Heretic Kritik
Hugh Grant ist als Schauspieler eher in lockeren Filmen zu sehen, in Heretic wird er allerdings zur Hauptfigur in einem Horrorthriller, der in einem Kammerspiel der Frage nach der einzig wahren Religion auf den Grund geht. Kann Grant auch Psycho und funktioniert der Film abseits seiner offensichtlichen Religionskritik?
Wenn Missionare vor der Tür stehen oder einen ansprechen, winken die meisten direkt ab. Das erleben auch die beiden jungen Missionarinnen Schwester Barnes und Schwester Paxton, die für eine den Mormonen angehörige Kirche werben. Als es zum Ende eines langen und erfolglosen Tages zu stürmen beginnt, treffen die beiden jungen Frauen beim abgelegenen Haus von Mr. Reed ein. Dieser wirkt erst einmal ganz freundlich.
Im Glauben daran, dass die Frau von Mr. Reed im Haus anwesend ist, beginnt eine vorsichtige Debatte über den Glauben der Mormonen. Doch mit fortschreitender Zeit fallen immer mehr Ungereimtheiten auf und auch Mrs. Reed stößt nicht dazu. Als eine Flucht durch die Haustür nicht möglich ist, blüht den Missionarinnen, dass sie in einem gefährlichen Spiel von Mr. Reed gefangen sind, der die einzig wahre Religion gefunden haben möchte und die Frauen davon zu überzeugen versucht.
In Heretic wird viel geredet, philosophiert und erklärt. Mr. Reed, gespielt von Hugh Grant, betreibt eine Generalabrechnung mit allen Weltreligionen. Dafür nutzt er Brettspiele, Musik und alte Aufzeichnungen, mit denen er einige Thesen aufstellt, die der Film vorerst unwidersprochen stehen lässt. So wirkt gerade die erste Hälfte von Heretic sehr einseitig und plump. Es wird viel kritisiert, aber aufgrund des fehlenden Widerspruchs der Schwestern wird nur wenig Tiefgang ermöglicht, der andere Perspektiven mit einschließt.
Umso stärker ist aber der Moment, in dem sich Schwester Barnes aus ihrer zurückhaltenden Position herauslöst und eine überzeugende Gegenargumentation liefert. Ab dem Moment wird den Zuschauern eine echte Debatte um Religion und vor allem deren Gemeinschaften eröffnet. Eine Stärke von Heretic ist es in dem Kontext zudem, dass Interpretationsräume der Ereignisse offengelassen werden, damit der Zuschauer sich nie klar und endgültig auf eine Seite schlägt.
Zum Ende hin gibt es für beide Positionen ihre entsprechenden Höhepunkte. Einmal die religionskritische Antwort auf die Frage, was die einzig wahre Religion sei und einmal der religiöse Moment, der als Rettung funktioniert. Beide Positionen können allerdings auch jeweils umgekehrt interpretiert werden, gerade mit Blick auf die letzte Szene. Der Film lässt eine endgültige Deutung also offen, akzeptiert Zweifel am Glauben und Unglauben und ist deutlich differenzierter, als es im Internet teilweise dargestellt wird.
Nichtsdestotrotz gibt es auch einige Schwächen, ausgerechnet nach der starken Szene mit Schwester Barnes Gegenargumentation etwa. Da verliert sich das Kammerspiel nämlich in einem leider etwas zu langen Handlungsstrang, der zwar für die Position von Mr. Reed und für die Handlung als solche wichtig ist, allerdings wenig überzeugend wirkt. Für die in diesen Szenen stattfindenden Ereignisse hat sich der Film zuvor viel zu ernst und bodenständig gegeben. Dass an diesen Situationen wenig dran ist, ist von Anfang an klar und nimmt einiges an Spannung und Souveränität.
Einige Argumente in Heretic sind sehr abstrakt und Schwester Barnes Gegenargumentation wird wenig Substanzielles entgegnet. Ebenso gibt es durch die gegensätzlichen Positionen zwar Tiefgang, viel mehr als das Vortragen zweier Meinungen ist da oft allerdings auch nicht. Regelmäßig wirken die Figuren unnatürlich rechthaberisch, als wolle der Film einem vermitteln, wie klug er doch sei. Nicht zu vergessen ist da natürlich auch einfach die Menge an Monologen, deren Aussagen sich teilweise wiederholen.
Besser ist da schon der Humor, der oft sehr gut funktioniert und dem Charakter Mr. Reed eine zusätzliche, unangenehme Note verleiht. Gelegentlich wirkt ein Witz zwar unpassend und stört die Atmosphäre, das ist jedoch die Ausnahme. Dass der zynische Humor von Mr. Reed überhaupt gut funktioniert, liegt maßgeblich an Hugh Grant, der wirklich grandios spielt. Wenn die beiden Frauen, die von Sophie Thatcher (Schwester Barnes) und Chloe East (Schwester Paxton) ebenfalls stark dargestellt werden, realisieren, dass sie in einer ausweglosen Situation sind, schafft es Hugh Grant seinem Charakter die genau richtige Mischung aus Freundlichkeit, Boshaftigkeit und Rechthaberei ins Gesicht zu zaubern, sodass die Stimmung maximal unangenehm wird.
Zu erwähnen ist auch, dass es zwar hin und wieder einen Jump Scare gibt, der Film aber auch ohne diese eine ausreichend unangenehme Atmosphäre erzeugt und sie somit auch nur sparsam einsetzt. Dabei spielen die gute Kameraarbeit, die überzeugenden Kulissen und der passende Soundtrack keine zu vernachlässigende Rolle.
FazitHeretic ist zum Abschluss des Jahres ein guter Horrorthriller und ist daher allen zu empfehlen, die von besinnlicher Atmosphäre wenig halten. Gleichzeitig sollte man sich auf einen religionskritischen Film einstellen, der allerdings nicht einseitig Religionen verteufelt, sondern Interpretationen zulässt.
Neben all den philosophischen Ansätzen ist der Film aber auch gruselig genug, um im Genre zu funktionieren. Mit wenigen Jump Scares erbaut der Film eine unangenehme Stimmung und ist trotz einiger Schwächen, wie etwa dem teilweise fehlenden Tiefgang und der Fülle an ausführlichen Monologen, sehenswert.
Die schauspielerischen Leistungen Sophie Thatcher und Chloe East sind überzeugend und vor allem aber Hugh Grant drückt Heretic seinen Stempel auf.
Heretic Bewertung