Hermes Phettberg ist tot
Gott ist tot. Hermes Phettberg hat Österreich verkörpert, wie sonst vielleicht noch Rudolf Schwarzkogler, aber bei dem war mehr Welt und bei Phettberg war mehr Wien.
Von Hosea Ratschiller
Ich bin gespannt, ob man sein Werk, und es gibt ein Werk, im Nachhinein dem Wiener Aktionismus zurechnen wird oder ob die Kunstwelt verabsäumt Hermes Phettberg zu kanonisieren, weil sie zu beschäftigt ist mit Naserümpfen über seine Menschenliebe.
Man kam als junger Mann in seinen Augen nicht so leicht über den Jeansboy hinaus. Und ich hatte so viel Zeit meines Aufwachsens mit, neben und als Kind von queeren Menschen verbracht, dass die schmierige Koketterie, mit der seine Avancen vorgetragen waren, mich nicht provoziert hat, sondern einfach nur gelangweilt. Ich glaube, das hat er bemerkt, meine Milde hat wiederum ihn gelangweilt und so waren unsere Gespräche auf Anhieb interessant.
Langeweile hat ihn nicht erschreckt. Sie hat unser beider Herzschlag beruhigt, wodurch Anteilnahme an seinem genauen, immer dramatischen, immer zitablen Blick auf die Umgebung möglich wurde. Im Nachhinein bereue ich, das Telefonieren mit ihm verweigert zu haben. Es war mir einfach zu mühselig, ich war echt jung und hatte andere Pläne. Vom Arbeiten kann ich wenig berichten, weil meine Erinnerungen an die Zeit, in der Phettberg noch sichtbarer Teil der Wiener Kulturwelt war, recht neblig sind. Sagen wir so: Es wurde gearbeitet. Und es war eh recht spannend.
Wien war in den 90ern ja quasi Berlin. Ein paar der spannendsten Clubs Europas, eine rastlose, ästhetisch weltweit stilprägende Musikszene, Komik auf Augenhöhe mit Polt und Loriot, aufblühender Film, relevante Literatur, enormes und noch wachsendes politisches Engagement an Universitäten, gerade an den Kunstakademien, alles immer im Rahmen eines aktiven Austausches mit internationalen Bewegungen. Schon aufregend und inspirierend, aber, es war eben auch Wien. Man war unter sich. Man blieb unter sich. Und man wollte auf nichts hinaus. Phettberg war eine Ausnahme.
Die Sprache, die er entwickelt hat, seine öffentliche Verausgabung, hat Dörfer zu Städten werden lassen, innere und äußere. Ein weniger provinzieller Provinzler ist kaum denkbar. Seine Fernsehsendung habe ich in vielen Aspekten nicht begriffen, aber sein Auftreten darin war von atemberaubender Schönheit, vergleichbar vielleicht mit Heath Ledger als Joker. Man kann in jedem Rahmen alles tun, man kann auch in der Öffentlichkeit ein Mensch sein, wenn man das will und wenn man dazu in der Lage ist. Mehr geht nicht.
Möge es im Himmel Erdäpfel regnen.
APAORF/Hinterleitner/HT
Nette Leit Show vom 2. April 1996
Aus dem Archiv:
„Josef Fenz räumt seine Wohnung auf“Ein Hörstück von Fritz Ostermayer, Wiederholung der Sendung vom 8. Februar 1992 am 22. August 1992 (Ö1 Diagonal)
"Josef Fenz räumt seine Wohnung auf"
Elisabeth Scharang im Gespräch mit Hermes Phettberg, gesendet am 1. November 2004
Elisabeth Scharang im Gespräch mit Hermes Phettberg, gesendet am 1. November 2004
Publiziert am 19.12.2024
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