Hermes Phettberg ist tot: Ein netter Leit, ein Leidender, ein Prediger
Er war jemand, dem man gern dorthin folgte, wo es weh tut, weil er so klug und so nett und so erstaunlich interessant darüber reden konnte. Hermes Phettberg war ein Leidender, ein Prediger, ein Verbalaktivist und eine echte Kunstfigur des Menschseins. Nun ist der Moderator der kultigen "Nette Leit Show" und Falter-Kolumnist, der am 5. Oktober 1952 in Hollabrunn als Josef Fenz geboren worden war, nach KURIER-Infos an den Folgen einer Erkrankung 72-jährig gestorben.
Der Sohn von Weinbauern arbeitete zunächst als Bankangestellter, bevor er nach einer theologischen Fortbildung Pastoralassistent in der Erzdiözese Wien wurde. Mitte der 80er-Jahre war er Mitbegründer des Vereins „Libertine Sadomasochismusinitiative Wien“ und des Projekts „Polymorph Perverse Klinik Wien“. Öffentlich bekannt wurde er mit sadomasochistischen Kunstaktionen (wie seiner „Verfügungspermanenzen“) gemeinsam mit Walter Reichl im Rahmen von „ErotiKreativ“ im WUK.
In der Theatergruppe „Sparverein Die Unz-Ertrennlichen“ rund um Kurt Palm spielte er ab Anfang der 90er-Jahre verschiedene Rollen, ab 1992 schrieb Phettberg seine wöchentliche „Falter“-Kolumne.
© Kurier / Gerhard Deutsch
In seiner Talkshow „Phettbergs Nette Leit Show“ begrüßte er ab Ende 1994 verschiedene Prominente, darunter etwa Marcel Prawy, Hermann Nitsch, Manfred Deix oder Josef Hader. Gemeinsam mit Kurt Palm gab er 1996 das Buch „Frucade oder Eierlikör“ mit Interviews und Monologen aus der Show heraus. 2003 und 2004 strahlte ATV die Sendung „Beichtphater Phettberg“ aus.
Phettberg erhielt 1993 den Franz-Grillparzer-Preis der „Anonymen Aktionisten“ und 2002 den Preis der Stadt Wien für Publizistik. Der damalige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) nannte Phettberg damals einen „radikalen und subjektiven Beobachter des Wiener Alltagslebens“, mit seiner „Nette Leit Show“ habe er Kulturgeschichte geschrieben. 2007 widmete ihm sein alter Freund und Entdecker Kurt Palm den Dokumentarfilm „Hermes Phettberg, Elender“, in dem die beiden das Leben der einstigen bunten Wiener Szenefigur im Zwiegespräch Revue passieren lassen.
Mit „Garten der Lüste“, einer öffentlichen Fesselungsaktion im Rahmen der „Wienwoche“ sorgte er 2012 für Aufregung, im selben Jahr erschien im Sensationsverlag das Künstlerbuch „Alles Erschreckliche! Ausgewählte Texte“. Als im Sommer 2013 die mit dem Max-Ophüls-Preis 2012 ausgezeichnete Schwarz-Weiß-Doku „Der Papst ist kein Jeansboy“ von Sobo Swobodnik über Phettbergs Alltag im Wiener Stadtkino an 28 Abenden gezeigt wurde, wohnte der Protagonist trotz Gehbehinderung jeder einzelnen Vorführung bei.
Seine Sadomasochismus-Sehnsüchte konnte er zuletzt nicht mehr ausleben: Er könne „eigentlich nur noch im Bett liegen und im Rollstuhl sitzen“, sagte er. Nach mehreren Schlaganfällen lebte Phettberg, der sich selbst als „Elender“ bezeichnet, zuletzt zurückgezogen.