Furcht vor Eskalation: Israel, Hisbollah greifen einander direkt an

25 Aug 2024

Furcht vor Eskalation

Die Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon eskaliert: Die mit dem Iran verbündete schiitische Miliz hat nach eigenen Angaben die „erste Phase einer Vergeltungsaktion“ gegen Israel abgeschlossen – damit wolle sie die Ermordung ihres Kommandanten Fuad Schukr im vergangenen Monat rächen. Die israelische Armee wiederum gab an, „die unmittelbare Gefahr für die Bürger des Staates Israel“ erkannt und zuvor zahlreiche Ziele im Süden des Libanon attackiert zu haben.

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Foto ORF

Online seit heute, 12.13 Uhr (Update: 15.56 Uhr)

Das heftige Feuergefecht droht einen umfassenden Krieg auszulösen, in den die USA, der Iran und militante Gruppen in der gesamten Region verwickelt werden könnten. Dieses könnte auch die Bemühungen um einen Waffenstillstand im Gazastreifen torpedieren, wo sich Israel seit über zehn Monaten mit der Terrororganisation Hamas im Krieg befindet.

„Unser Militäreinsatz für heute ist abgeschlossen“, teilte die vom Iran unterstützte Miliz am Sonntag mit. Alle Geschoße seien wie geplant auf israelische Ziele abgefeuert worden. Es seien mehr als 320 Raketen des Typs Katjuscha unter anderem auf israelische Militärstützpunkte abgeschossen worden.

Nach israelischen Medienberichten wurden 200 Raketen und rund 20 Drohnen vom Libanon aus auf Israel abgefeuert und zu einem großen Teil abgefangen. Laut dem israelischen Rettungsdienst gab es zunächst keine Meldungen über Verletzte. Bei den israelischen Angriffen wurden dem libanesischen Gesundheitsministerium zufolge drei Menschen getötet.

Hisbollah spricht von „Abschluss der ersten Phase“

Tim Cupal (ORF) analysiert unter anderem, was nach dem „ersten Vergeltungsanschlag“ der Hisbollah auf Israel noch zu erwarten ist.

Israel: „Akt der Selbstverteidigung“

Die israelische Armee erkannte nach eigenen Angaben die Gefahr und begann zuvor in einem „Akt der Selbstverteidigung“, zahlreiche Ziele im Süden des Libanon zu attackieren. Rund 100 Kampfflugzeuge hätten Ziele der Hisbollah im Südlibanon angegriffen, erklärte die Armee. Raketenabwehr, Marine und Luftstreitkräfte seien an den Angriffen beteiligt gewesen. Die Angaben beider Konfliktparteien konnten unabhängig nicht überprüft werden.

Israel hat zahlreiche Ziele im Süden des Libanon attackiert

Die Israelischen Streitkräfte (IDF) flogen am Sonntag nach eigenen Angaben weitere Angriffe auf Raketenabschussrampen der Hisbollah im Süden des Libanon. „Innerhalb der letzten Stunde hat die IDF mehrere Abschussrampen der Hisbollah in verschiedenen Gebieten im Süden des Libanon angegriffen, um Bedrohungen zu beseitigen“, hieß es in einer Erklärung des Militärs.

Israel - Figure 2
Foto ORF

Die „New York Times“ zitierte einen westlichen Geheimdienstmitarbeiter, wonach sich Israels Angriff gegen Raketenwerfer im Libanon gerichtet habe, die so programmiert worden seien, dass sie um 5.00 Uhr Ortszeit in Richtung Tel Aviv abgefeuert werden sollten.

Netanjahu: „Bedrohung entfernt“

Nach Darstellung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu konnte Israel die Angriffsvorbereitungen der Hisbollah im Vorfeld identifizieren und mit seinen Angriffen im Libanon eine großangelegte Attacke vereiteln. In Absprache mit Verteidigungsminister Joav Galant und Militärchef Herzi Halevi habe er die Armee angewiesen, „die Bedrohung zu entfernen“.

Lage in Nordisrael hat sich wieder beruhigt

ORF-Korrespondent Nikolaus Wildner in Haifa

Netanjahu rief die Bürger und Bürgerinnen Israels auf, den Anweisungen des Militärs Folge zu leisten. „Wir sind entschlossen, alles zu unternehmen, um unser Land zu verteidigen, die sichere Rückkehr der Einwohner des Nordens in ihre Häuser zu gewährleisten und weiter eine einfache Regel zu befolgen: Wer uns Schaden zufügt, dem werden wir Schaden zufügen.“

Israel verhängte den landesweiten Ausnahmezustand. Er gelte seit 6.00 Uhr Ortszeit (5.00 Uhr MESZ) für die nächsten 48 Stunden, sagte Verteidigungsminister Galant. Der Rettungsdienst rief laut Medien die höchste Bereitschaftsstufe aus.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah will am Sonntag das Wort ergreifen

Sonntagnachmittag kündigte Netanjahu weitere militärische Reaktionen auf den Angriff an. Die israelischen Angriffe auf Ziele der Schiitenmiliz im Libanon seien „nicht das letzte Wort“ gewesen, sagte er bei einer Kabinettssitzung. „Wir treffen die Hisbollah mit überraschenden, vernichtenden Schlägen.“

Rede Nasrallahs angekündigt

Die Hisbollah deutete an, dass sie ihren „Vergeltungsangriff“ zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen werde. „Bis zum Ende dieser Militäreinsätze wird einige Zeit vergehen“, erklärte die Miliz. Sie kündigte auch eine Rede ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah für Sonntagnachmittag an. Israel hatte am 30. Juli den Hisbollah-Kommandanten Fuad Schukr in Beirut gezielt getötet. Er soll für den Beschuss der Golanhöhen mit zwölf Toten wenige Tage zuvor verantwortlich gewesen sein.

Das Büro der Sonderkoordinatorin und die Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL) forderten Israel und die Hisbollah-Miliz unterdessen dazu auf, „das Feuer einzustellen und von weiteren eskalierenden Aktionen abzusehen“, hieß es am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung. Darin war von einer „beunruhigenden Entwicklung der Situation“ die Rede.

Unterdessen gingen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo die Gespräche über ein Abkommen zwischen Israel und der Hamas zu einer Waffenruhe und der Geiselfreilassung im Gazastreifen weiter. Zuletzt hatte es dabei Bewegung gegeben, ein Durchbruch steht aber immer noch aus – und wird mit dem heutigen Tag zunehmend unwahrscheinlicher.

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