Ismail Hanija – wer war der Hamas-Chef?
Ismail Hanija war der nominelle Chef der palästinensischen Terrororganisation Hamas. Am 31. Juli starb er bei einem Anschlag in Teheran.Bild: Keystone
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In der Nacht auf Mittwoch schlug, wie iranische Medien berichteten, ein «gelenktes Projektil aus der Luft» in ein Stockwerk einer Residenz für verdiente Kriegsveteranen im Norden von Teheran ein. Die Explosion tötete zwei Männer. Einer davon war Hamas-Führer Ismail Hanija.
Hanija, der seit 2017 das Hamas-Politbüro leitete und als übergeordnete Führungsfigur der palästinensischen Terrororganisation galt, hielt sich in Teheran auf, um an der Vereidigungszeremonie des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilzunehmen. Vermutlich fühlte sich Hanija in der Hauptstadt des Hamas-Sponsors Iran sicher – zu sicher.
Hanija ist der mit Abstand ranghöchste Hamas-Funktionär, der bisher im Gazakrieg getötet wurde. In der Teheraner Residenz endeten ein Leben und eine Karriere, die ganz im Zeichen der Hamas standen. Wer war Ismail Hanija?
Als Student radikalisiertGeboren wurde der spätere Hamas-Chef 1962 oder 1963 im Flüchtlingslager al-Shati im Gazastreifen. Seine Eltern – sein Vater war Fischer – waren während des Palästinakriegs aus dem arabischen Dorf al-Majdal geflohen, das heute Teil der israelischen Stadt Aschkelon ist. Hanija wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, konnte aber eine Schule des UNO-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) besuchen.
Die Ausbildung trug Früchte: Hanija studierte von 1981 bis 1987 an der Islamischen Universität in Gaza-Stadt arabische Literatur. Es war vermutlich dort, wo er zuerst mit islamistischen Kreisen in Kontakt kam und sich in der Folge der fundamentalistischen Muslimbruderschaft anschloss. Aus dieser 1928 in Ägypten gegründeten radikalen sunnitischen Organisation ging 1987 – während der Ersten Intifada – die Hamas hervor, der sich Hanija im selben Jahr anschloss.
Vertrauter des Hamas-FührersWährend der Intifada wurde Hanija mehrmals inhaftiert und schliesslich 1989 zu drei Jahren Haft verurteilt. Danach schob Israel ihn zusammen mit anderen führenden Hamas-Mitgliedern in den Südlibanon ab. Von dort kehrte er ein Jahr später in den Gazastreifen zurück. Sein Aufstieg in den Rängen der Hamas beschleunigte sich, als er persönlicher Sekretär des Hamas-Gründers Scheich Ahmad Jassin wurde.
Hanija wurde ein enger Vertrauter des querschnittgelähmten und beinahe blinden geistigen Führers der Terrororganisation, der aus demselben Ort stammte wie Hanijas Eltern. 2003 scheiterte ein israelischer Anschlag auf die beiden, doch wenige Monate später, im März 2004, fiel Jassin einem gezielten israelischen Raketenangriff zum Opfer.
Scheich Jassin, der geistige Führer der Hamas, wurde 2004 getötet. Bild: EPA FILES
2005 zog sich Israel einseitig aus dem Gazastreifen zurück und im Jahr darauf errang die Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen die Mehrheit der Sitze. Hanija wurde darauf Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, doch nun brach ein blutiger Bruderkrieg zwischen der islamistischen Hamas und der rivalisierenden Fatah aus, die zuvor die Autonomiebehörde beherrscht hatte.
Der Hamas gelang es, die alleinige Macht in Gaza an sich zu reissen, was 2007 zur faktischen Teilung der Palästinensischen Autonomiegebiete führte, die bis heute anhält. Hanija leitete von da an die De-facto-Regierung im Gazastreifen. Israel – später gefolgt von Ägypten – reagierte darauf mit einer Blockade des Gebiets, die 2008 nach einem Raketenbeschuss aus Gaza noch intensiviert wurde.
Hanija als Premierminister (Ende 2007). Bild: AP
Hanija trat 2014 offiziell als Premierminister zurück. Dieser Schritt sollte im Zuge einer Annäherung an die Fatah Platz für eine Einheitsregierung schaffen, was jedoch nicht zustande kam. Hanija blieb aber der Führer der Hamas im Gazastreifen, bis er drei Jahre später von der Schūrā der Hamas zum Chef des Politbüros gewählt wurde und in diesem Amt Chalid Maschal ablöste. Das Politbüro gilt als oberste Entscheidungsinstanz und hat 15 Mitglieder. Sein Nachfolger in Gaza wurde Yahya Sinwar, der dort heute noch der faktische Hamas-Führer ist.
Yahya Sinwar, der eigentliche starke Mann der Hamas (2022). Bild: keystone
Als Leiter des Politbüros war Hanija zwar formell Chef der Terrororganisation, doch diese wurde faktisch von Sinwar kontrolliert, dem ranghöchsten Politbüromitglied im Gazastreifen und militärischen Chef der Hamas. Sinwar gilt auch – zusammen mit Mohammed Deif, dem Chef der Kassam-Brigaden – als einer der Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober 2023. Ob Hanija vorher über den Plan informiert wurde, ist unklar.
Aussenminister der HamasHanija fungierte de facto als Aussenminister der Hamas. Er verliess den Gazastreifen 2019 und nahm seinen Wohnsitz danach in der Türkei – wo die Hamas ein Büro unterhält – und in Katar. Von dort aus konnte er die Hamas besser im Ausland vertreten. Seine Bewegungsfreiheit war freilich eingeschränkt, auch weil ihn die USA 2018 auf ihre Liste globaler Terroristen setzten. Zudem beantragte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs im Mai 2024 einen Haftbefehl gegen Hanija. Hätte das Gericht dem Antrag entsprochen, wäre Katar dazu verpflichtet gewesen, ihn auszuliefern. Diese Akte kann mit dem Tod Hanijas geschlossen werden.
Als Aussenminister der Hamas nahm Hanija beispielsweise an der Beerdigung des iranischen Generals Ghassem Soleimani teil, der 2020 durch einen amerikanischen Drohnenangriff getötet wurde. Auch zur Amtseinführung des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi im August 2021 reiste Hanija in den Iran, mit dem die Hamas, auch dank Hanijas Bemühungen, seit 2017 wieder ein enges Verhältnis pflegt. Während des Gazakriegs traf er im April des laufenden Jahres den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und leitete die Hamas-Delegation bei den von Katar und Ägypten vermittelten Verhandlungen.
Beerdigung von Ghassem Soleimani in Teheran. Bild: EPA
Noch bevor Hanija durch das mutmasslich israelische Geschoss getötet wurde, bekam auch seine Familie die Folgen des Gazakriegs zu spüren: Im April verhaftete die Polizei eine seiner Schwestern in Israel; ihr wurde vorgeworfen, «Kontakt mit Hamas-Aktivisten unterhalten zu haben». Kurz darauf tötete ein israelischer Luftangriff drei seiner Söhne – Hanija hatte 13 Kinder – und vier Enkelkinder. Hanija sprach von einem «Märtyrertod» und bekräftigte die Entschlossenheit der Hamas, weiterhin Israel zu bekämpfen. Zwei weitere Enkelkinder sollen bereits im November 2023 im Gazastreifen ums Leben gekommen sein.
Leben im LuxusWie bei anderen Mitgliedern der Hamas-Führung wurde auch Hanija vorgeworfen, er lebe ein Leben in Luxus, während die Bevölkerung im Gazastreifen darbe. Laut Berichten führte der Hamas-Chef mit Teilen seiner Familie tatsächlich ein Luxusleben in Katar. Ihm gehörte eine Villa in Strandnähe, Bilder zeigten seinen Sohn Maaz beim Posieren mit Freunden auf einem vergoldeten Bett.
2010 berichtete eine ägyptische Zeitschrift, er habe vier Millionen Dollar für ein Grundstück in einem Nobelviertel am Strand von Gaza-Stadt bezahlt. Das Grundstück sei allerdings auf den Namen eines Schwiegersohns eingetragen worden. Hanija habe zudem mehrere Häuser im Gazastreifen gekauft, die auf die Namen seiner Kinder eingetragen sind.
Video: watson/lucas zollinger
Innerhalb der Hamas-Führung galt Hanija als vergleichsweise moderat – wobei man sich in Erinnerung rufen muss, dass die Terrororganisation in ihrer ursprünglichen Charta von 1988, die nie widerrufen wurde, die Vernichtung des jüdischen Staates vorsieht. Immerhin erklärte Hanija 2010, die Hamas halte einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 für akzeptabel – was indirekt das Existenzrecht Israels anerkannte. Da dies in der Hamas für Unruhe sorgte, krebste er zurück und sprach nur noch von der Möglichkeit eines «dauerhaften Waffenstillstands».
Hanija im Jahr 2006.Bild: AP
Nach dem Massaker vom 7. Oktober sagte der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant über die Führung der Hamas: «Sie leben von geborgter Zeit.» Ismail Hanijas Zeit ist am 31. Juli abgelaufen.
US-Militärschlag gegen Iran-General
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US-Militärschlag gegen Iran-General
Bei einem US-Drohnenangriff beim Flughafen Bagdad wurde am 3. Januar der iranische Top-General Soleimani getötet.
quelle: ap
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Video: watson
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