Iwao Hakamada saß über 45 Jahre unschuldig in Japan in der ...
Gezeichnet von der Todeszelle: Der Freigesprochene Iwao Hakamada 2020 in seinem Sessel zuhause
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Niemand saß so lange im Todestrakt: Der 88-jährige Boxer Iwao Hakamada war aufgrund fingierter Beweise und eines erpressten Geständnisses zum Tode verurteilt worden.
Mehr als ein halbes Jahrhundert nach seiner Verurteilung zum Tode ist ein 88-jähriger Japaner in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen worden. Das Bezirksgericht im japanischen Shizuoka erklärte den früheren Boxer Iwao Hakamada am Donnerstag für unschuldig. Er gilt als der Häftling, der weltweit am längsten in einer Todeszelle saß.
Die Isolationshaft hat den heutigen Greis psychisch und physisch gezeichnet. Er ist nicht mehr in der Lage, die Realität zu begreifen. "Er lebt jetzt in einer Wahnvorstellung", berichtet seine 91-jährige Schwester Hideko Hakamada.
Der Freigesprochene nahm wegen seines schlechten Gesundheitszustands nicht an der Urteilsverkündung teil. Seine Schwester Hideko, die oft für ihn gesprochen hat, verbeugte sich tief vor dem Richter, der Hakamada für unschuldig erklärte. Vor dem Gerichtsgebäude dankte sie anschließend allen Unterstützerinnen und Unterstützern. "Wir haben alle zusammen den Freispruch erlangt", sagte sie den Tränen nahe, mit brüchiger Stimme.
Wochenlang wurde Iwao Hakamada verhörtIm Jahr 1966 hatte man in einem abgebrannten Haus vier Leichen mit Stichwunden entdeckt: Einer war der Chef von Hakamada, außerdem die Frau des Chefs und dessen zwei Kinder. Der frühere Boxer legte nach wochenlangen Polizeiverhören ein Geständnis ab, widerrief es aber später. Er sagte aus, er sei in den brutalen Verhören zu dem Geständnis gezwungen worden. Zudem gab er an, die Beweise seien gefälscht worden.
1968 wurde er deshalb zum Tode verurteilt, aber nie hingerichtet, auch weil sein Fall durch mehrere Berufungen ging. Insgesamt verbrachte er 48 Jahre hinter Gittern, mehr als 45 davon im Todestrakt. Nachdem 2014 in seinen Fall Bewegung gekommen war, wurde er in den Hausarrest entlassen.
Der Weg durch die langsamen Mühlen der japanischen Justiz bis zu seinem Freispruch war für Hakamada beschwerlich. Es dauerte 27 Jahre, bis das Oberste Gericht seinen ersten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ablehnte. Der zweite Antrag wurde 2008 von seiner Schwester Hideko eingereicht. 2023 entschied das Gericht schließlich zu seinen Gunsten und ebnete damit den Weg für das Verfahren, das im vergangenen Oktober begann.
Gefälschte Beweise im Miso-TankIn dem Urteil stellte das Gericht fest, dass Kleidungsstücke, die Hakamada während des Vorfalls getragen haben soll, von den Ermittlern manipuliert wurden. Die Polizei hatte damals behauptet, als Beweise fünf rotfarbene Kleidungstücke mit Blut auf dem Boden eines Miso-Tanks gefunden zu haben – ein Jahr und zwei Monate später.
Das Gericht folgte nun der Darstellung der Verteidigung, die beweisen konnte, dass blutbefleckte Kleidung, die mehr als ein Jahr lang in Miso liegt, schwarz wird. Auch das Recht des Angeklagten zu schweigen, sei "wirkungsvoll verletzt" worden. Die Bedingungen, unter denen die Staatsanwaltschaft die Aussagen hervorgelockt habe, hätten "ein falsches Geständnis" begünstigt.
Örtlichen Medienberichten zufolge hat die Staatsanwaltschaft zwei Wochen Zeit, um Widerspruch einzulegen.
Hunderte Menschen hatten am Morgen vor dem Gericht Schlange gestanden, um sich einen Platz bei der Urteilsverkündung zu sichern. Der Fall hält Japan seit Jahrzehnten in Atem und weckte Zweifel am japanischen Justizsystem.
Schon fünf Freisprüche in Japan für Menschen in der TodeszelleHakamada ist der fünfte Todeszellenkandidat, der nach der Wiederaufnahme des Verfahrens freigesprochen wurde. Japan ist neben den Vereinigten Staaten die einzige große demokratische Industrienation, in der Todesurteile noch vollstreckt werden.
Die zumeist in Einzelhaft verbrachten fast fünf Jahrzehnte im Todestrakt setzten ihm psychisch schwer zu. Auch sein Anwalt Hideyo Ogawa berichtet, Hakamada scheine manchmal in einer "Fantasiewelt" zu leben.
Seines Freispruchs schien er sich zunächst nicht bewusst zu sein. Seine Schwester hatte angekündigt, ihn im passenden Moment über das Urteil zu informieren. Kurz nach der Urteilsverkündung wurde er dabei gesehen, wie er sein Haus für einen Spaziergang verließ.
urb AFP DPA AP
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