„Frohe, gesunde und friedliche Weihnachten allüberall!“: Mit diesem Wunsch an die „Duhsubys“ – kurz für „Damen und Herren, Schwestern und Brüder“, so redete er seine Leserschaft an – endet die letzte „Falter“-Kolumne von Hermes Phettberg. Sie ist am Mittwoch erschienen, in der Nacht auf Donnerstag ist er nach Empfang der Letzten Ölung im Spital gestorben. An einer Lungenentzündung, auch über diese erfuhr man in der letzten Ausgabe seiner „Predigtdienst“-Kolumne, die seit März 1992 ohne Unterbrechung erschienen ist. Sie mischte im gehobenen Plauderton Episteln über Theologisches – in den ersten Jahren lag ihnen wirklich die liturgische Bibelstelle des jeweiligen Sonntags zugrunde – und Alltägliches, Exkurse über die Freuden der Welt und seine eigenen Leiden.
Gefördert von Kurt PalmIn den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr über körperliche Leiden: Gebrechlich, von Schlaganfällen gezeichnet, gar nicht mehr beleibt, war er in seinem geliebten Gumpendorf auf häusliche Pflege angewiesen. „Hermes Phettberg, Elender“, hieß entsprechend 2007 ein Kinofilm über ihn, gedreht von Kurt Palm.
Dieser gewitzte Autor und Regisseur war jahrelang Hermes Phettbergs Kompagnon und Widerpart – und, zumindest für ein großes Publikum, sein Entdecker. Im Umfeld der wunderbaren Laientheatergruppe „Sparverein Die Unzertrennlichen“, die Palm in den Neunzigerjahren leitete, entwickelte er für Phettberg 1994 die „Nette Leit Show“, eine bald vom ORF übernommene Talkshow mit liebevoll gepflegten Ritualen – von der Frage „Frucade oder Eierlikör?“ bis zum Dosenschießen –, bei der Phettberg mit honorigen Gästen von Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg über Maler Hermann Nitsch bis Karikaturist Manfred Deix über Gott und die Welt, über Käsesemmeln und Sucht sprach, im übergroßen braunen Anzug und mit seidenem Halstuch, mit sonorer Stimme, tief ernst und ziemlich lustig zugleich. Mit vielen legendären Momenten, etwa dem Plastiksackerl-Duett mit Opernführer Marcel Prawy oder der Petition an den Philharmoniker-Vorstand Werner Resel, ihm doch ein Abonnement zu gewähren, in 15 Jahren, wenn er voraussichtlich seelisch so weit sein werde …
Man spürte, wie sehr ihm diese Gespräche lagen, wie interessiert er an seinen Gästen war. Mit ihnen schien er ganz bei sich, und dann plötzlich wieder am Rand metaphysischer Abgründe. Dann fielen ihm jäh Schlussätze ein wie: „Es ist alles nur kontingent, was wir hier tun. – Danke, dass Sie da waren.“ Ein Jammer, dass diese Show so kurzlebig war.
Masochismus und „Jeansboys“In die Wiener Szene gekommen war Josef Fenz, wie er bürgerlich hieß, aus einer Weinbauernfamilie in Hollabrunn. Immer schon theologisch interessiert, wurde er Pastoralassistent in der Erzdiözese Wien, später Kanzlist im Amt der niederösterreichischen Landesregierung. Mit katholischer Kirche und Glauben haderte er bald innig, entdeckte indessen seine masochistische Neigung und seine – meist unglückliche – Liebe zu „Jeansboys“. Bei Happenings ließ er sich öffentlich peitschen, bei der Regenbogenparade allerdings kutschierte er zeitunglesend über den Ring.
Lange zu schaffen machte ihm sein Hang zur Fettleibigkeit, über den er mit der ihm eigenen stolzen Demut sprach, aus dem er auch seinen Künstlernamen machte. Der Manierismus, dass er Phettberg mit „ph“ schrieb, war eine im Grunde barocke Geste. Er war eben in Leiden und Leidenschaft, in Sprache und Denken, letztlich auch in seinem Bewusstsein der Hinfälligkeit ein barocker Mensch: ein Wiener Original, das wir vermissen werden.