheiden, zum Beispiel 150.000 Euro zu investieren – das ist dem Entertainment geschuldet, und funktioniert super für die Zuschauer. In der Sendung schaue ich also weniger aufs Business Modell, sondern darauf, wer mir da entgegentritt. Bei DHDL investiere ich in Persönlichkeiten.

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Früher Stammpersonal – heute Ausnahmekombination: Carsten Maschmeyer, Judith Williams, Ralf Dümmel, Frank Thelen und Jochen Schweizer bei „Die Höhle der Löwen“.

RTL

Wie wichtig ist Persönlichkeit als Unternehmer?

Extrem wichtig. Jeder Unternehmer hat einen Businessplan, weiß wo er mit seinem Unternehmen hinwill. Was vielen aber fehlt, ist die persönliche Planung. Ich sehe das so: Unternehmensplanung fußt auf Lebensplanung und deine Lebensplanung fußt auf persönlichen Werten. Nur wenn diese drei Komponenten übereinstimmen, kann sich neben dem unternehmerischen Erfolg auch ein erfolgreiches Leben ergeben.

Ein Unternehmer kann wirtschaftlich sehr erfolgreich sein und gleichzeitig im Leben scheitern.

Jochen Schweizer

Unternehmer

Das ist auch Thema meines neuen Buches „Das Jochen Schweizer Prinzip“. Alles hängt am Ende davon ab, ob deine Ziele mit deinen Werten übereinstimmen. Das ist entscheidend, um nicht nur wirtschaftlich, sondern ganzheitlich erfolgreich zu sein.

Du warst in deinem Leben beides: Abenteurer und Unternehmer. Welche Überschneidungspunkte gibt es da?

Unsicherheit. Abenteuer bedeutet ja, dass der Ausgang ungewiss ist. Wenn du ein Unternehmen gründest, dann ist der Ausgang ja auch höchst ungewiss, nicht wahr?

Pessimistisch oder optimistisch – wie geht man besser mit dieser Unsicherheit um?

Was du dir ausmalst, wird wahrscheinlich eintreten, also besser keine Gedanken an negative Szenarien oder einen Plan B verschwenden. Jeder Gründer startet mit einer positiven Zielsetzung, sonst würde er gar nicht losgehen.

Mit Blick auf die Konkurrenz kann es sich durchaus lohnen, pessimistisch zu sein und für Herausforderungen gewappnet zu sein, oder?

Ja – aber wahrscheinlich bin ich der falsche Ansprechpartner für diese Frage. Ich habe nie viel nach rechts und links geschaut, vielleicht hätte ich das häufiger tun sollen. Ich habe immer mein Ding gemacht.

Wieso hättest du das mehr machen sollen?

Weil du Fehler vermeidest, wenn du siehst, dass Wettbewerber mit etwas schon gescheitert sind und du herausfinden kannst, warum. Andererseits sind mir Dinge gelungen, die anderen misslungen sind, gerade weil ich nicht nach rechts und links geschaut habe. Zum Beispiel das Projekt Erlebnisgeschenkbox – das ist bei vielen Wettbewerbern gescheitert, bei mir aber nicht.

Warum ist dir gelungen, woran andere gescheitert sind?

Weil ich mehr richtige als falsche Entscheidungen getroffen habe. Unternehmenserfolg hängt nie von einer einzigen Maßnahme ab; das können 100 Stellschrauben sein, die passen müssen. Nebenbei: Ich rede hier nicht von Lebenserfolg, das sind zwei sehr unterschiedliche Dinge – ein Unternehmer kann wirtschaftlich sehr erfolgreich sein und gleichzeitig im Leben scheitern.

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