Hunter Biden: Wie gross ist der Imageschaden für Joe Biden?

Der Hunter-Biden-Prozess dürfte auch einen Schatten auf Joe Biden werfen

Der Sohn des amerikanischen Präsidenten steht diese Woche vor Gericht, weil er vor Jahren beim Kauf einer Schusswaffe seine Drogensucht verschwieg. Für die Republikaner sind die verstörenden Umstände des Vergehens voraussichtlich ein gefundenes Fressen.

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Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Hunter Biden mit seiner Frau Melissa Cohen Biden auf dem Weg zum Gericht in Wilmington, am 3. Juni.

Matt Rourke / AP

Am Montag hat der Prozess gegen Hunter Biden begonnen. Der Sohn von Präsident Joe Biden ist angeklagt, 2018 in einem Formular angegeben zu haben, er sei nicht süchtig und konsumiere keine illegalen Drogen. Er machte diese Angaben, um einen Revolver erwerben zu können. In Wirklichkeit war er Crack-abhängig. In der Folge besass er die illegal erworbene Waffe während elf Tagen – bis sie seine damalige Partnerin in einem öffentlichen Abfalleimer «entsorgte».

Seit Jahren immer wieder in den Schlagzeilen

Der Prozess findet in Wilmington statt, der Hauptstadt des Gliedstaats Delaware, weil der Angeklagte die Waffe dort gekauft hatte. In Wilmington befindet sich auch das Haus von Präsident Biden. Dieser teilte mit, er werde sich beim Prozessbeginn dort aufhalten, um in der Nähe seines Sohnes zu sein.

Im Prinzip haben die Tat und der Prozess nichts mit Joe Biden zu tun, aber sie könnten das Image der ganzen Biden-Familie beschädigen und sich dadurch auch negativ auf seine Wahlchancen auswirken. Denn nebst Hunter werden möglicherweise auch seine ehemalige Frau Kathleen Buhle und seine damalige Freundin Hallie Biden aussagen müssen. Hallie Biden war die Frau von Beau Biden, Hunters Bruder, der 2015 an einem Hirntumor verstarb; sie hatte die Waffe damals weggeworfen. Nach Protesten von Hunter benachrichtigte das Paar die Polizei, und die Waffe wurde bei einem Obdachlosen entdeckt, der sie beim Durchwühlen des Abfalleimers gefunden und an sich genommen hatte.

Hunter Biden steht seit Jahren immer wieder wegen tatsächlicher und angeblicher Vergehen in den Schlagzeilen. Donald Trump ernannte David Weiss 2018 als Bundesanwalt von Delaware; sogleich begann Weiss, gegen Hunter Biden zu ermitteln; er durchleuchtete vor allem seine Aktivitäten in den Jahren, als Joe Biden von 2009 bis 2017 Vizepräsident unter Barack Obama war. Hunter Biden sass damals im Verwaltungsrat des ukrainischen Gasproduzenten Burisma und unterhielt Geschäftsbeziehungen mit einem dubiosen chinesischen Unternehmer. Seine Partner erhofften sich offenbar Zugang zum Weissen Haus und waren auch bereit, den Sohn des Vizepräsidenten dafür gut zu bezahlen.

Die Laptop-Affäre und das geplante Impeachment

Illegale Geschäfte konnten Hunter und erst recht Joe Biden aber nicht nachgewiesen werden. Dafür stiess Weiss im Laufe der Untersuchungen auf Steuerhinterziehung. Hunter Biden hatte zwischen 2016 und 2019 seine Einnahmen falsch deklariert und dadurch bei den Bundeseinkommenssteuern 1,4 Millionen Dollar eingespart. Die Schulden sind längst beglichen, aber auch für dieses Vergehen muss er sich im September vor Gericht verantworten. Ende Juli 2023 scheiterte eine Vereinbarung über das Steuervergehen und die Falschangaben beim Waffenkauf. Die Vereinbarung war von den Republikanern als «sweetheart deal», also eine Art Freundschaftsdienst, kritisiert worden. Im August setzte der Justizminister Merrick Garland dann David Weiss als Sonderermittler ein, womit dieser seine Untersuchungen über Delaware hinaus auf andere Gliedstaaten ausweiten konnte.

Immer wieder im Gerede war Hunter Biden auch wegen eines Laptops, den er zur Reparatur gegeben hatte. Der Ladenbesitzer hatte angeblich belastende Daten auf dem Computer gefunden und ihn 2019 dem FBI übergeben. Die Affäre ist ohne konkrete Resultate im Sand verlaufen, ebenso wie auch ein geplantes Impeachment-Verfahren gegen Joe Biden im Zusammenhang mit Hunter Biden; Republikaner hatten behauptet, Joe Biden habe von den dubiosen Geschäften seines Sohnes profitiert.

Die Abgründe in Hunter Bidens Biografie

Die ersten zwei oder drei Tage des Prozesses sind der Auswahl der Geschworenen gewidmet. Anschliessend wird der Prozess nochmals sieben bis zehn Tage dauern, wobei etwa zehn Zeugen vorgeladen werden. Es ist anzunehmen, dass man dabei nochmals tief in die Jahre von Hunter Bidens Drogensucht eintauchen wird, die er selbst als dunkelste Phase seines Lebens bezeichnete. Die konservativen Medien in den USA werden wohl detailreich darüber berichten, und Trump wird, wie schon bei früherer Gelegenheit, über die «kriminelle Biden-Familie», wie er sie nennt, herziehen. Die Maximalstrafe angesichts seiner Vergehen beträgt zehn Jahre Gefängnis; aber man geht davon aus, dass das Urteil mangels Vorstrafen und angesichts seiner damaligen Drogensucht wesentlich milder ausfallen wird.

Der Prozess findet wenige Tage nach dem Verdikt der Jury in Trumps Schweigegeldprozess statt. Während sich die Republikaner in Trumps Fall demonstrativ hinter ihren Präsidentschaftskandidaten stellten und den Prozess als politische Hexenjagd titulierten, halten sich die Demokraten in Hunter Bidens Fall zurück, auch wenn sich Joe Biden auf persönlicher Ebene keineswegs von seinem Sohn distanziert, sondern im Gegenteil aus seiner väterlichen Unterstützung kein Geheimnis macht.

Vor Gericht werden voraussichtlich auch Passagen aus Hunter Bidens Autobiografie von 2021, «Beautiful Things», in der er seine Crack-Abhängigkeit beschreibt, gegen ihn verwendet. Ebenfalls werden laut «Wall Street Journal» Fotos und Videos von Hunter Biden als Drogensüchtigem sowie der ominöse Laptop eine Rolle im Prozess spielen.

Zweifellos hofften die Demokraten, im Wahlkampf von Trumps Prozess profitieren zu können, in dem allerlei Zwielichtiges aus seinem Privat- und Geschäftsleben ausgebreitet wurde. Aber nun schlägt das Pendel möglicherweise zurück. Die eingefleischten Republikaner und Demokraten wird der Prozess kaum von ihren Ansichten abbringen. Die Frage ist, welchen Einfluss er auf die noch Unentschlossenen hat. Vielleicht wird er bei einigen Mitgefühl und Sympathie für den gebeutelten Vater wecken, der trotz allem zu seinem Sohn steht. Für andere hingegen werden die verstörenden Details aus Hunter Bidens Leben wohl auch einen Schatten auf den Vater werfen.

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